sofort deren Anführer wieder, der nun breitbeinig in einer Entfernung von mehreren Ellen vor ihm stand und grinste. Er hielt ein Messer in der Hand. Die übrigen waren mit Keulen, Messern und einem Schwert bewaffnet.
»Wie schön, dass wir uns so schnell wiedersehen, Pfaffe!«, sagte der Anführer mit einer Stimme, die schneidend wie eine Klinge war. »Wie ich sehe, hast du dir Verstärkung zugelegt: ein noch schwächeres Pfäfflein und einen Herumtreiber, den der leichteste Windstoß umwerfen wird.« Dann wandte er sich an Maria und machte eine leichte Verbeugung vor ihr. »Und ich freue mich, dich wiederzusehen, Lichtstrahl meines Lebens, Blume meines Winters. In meiner unendlichen Güte biete ich dir an, zu vergessen, was du mir angetan hast, wenn du freiwillig zu uns zurückkommst. Ich schenke dir das Leben. Wenn du dich uns widersetzt, wirst du sterben. Ich werde dir einen qualvollen Tod bereiten. Deine schlimmsten Befürchtungen werden wir bei Weitem übertreffen.«
»Du nimmst den Mund recht voll, Bube«, sagte Federlin unbekümmert, während er ein eingebildetes Stäubchen von der Blase seines Dudelsacks abwischte.
Hilarius sah den Gaukler besorgt an. Sein freches Mundwerk würde sie noch in des Teufels Küche bringen! Er sah, dass auch Martin dem fahrenden Gesellen einen erschrockenen Blick zuwarf. Maria wich vor dem Anführer zurück, bis sie mit dem Rücken gegen Martin stieß. Martin schlang in einer unbewussten Bewegung die Arme um sie, ließ sie aber sofort wieder los, als er bemerkte, was er getan hatte. Sein Gesicht lief rot an.
»Stopft ihm sein freches Maul!«, bellte der Anführer wütend. Seine Männer kamen mit erhobenen Waffen heran. Und dann brach die Hölle los.
Hilarius hob die Arme schützend vor den Kopf; deshalb bekam er nicht genau mit, was eigentlich geschah. Er hörte Schreie, wusste aber nicht, von wem sie kamen. Waffengeklirr ertönte, als ob die Räuber gegeneinander kämpften, denn weder Martin noch der Gaukler oder Maria waren bewaffnet. Zerreißende Geräusche, wie wenn Kleider in Fetzen geschnitten wurden; Brüllen und Schnauben, dann Rascheln und Keuchen, dass sich rasch entfernte. Hilarius blinzelte durch die Armbeuge.
Die Verbrecher waren fort. Martin lag am Boden neben einem der Mordbuben. Maria kniete sich zuerst neben den Verbrecher, dann neben Martin. Hilarius stellte sich an ihre Seite, schaute kurz auf die beiden herunter und dann auf Federlin, der wie unbeteiligt etwas abseits stand und seinen Dudelsack wieder an sich nahm, den er kurz zuvor abgesetzt hatte. Er bemerkte den fragenden, verwirrten Blick des Paters und sagte lächelnd:
»Sie hatten wohl nicht mit Gegenwehr gerechnet. Es ist immer ein großer Fehler, seinen Feind zu unterschätzen.« Er drückte gegen den Balg seines Instruments, und ein klagender Ton schraubte sich in die kalte Nacht.
Martin schlug die Augen auf. Er starrte in das Gesicht Marias, das knapp über seinem schwebte. »Was … was ist passiert?«, stammelte er.
»Sie sind fort«, antwortete ihm Maria. Sie streckte die Hand aus und wäre ihm beinahe übers Haar gefahren, doch sie ließ die Hand nur über seinem Kopf schweben; dann zog sie sie fort und drehte sich zu dem zweiten Niedergestreckten um. Er hatte eine schreckliche Wunde am Hals, aus der viel Blut geflossen war. Nun lag er still. Er war tot. »Mohammed«, flüsterte Maria. In ihrer Stimme lagen Abscheu, aber auch Unverständnis und Angst. Von den anderen Mordgesellen war nichts mehr zu sehen.
Martin erhob sich benommen und zupfte seine schwarze Kutte zurecht. Das Zingulum hatte sich gelöst; er band es wieder um seine Hüfte und starrte dabei Federlin ungläubig an. »Was war das? Was hast du mit ihnen gemacht?«
Der Gaukler entlockte seinem Instrument einen weiteren jaulenden Ton. »Ich habe viele Fähigkeiten. Kämpfen ist eine davon«, sagte er nur. Dann klemmte er sich den Dudelsack unter den Arm und meinte: »Wenn sie den ersten Schreck überwunden haben, werden sie wiederkommen. Wir sollten von hier verschwinden. Ich kenne einen guten Unterschlupf ganz in der Nähe, wo wir uns ein wenig ausruhen können. Kommt.« Ohne die Reaktion der Mönche oder Marias abzuwarten, ging er los. Die anderen warfen sich fragende Blicke zu. Hilarius zuckte schließlich die Achseln und folgte dem Gaukler; Martin und das Mädchen kamen sogleich hinterdrein.
Federlin schien keine Schwierigkeiten zu haben, sich in der stockdunklen Nacht zurechtzufinden. Das Gelände wurde ein wenig hügelig. Auf Hilarius wirkte es so, als lägen unter dem Waldboden schlafende Riesen, von denen nur die Köpfe herausschauten. Fast erwartete er, dass sich einer der Hügel bewegte. Doch alles blieb reglos.
Federlin blieb stehen und entfernte etwas am Fuße eines dieser seltsam runden Hügel. »Los!«, zischte er. Maria, die direkt hinter ihm gegangen war, verschwand als Erste. Dann quetschte sich auch Martin in das enge Loch, das sich knapp über dem Boden aufgetan hatte. Nun war die Reihe an Hilarius. Das Loch war sehr eng; er spürte, wie er mit dem Bauch stecken blieb. »Soll ich nachschieben?«, hörte er Federlin mit gehörigem Spott in der Stimme hinter sich sagen. Alles, nur das nicht! Hilarius zwängte sich mit aller Kraft hindurch und kroch auf allen vieren ein Stück weiter, bis er gegen etwas Weiches stieß. »Wer ist das?«, presste er zwischen den Zähnen hindurch. Es war so dunkel hier, dass er nicht das Geringste sehen konnte.
»Maria«, lautete die leise Antwort. Er spürte, wie etwas von ihm fortraschelte. Dann huschte etwas hinter ihm vorbei, und er hörte die Stimme des Gauklers:
»Setzt euch. Hier sind wir vollkommen sicher. Es ist zwar etwas kalt, aber das dürfte euch euer Leben wert sein.«
»Wo sind wir hier?«, fragte Hilarius in die Finsternis hinein. Es gefiel ihm nicht, dass er nichts sehen konnte. So musste es sein, wenn man blind war.
»In einer Höhle, die sehr weit in die Erde hineinreicht. Aber habt keine Angst; Ihr werdet schon nicht in den Eingeweiden der großen Mutter verloren gehen.«
Es war eindeutig Federlins Stimme, aber nun kam sie nicht von rechts, wie kurz zuvor, sondern von links. Ging er herum? Aber Hilarius hörte nicht das leiseste Geräusch, das darauf schließen ließ. »Weißt du, wie wir von hier aus auf dem schnellsten Weg zum Kloster Eberberg kommen?«, fragte Hilarius missmutig. Wie viel hätte er darum gegeben, wenn er nun in seinem Bett im Kloster liegen könnte – wenn all das nur ein Albtraum wäre.
Nun war es nicht Federlin, der antwortete, sondern Martin; der junge Mönch schien irgendwo vor ihm zu hocken. Er sagte leise und voller Zweifel: »Sollten wir wirklich zum Kloster zurückkehren, ehrwürdiger Meister? Ist es nicht unsere Pflicht, das nachzuprüfen, was uns der Zauberer gebeichtet hat, den Ihr … befragt habt?«
Hilarius spürte, wie Wut in ihm hochstieg. Seit wann gab dieses Lamm eines Bruders Widerworte? Er legte die Hände vorsichtig über den Bauch und sagte in die Finsternis hinein: »Wir werden jemand anderes schicken.«
»Was hat dieser Zauberer denn gebeichtet?«, hörte Hilarius die Stimme des Gauklers. Jetzt schien sie von oben zu kommen – von direkt über ihm. Er schaute hoch, aber er hätte es nicht einmal sehen können, wenn unmittelbar vor seiner Nase ein Ochse gestanden hätte. War es das Echo in dieser Höhle, das mit der Stimme des Gauklers spielte? Aber Martins Stimme blieb an derselben Stelle, als er antwortete: »Es soll einen Hexer in Burgebrach geben, der das Ende der Welt heraufbeschwört und die Gefahr der Apokalypse über die Welt bringt.«
»Die Apokalypse …«, ertönte Federlins Stimme – unter Hilarius. Fast wäre er von der Stelle, an der hockte, aufgesprungen, doch er beherrschte sich. Bei allen Heiligen, wer war dieser Mensch? Wie hatte er allein die Mordgesellen besiegen können? Hier ging es doch nicht mit rechten Dingen zu! »Schweig, Martin!«, schnitt Hilarius dem Gaukler das Wort ab. Er spürte, wie ihm das Herz in der Brust raste.
»Habt Ihr Angst, ehrwürdiger Pater?«, mischte sich Federlin wieder ein. Nun kam seine Stimme von dort, wo Hilarius sie zum ersten Mal gehört hatte – von irgendwo rechts aus der Dunkelheit. »Warum seid Ihr eigentlich entführt worden? Seid Ihr so wertvoll?« Die Stimme kicherte unterdrückt.
»Ich habe keine Ahnung«, antwortete Hilarius barsch. Sein Herz wollte sich nicht beruhigen. Er sagte die Wahrheit – und gleichzeitig log er.
Jetzt drang Marias Stimme durch das bodenlose Nichts zu ihm. Er erschrak, als er bemerkte, wie nahe sie ihm war. Er spürte ihren Atem in seinem Nacken. »Die Mörder haben etwas von einem Grafen