Peter Lindenthal

Peregrinatio Compostellana anno 1654


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durch das Kanaltal entlastet wird und seit dem Bau der Autobahn einen Dornröschenschlaf hält. Wie bei Dornröschen im Märchen wurde auch die Schönheit von Venzone dadurch konserviert. Innerhalb der Stadtmauer entdecke ich einen bestens erhaltenen mittelalterlichen Stadtkern. Vor allem aber der prächtige Andreasdom (13. Jh.) mit der St.-Michaels-Krypta (ebenfalls 13. Jh.) zieht mich in seinen Bann. Er wurde zwar durch das große Erdbeben von 1976 stark beschädigt, sein Wiederaufbau kann heute jedoch als abgeschlossen betrachtet werden.

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       Renaissancehaus in Malborghetto

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       Die Hospizkirche von San Daniele

       SAN DANIELE, 12 wM

      In der Hauptstadt des berühmten Schinkens fallen mir gleich die zweisprachigen Straßenschilder auf: friulanisch und italienisch. Gut so. Nicht nur zwei Sprachen, auch zwei Gotteshäuser gibt es im Ort: die große Michaelskirche am Platz und die Kirche San Antonio (14. Jh.), die bis zu dessen Auflösung 1870 zum angrenzenden Hospiz gehörte.

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       Die mächtige doppelte Ringmauer (13. Jh.) von Venzone

       VILLANOVA, 2 wM

       DIGNANO, 2 wM

      Der Ortspfarrer, Herr Augustinus Pillarius, erwies mir, ohne dass ich darum gebeten hätte, beste Gastfreundschaft.

      Der Ort ist nichtssagend, aber hier befinde ich mich zum ersten Mal möglicherweise auch physisch auf Guntzingers Spuren, denn die lange Brücke, die das hier sehr breite Bett des Tagliamento überspannt, gab es schon vor 350 Jahren. Am Westufer geht es nach Süden. Die Straße, heute unbedeutend, damals die Poststraße von Wien nach Venedig, führt mich ins Hinterland von Venetien. Sie lässt mich, abseits der Verkehrs- und Touristenströme, von einem Stadtjuwel ins nächste gelangen!

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       Die Brücke über den Tagliamento

       VALVASONE, 5 wM

      Es beginnt mit Valvasone, auf der Karte kaum zu finden. Ein mittelalterliches Städtchen, gepflasterte Gassen, eine Burg, eine gotische Pfarrkirche Peter und Paul (14. Jh.) mit einer Orgel aus dem 16. Jahrhundert, ein Servitenkloster aus dem 14. Jahrhundert, reizende Cafés.

       SAN VITO, 6 wM

      Eine trefflich feine Stadt, hier traf ich auch den Briefboten von Udine. N Und weil der Ort als unsicher verschrien ist, vor wenigen Tagen waren vier Straßenräuber getötet worden, handelte ich mit dem besagten Boten ein Pferd bis Fossetta aus. Bis dorthin blieb also unsere Gruppe dicht beinander, obwohl ich dem einen oder anderen nicht über den Weg traute. Doch die meisten waren redliche Leute.

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       Piazza del Popolo mit Dom in San Vito al Tagliamento

      Etwa 10 Kilometer weiter südlich von Dignano liegt San Vito mit dem Duomo San Vito (13. Jh.), den Stadttoren (ebenfalls 13. Jh.) und der Hospizkirche Santa Maria dei Batuti („der Geschlagenen“) mit dem anschließenden ehemaligen Hospiz (beide 14. Jh.). Hier war der Marienverehrer Guntzinger ein Jahr zu früh dran, denn am 11. Feber 1655 hatte Maria Giacomuzzi in San Vito eine Marienerscheinung. Seither ist die Madonna di Rosa ein beliebter regionaler Wallfahrtsort.

       VILLOTTA, 5 wM

       MOTTA, 9 wM

      Hier ging es im Wirtshaus hoch her, Soldaten, Cape-Träger (Anm.: fahrendes Volk) und andere Reisige (Anm.: Reisende) verursachten ein gar verdächtiges Getümmel.

      Motta ist ein bezauberndes Städtchen mit einem schönen alten Kern. Der Seitenarm des Livenza-Flusses (dieser mündet bei Caorle in die Adria), der durch den Ort fließt, verleiht Motta noch zusätzlich eine ruhige, anheimelnde Atmosphäre.

       FOSSETTA, 15 wM

      Wir kamen in einem Wirtshaus an einem Meeresarm unter, wo schon ein Schiff auf den mehrmals erwähnten Boten wartete, mit dem wir dann bald nach Venedig aufbrachen. Unterwegs wurden wir von einem gerüsteten Schiff der Zaffen (Anm.: vermutlich die Küstenwache) gestellt, die alles durchsuchten. Als sie bei einem Fahrenden ein Rohr mit aufgeschraubtem Zündschloss fanden (was nur an Land und auch nit in den Ortschaften erlaubt ist), nahmen sie es ihm weg und schlugen ihn wie auch den Schiffer blutig. Von Fossetta ging es also nach Venedig.

      Fast auf halbem Weg nach Venedig, bei Fossetta di Piave, überquert die Poststraße den hier schon breiten und mächtigen Piave-Fluss, der zu Guntzingers Zeit offensichtlich mit Schiffen befahren wurde und den er für einen Meeresarm hält. Der Hauptarm mündet bei Eraclea in die Adria, während ein Nebenarm (oder Schiffskanal) direkt in die Lagune von Venedig führt und so die direkteste und wohl auch sicherste Verbindung in die Lagunenstadt darstellte.

       VENEDIG, 15 wM

      Von Pontebba bis hierher sind es 90 deutsche Meilen.

      Am 13. März um die Vesperzeit fuhren wir glücklich ein. Ich hielt mich zwar nit länger als vier Tage auf, sah aber manch herrliches Gotteshaus. Neben San Marco und vielen anderen halte ich die Magnifizenz, Köstlichkeit und Zierde der Georgskirche der Benediktiner für unbeschreiblich. Der Orden zeigte sich mir und anderen Fremden gegenüber liebenswürdig und großzügig, ich bekam ganz diskret sogar die Erlaubnis, hier Messe zu lesen. Neben anderen unzähligen Objekten gefiel mir ein kleines Kruzifix ganz besonders, das ganz natur- und liniengetreu das Bild des Gekreuzigten, herausgehauen aus einer auf Hochglanz polierten marmornen Altarsäule, zeigte, die ihrerseits in den unterschiedlichsten Farben schillerte. Hiermit war meine Neugierde mehr als befriedigt.

      Die Besiedelung der Laguneninsel begann im 6. Jahrhundert. Sie war ein Teil des Byzantinischen Reichs und wurde von den gewählten Dogen (von lat. dux) regiert. 828 kamen die Reliquien des hl. Apostels Markus aus Alexandrien nach Venedig. Etwa zu dieser Zeit begann die Republik von San Marco ihre Macht durch die Gründung von Handelsstützpunkten an allen Küsten der Levante auszudehnen und wurde so zur großen Rivalin von Genua. Ihr Sieg über die genuesische Flotte bei Chioggia (1380) festigte ihre Vorherrschaft im östlichen Mittelmeer, die sie jedoch bis zum Ende des 17. Jahrhunderts Stück für Stück an das Osmanische Reich verlieren sollte. Seit dem Wiener Kongress (1815) war Venetien Teil des zu Österreich gehörenden Königreichs Lombardei-Venezien, bis es 1866 nach einer Volksabstimmung mit dem Königreich Italien vereinigt wurde.

      Es gibt wohl kaum eine Stadt, über deren Schönheit so viele Bücher geschrieben worden sind und die das auch verdient. Da ich dieser Schönheit in wenigen Zeilen nicht gerecht werden kann, begnüge ich mich mit dem Wunsch, Venedig möge noch lange nicht untergehen, und schließe mich einfach Napoleon an, für den „der Markusplatz der schönste Salon Europas“ war, „würdig, nur den Himmel als Dach über sich zu haben“. (1805 musste Österreich das Königreich Italien an Napoleon abtreten.)

       PADUA, 25 wM

      Spät in der Nacht des 17. März bestieg ich mit anderen redlichen Leuten ein Schiff nach Padua, wo wir am 18. in der Früh einlangten.

      

Hier befindet sich die Begräbnisstätte des glorwürdigsten Beichtvaters, des hl. Antonius, der hier il santo genannt wird, in einem großen, vortrefflichen Gotteshaus. Bei seinen Reliquien, auf einem mit weißem Marmor überhöhten Seitenaltar, war es mir vergönnt, am Jakobitag eine Messe zu lesen. Tiefer Friede und Trost erfüllten mich danach. Viele Votivtafeln, manche aus Silber gefertigt, lohnen