KG MacGregor

Liebe in Sicht


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meint, was den privaten Part angeht.«

      Didis empörte Miene war unbezahlbar, aber Natalies zufriedenes Grinsen toppte alles.

      3

      Natalie schob vorsichtig eine Hand unter der Bettdecke hervor, um sich die Nase zu kratzen, und war irritiert von dem ungewohnten Liegegefühl. Sie drehte sich auf den Rücken und versuchte sich in der fremden Umgebung zu orientieren – sie lag in einem der beiden Betten in einer Kabine an Bord der Emerald Duchess. Entweder hatte sich der leichte Seegang gelegt, der sie am Abend zuvor in den Schlaf gewiegt hatte, oder sie hatte sich bereits an das stete Schwanken gewöhnt.

      Sie setzte sich auf und blinzelte, um sich in der Dunkelheit zurechtzufinden. Das einzige Licht drang an den Rändern der Verdunklungsgardine ein. Ihre Kabinengenossin war fort. Das überraschte Natalie, denn es war schon nach Mitternacht gewesen, als Kelly auf Zehenspitzen hereingeschlichen war, und die Digitaluhr zeigte jetzt zehn nach sieben an. Wenn das Kellys Vorstellung, sich eine Kabine zu teilen, entsprach, dann war Natalie sehr damit einverstanden.

      Ehrlich gesagt, über Kelly konnte sie sich nicht beklagen. Doch ihre geheime Wunschphantasie, sich auf ein kleines Abenteuer mit ihrer Kabinengenossin einzulassen, nur um Didi eines auszuwischen, war hundertprozentig geplatzt, da sie diese Art Frau nicht im Geringsten anziehend fand. Das wusste Didi auch, und somit würde sie Natalie sofort durchschauen. Aber dennoch schien Kelly sehr nett zu sein, und ihr ungewöhnliches Leben würde interessanten Gesprächsstoff bieten, falls sie sich zusammen in der Kabine aufhielten.

      Natalie schwang die Füße aus dem Bett und tappte vorsichtig um die Sitzecke herum, um einen Blick nach draußen zu werfen. Die Sonne stand bereits hoch, der Himmel war blau und klar, und die See verhältnismäßig ruhig. Natalie konnte nicht widerstehen – sie öffnete die Schiebetür einen Spaltbreit und atmete die warme, feuchte Luft ein. Es war das pure Glück.

      Im Schrank hingen zwei Bademäntel bereit, und sie wickelte sich in einen davon ein, bevor sie auf den Balkon hinaustrat. Ein Karibik-Trip mitten im Winter war eine hervorragende Idee – eine Idee, die sie in ihren offiziellen Jahresterminplan eintragen würde, gleich neben die Inventur zum Jahresende, die Steuertermine und die Frühjahr/Sommer Fashion Week in New York. Nicht dass sie sich das jedes Jahr würde leisten können – aber es war schön, davon zu träumen. Wenn Didi je zur Vernunft kam und begriff, welch komfortables Leben sie in Rochester haben könnten, dann konnten sie sich Reisen wie diese regelmäßig gönnen.

      Das Geschäft nach New York zu verlegen konnte sie beide ruinieren. Die Modewelt der Eighth Avenue war knallhart. Ein Laden, der nicht von Anbeginn seine Nische fand, konnte in sechs Monaten pleite sein, und dann wäre all ihr Kapital weg. Natürlich glaubte Didi schon längst nicht mehr, dass Natalie den Umzug nach Manhattan mitmachen würde. Seit zwei Jahren, zwei Monaten und … neun Tagen, um genau zu sein. An dem Abend hatten sie sich getrennt.

      Anfangs hatte Natalie geglaubt, ihre Trennung könnte sich letzten Endes doch als Segen erweisen – als die Auszeit, die ihre Beziehung brauchte. Plötzlich kamen sie bei der Arbeit besser miteinander aus – es gab kein Gezanke mehr um jede Kleinigkeit. Die Kehrseite jedoch war, wie sie schnell begriff, dass sie sich schon bald von ihrem eigenen Unternehmen entfremdet fühlte, weil die glamouröse Modeseite des Geschäfts Didis Bereich war, während sie selbst für die betriebswirtschaftliche Seite zuständig war. Ohne die frühere Begeisterung, mit der sie jede neue Lieferung auspackte, und Didis extravagante Präsentation wurden die Kisten mit topmodischen Trapez- oder Shirtkleidern nur mehr Waren, die entweder gut gingen oder nach einem festen Zeitplan, der ihnen einen steten Zugang frischer Waren ermöglichte, reduziert wurden. Was den Glamourfaktor ihres Arbeitsbereiches anging, hätte Natalie genauso gut einen Laden für Klempnerbedarf führen können.

      Trotz ihrer nachlassenden Begeisterung für die Modebranche konnte Natalie die Vorstellung jedoch nicht ertragen, sich von diesem Leben zu verabschieden und im Alter von siebenunddreißig Jahren zurück auf Los zu gehen. Erst als Pamela sechs Monate zuvor auf der Bildfläche erschienen war, hatte sie begriffen, dass die Vorstellung, eine neue Geliebte zu finden, ebenso beängstigend war, wie die Vorstellung, sich eine neue berufliche Perspektive zu schaffen. Am liebsten hätte sie das Leben zurückgehabt, wie es zwei Jahre zuvor gewesen war … oder fünf oder sechs … wann immer sie und Didi noch zusammen glücklich gewesen waren.

      Sie ließ sich im Liegestuhl nieder und drapierte den Bademantel so, dass die Morgensonne auf ihre Beine schien. Doch so sehr sie auch versuchte, sich zu entspannen, es war unmöglich, das Debakel zu vergessen, das aus ihrem Leben geworden war, insbesondere mit der noch frischen Erinnerung daran, wie Didi und Pamela es letzte Nacht unter großem Geseufze und Gestöhn getrieben hatten. Für das viele Geld hätte Natalie sich eine bessere Lärmdämmung gewünscht.

      Die Schiebetür öffnete sich, und Kellys rotes Gesicht erschien. »Gut geschlafen?«

      »Muss wohl. Ich erinnere mich an nichts.«

      Kellys Abwesenheit am frühen Morgen erklärte sich von selbst, als sie in Joggingshorts, Tank Top und Turnschuhen auf den Balkon trat und zwei Tassen Kaffee in den Händen balancierte, während sie die Tür zuschob. »Du nimmst Kaffeesahne und dieses blaue Zeug, richtig?«

      »Du hast mir Kaffee mitgebracht! Wie reizend!«

      »Kein Ding. Ich brauche nach dem Laufen immer eine Dosis Koffein, und ich habe mitbekommen, dass du beim Dessert gestern Abend Kaffee getrunken hast.«

      »Ich liebe Kaffee – ganz besonders als Allererstes am Morgen.« Genießerisch trank sie den ersten Schluck. »Ich bin Sport ja zu jeder Tageszeit eher abgeneigt, aber dass du am ersten Urlaubstag in aller Frühe aufgestanden und Laufen gegangen bist …!« Es war kaum möglich, die gut definierten Muskeln von Kellys Beinen und Schultern nicht zu bewundern. Natalie hätte wetten mögen, dass sich unter dem Tank Top ein Sixpack verbarg. Es war kein besonders weiblicher Körper, aber er war auch nicht unattraktiv.

      »Mir macht das Spaß. Ich laufe jeden Morgen drei, vier Meilen, am Wochenende manchmal auch mehr. Gewichte stemmen finde ich auch nicht schlecht, aber Laufbänder kann ich nicht leiden. Zum Glück haben sie einen Jogging-Parcours auf dem Promenadendeck. Nach fünfzehn Runden habe ich vergessen zu zählen.«

      Natalie schüttelte ungläubig den Kopf. »Warum überrascht mich das nicht? Hier an Bord gibt’s wirklich alles. Steph und ich haben gestern Abend sogar ein Filmtheater entdeckt.«

      »Prima. Vielleicht gucken wir uns die Tage mal einen Film an.« Kelly legte den Kopf in den Nacken und trank den letzten Schluck Kaffee. »Soll ich dir noch eine Tasse Kaffee holen, bevor ich duschen gehe?«

      »Nein, danke. Aber Kaffee gebracht zu bekommen war prima.«

      »Was hast du heute vor?« Der Reiseplan sah vor, dass sie den ganzen Tag auf See waren – mit Ziel San Juan.

      »Ich habe Didi und Pamela zugesagt, mit ihnen ins Spa zu gehen. Zum – ich kann es selbst kaum glauben – Wachsen der Bikinizone. Ich habe Steph das Versprechen abgerungen mitzugehen. Wenn sie nicht auftaucht, bin ich auch verschwunden.«

      Kelly lachte. »Ja, ich verstehe, dass man dafür moralische Unterstützung braucht. Übrigens, diese sogenannte Privatparty von Didi und Pamela – das war der Grund, warum ich gegangen und so lange weggeblieben bin.«

      »Ich habe die beiden gehört, als ich reinkam. Das ganze verdammte Schiff hat sie vermutlich gehört. Es klang, als hätte man einen Hund und eine Katze zusammengebunden«, erwiderte sie und konnte kaum verhehlen, wie peinlich berührt sie war.

      »Wenn du mich fragst – ich glaube, dass war alles nur Show.«

      »Wie kommst du darauf?«

      »Ich weiß nicht. Es klang einfach gekünstelt – als wäre es viel lauter, als es eigentlich hätte sein müssen.«

      Natalie spürte, wie ihr das Gesicht brannte bei der Vorstellung, dass Didi das Ganze nur inszeniert hatte, um sie zu demütigen. Wenn das der Fall war, dann war das ein Zeichen dafür, dass der Wind rauer wurde. Didi hatte sich schon einiges geleistet – sie war überkritisch gewesen, herablassend, anstrengend, aber nicht absichtlich gemein.

      Auf