ankommenden Schiffen den sicheren Weg zeigt. Über 454 Stufen gelangt man zur eigentlichen Laterne, deren Ecken mit starken eisernen Schlössern aneinander befestigt sind. Das Glas ist groß und breit, wohl einen Daumen dick. Ein wunderschönes Werk. In der Nacht werden so an die 40 Lampen angezündet. In der Höhe laufen um den Turm übereinander liegende Gänge, auf welchen die Kennzeichen der gemeldeten ankommenden Galeeren und Schiffe befestigt werden. So wie es auch geschah, als der Principe d’Oria aus Barcelona kommend mit zwei Galeeren einlief. Unsere deutsche Nation hat auf dem Turm ein großes Geschütz aufgestellt, ebenso im herzoglichen Palast, der zur Zeit unter dem Kommando des löblichen Regimentsobristen Johann Baptist von Syttichhausen steht. Mir als Landsmann hat er während meines Aufenthalts viel Gnade erwiesen. Über das herzogliche Zeughaus, la Loggia di Banchi, etwas zu erzählen steht mir nicht zu und auch über die unsäglich teure Smaragdtafel bei San Lorenzo kann ich nichts sagen, weil ich sie selbst nicht gesehen habe.
Über die Kirche San Ambrosio kann ich jedoch berichten, dass es ihr an kostbarem Gezierde nicht mangelt. Vor allem die Franz-Xaver-Kapelle im Inneren wurde von den Jesuiten (die spirituell die ganze Zeit hindurch meine Wohltäter waren) wunderschön und mit teuerstem Marmor und anderem edlen Gestein ausgestattet, ebenso der Hochaltar und die ansehnliche Kuppel. Auch La Nunciata der Franziskaner ist nicht weniger gewaltig und herrlich. Dann noch La Fabbrica del Tempio, ein großer neuer Bau in der oberen Stadt. Von dieser kam ich im April zu einer anderen großen Kirche mit einem Turm aus schwarz-weißen Steinen, von der aus ich einen wunderbaren Blick auf die Riviera mit ihren in voller Blütenpracht stehenden Parkanlagen und Lustgärten hatte. Und aus der Kirche vernahm ich zu meiner Freude die von Frauen auf lateinisch gesungene Vesper.
Die Kirchenämter und Gottesdienste werden insbesonders im Dom zu San Lorenzo in dermaßen gravitätischer, zierlicher, vollkommener, ja heiliger Weise verrichtet, dass ihnen beizuwohnen jedem Christen ein herzlicher Trost ist. Weder im Chor noch am Altar geschehen ungehörige, oberflächliche oder schlampige Dinge, sondern im Gegenteil geht es rechtschaffen, voller Eifer und in gottesfürchtigem Ernst zu, ganz nach Art geistlicher politezza, in vollem Bewusstsein der göttlichen Amtspflicht. Das wöchentliche Heilige Amt wurde von den Domherren und den anderen Priestern in so anmutiger Lieblichkeit gefeiert, dass ich nicht sagen könnte, ob dabei innige Andacht oder aber Kunst und Fleiß den Vorrang genossen.
Weiter will ich mich nicht über religiöse Belange auslassen, auch die Beschreibung der Polizei erspare ich mir, ihre Uniform ist alles andere als prächtig. Die männlichen Bürger sind alle schwarz gekleidet, farbige Gewänder dürfen nur die Frauen tragen oder die Männer während einer Reise, ebenso wie das gemeine Volk und Fremde. N Diese sollten aber keine Messer oder andere Waffen bei sich tragen, denn werden sie damit aufgegriffen, droht ihnen Gefängnis oder manchem sogar die Stroppa di corda (Anm.: der Strick).
Die derzeit gültigen Silbermünzen haben eine schöne Prägung, nämlich die auserwählt schöne Frau mit Kind, die am Hochaltar des Doms zu sehen ist. Darunter steht der Spruch: Et rege eos. Die kupfernen Denare erreichen im Wert kaum unsere Heller, der Wert der Soldi entspricht dem unserer Kreuzer. 20 Soldi ergeben eine Lira oder ein Pfund, das sind etwa 18 Kreuzer bei uns. Für einen Ongar (bei uns etwa ein Dukat) bekommt man 9 Lire und 6 Soldi. Am besten kommt man aber mit den Doblen (Anm.: Dublonen) zurecht, die hier sehr gerne gesehen sind und für die man etwa 5 Pfund und 30 Kreuzer bekommt. Auch die spanischen Reales sind eine gute Währung, man verliert kaum beim Umtausch.
Insgesamt sieben Wochen hielt ich mich in Genua auf, bis endlich am 10. Mai, dem Kreuzessonntag, mein Schiff nach Alicante in Spanien gerüstet, beladen und bereit war, in See zu stechen. Die Kaufleute und anderen Passagiere wurden, ausgestattet mit einer frischen Beglaubigung, an Bord geführt, die Trossen gelöst und die Segel gesetzt, auf dass die Reise in Gottes Namen beginne.
Die einst mächtige Hafen- und Handelsstadt Genua, Langzeitrivalin von Venedig, erlebte ihre Blütezeit zwischen dem 11. und dem 15. Jahrhundert, beruhend auf dem Handel mit dem Orient und seiner beherrschenden Rolle über die gesamte ligurische Küste und Korsika. Sie brachte den unter ihren vielen berühmten Seefahrern vielleicht berühmtesten hervor, Christoph Kolumbus. Sie ist heute noch eine bedeutende Hafenstadt, laut, lebendig, schmutzig. Zwanzig Prozent des italienischen Außenhandels gehen über Genua.
Zwei Kirchen in der Stadt lohnen den Besuch, vor allem die Kathedrale San Lorenzo, die nach der Legende vom Heiligen selbst im 3. Jahrhundert gegründet wurde. Der romanisch-gotische Bau, den wir heute sehen, wurde 1181 begonnen. Ein Rätsel ist mir, dass Guntzinger die Reliquie von Johannes dem Täufer erwähnt, nicht aber den Sacro Catino, eine orientalische Glasschale aus dem 9. Jahrhundert, von der gesagt wird, sie sei beim letzten Abendmahl benützt worden. Manche sehen in ihr sogar den Heiligen Gral.
Die zweite Kirche ist Santa Maria di Castello, bei der die Säulen eines früheren römischen Heerlagers in das Hauptschiff integriert wurden. In der Kapelle links vom Hauptaltar ist ein Kruzifix zu sehen, von dem es heißt, dass der Bart von Christus jedes Mal wächst, wenn die Stadt eine Krise durchmacht. (Da müsste der Bart angesichts der aktuellen Krise in Italien aber schon sehr lange sein ...)
SAVONA
Der Wind war kräftig, für uns allerdings nit tauglich. Deshalb mussten wir uns schon in Porto Vadi, einer Genueser Festung unweit der Stadt Savona, 30 welsche Meilen von Genua entfernt, an Land begeben, um die Nacht in einem Wirtshaus zu verbringen. Dort verhielten sich aber einige von uns so laut, dass der Governator uns zu sich zitieren ließ, um unsere Pässe zu sehen und bis spät in die Nacht unsere Zeugenaussagen zu hören. Besonders weil er schon gehört hatte, dass einige von uns sich am Tage etwas ungestüm Eingang ins innere Schloss verschaffen wollten und uns damit alle verdächtig gemacht hatten. N
Santuario di Nostra Signora della Misericordia in Savona
Am 11. warteten wir vergeblich auf tauglichen Wind. Am 12. gingen wir etwa eine deutsche Meile landeinwärts zu einer Marienkirche, dem Santuario
, die anlässlich einer Marienerscheinung erbaut worden war.Am 18. März 1536 erschien die Mutter der Barmherzigkeit dem Bauern Antonio früh am Morgen bei einem Bächlein: Gott sei über den gottlosen Wandel der Stadt Savona so erzürnt, dass er dieselbe ins Verderben zu stürzen vorhabe. Er, Antonio, solle in die Stadt gehen, dieses berichten und zur Buße mahnen. Der weitere Verlauf der Geschichte ist bekannt und überall nachzulesen. Am Ort der Marienerscheinung steht heute ein vornehmes und mit vielen Votivtafeln verziertes Gotteshaus. Fast alle aus unserer Gruppe haben gebeichtet und kommuniziert.
Auch ich besuche den Wallfahrtsort, der tatsächlich sieben Kilometer landeinwärts liegt. Erstaunlich, wie exakt Guntzingers Entfernungsangaben sind. Vorplatz und Wallfahrtskirche wirken riesig auf mich, besonders da außer mir nur zwei alte Frauen den Wallfahrtsort besuchen. Ich frage mich – und es wird nicht das letzte Mal sein –, wie Guntzinger von diesem doch sehr speziellen Ort erfahren hat, der mir bis zur Lektüre seines Berichts völlig unbekannt war.
SAN REMO
Am 13. Mai erhob sich endlich ein guter Wind, mit dessen Hilfe wir nach Aussage Kundiger in der Folge mindestens 100 welsche Meilen zurücklegen konnten. Am Städtchen Noli vorbei in Richtung San Remo. Dort wachsen die edelsten welschen Früchte in so großer Zahl, dass am Markt in Genua acht schönste, frischeste, faustgroße Zitronen um nur einen Kreuzer zu bekommen sind. Dann nach Monaco, zur Grenze zwischen Genua und Italien auf der einen und Frankreich auf der anderen Seite. Ein ungünstiger Wind in der Nacht trieb uns aber fast genauso weit wieder zurück, bis Alassio, wo wir den Festgottesdienst zu Christi Himmelfahrt abwarteten und uns dafür an Land bringen ließen.
Heute ist San Remo berühmt für seine Blumenzüchter (Wiener Neujahrskonzert!) und sein Liederfestival, wo die Karrieren vieler großer italienischer Cantautori (Liedermacher) ihren Anfang genommen haben.
DIE ÜBERFAHRT
Am 15. und 16. hatten wir