hieß es den Po überqueren und später noch zwei weitere Gewässer. Den Fährlohn bezahlte der Kutscher.
Pavia, die Hauptstadt des langobardischen Königreichs (6.–8. Jh.), ist heute eine reizende mittelalterliche Stadt mit einer der ältesten Universitäten Italiens (1361), eine Insel inmitten einer Industrielandschaft.
Die Kathedrale stellt eine eigenartige Mischung von Architekturstilen von vier Jahrhunderten dar (die Fassade entstand 1933!), doch am dem Bau zugrunde liegenden Plan haben Renaissancekünstler wie Bramante und Leonardo da Vinci mitgewirkt. Weitaus sehenswerter ist da die romanische Basilica San Michele, die auf das 7. Jahrhundert zurückgeht, doch 1160 neu errichtet wurde. Hier wurden drei Kaiser zum langobardischen König gekrönt: Karl der Große, Heinrich II. und Friedrich Barbarossa.
Vor der berühmten Schlacht von Pavia (1525), bei der der französische König François I. seine italienischen Besitztümer an Spanien verlieren sollte, wurde ihm in Pavia von einer Bäuerin eine Minestrone serviert, die sie dem hohen Gast zu Ehren mit gegrilltem Weißbrot, Käse und Ei „aufbesserte“ – die berühmte Zuppa Pavese war geboren.
Ich verlasse dieses sympathische Kleinod auf dem gleichen Weg wie Guntzinger auf der langen überdachten Holzbrücke über den Fluss Ticino. Südlich von Pavia beginnen erst richtig die „Mühen der Poebene“. Zudem regnet es schon seit dem Morgen, es ist ein trüber Novembertag, trostloser könnte die Landschaft wohl nicht sein. Die Städte sind Kleinode, das Land entweder grässlich verbaut oder verkommen.
VOGHERA, 15 oder 13 wM
Auf dem Weg durchquerten wir mehrere Ortschaften, in Voghera fanden wir ein Nachtlager.
In Voghera ist Markttag und trotz des miserablen Wetters herrscht auf der Piazza ein reges, fröhliches Treiben, von dem sich auch meine Stimmung Gott sei Dank anstecken lässt.
Markt vor dem Dom von Voghera
TORTONA, 10 wM
Die Stadt gehört zu Mailand. Sie wurde aber vor etwa 10 Jahren übergeben und musste mit Gewalt zurückerobert werden. Die dabei angerichteten Schäden und andere Hinweise auf den Verfall der alten Häuser waren nicht zu übersehen. Hier hieß es Abschied nehmen von Herrn Nicolaus Maria Bussetus, seines Zeichens königlicher Mayor, in Spanien Feldoberst, der seit Mailand mein Begleiter und großer Wohltäter gewesen und hier zu Hause war. Ein Hauptmann, sein Diener und ich fuhren noch weiter. Zum Schutz vor Straßenräubern gab uns der Mayor einen Trupp Soldaten mit.
Einer der wenigen Lichtblicke ist Tortona mit dem neoklassischen Dom San Quirico (Ende 16. Jh.), seiner großzügigen Piazza und seiner Kirche San Michele (ursprünglich 13. Jh., umgebaut Anfang des 17. Jh.).
Ein Glas Wein, ein Schinkensandwich und ein Kaffee auf dem Platz erledigen den Rest meiner schlechten Laune.
Serravalle
SERRAVALLE, 12 wM
Bis zum Städtlein fuhren wir auf ebenem Gelände, dann jedoch begann das Gebirge, der Weg wurde steiniger und es ging stetig bergauf-bergab. Nach ungefähr einer deutschen Meile erblickten wir die mächtige Genueser Festung Gavi.
Die alte Poststraße ist praktisch noch zur Gänze erhalten, nur wurde sie im 20. Jahrhundert asphaltiert. Eng und kurvenreich – und wunderschön! – schlängelt sie sich über die ligurischen Berge und den Passo della Bocchetta (727 m). Dadurch, dass sowohl die Autobahn Mailand–Genua als auch die Strada Nazionale ein Stück weiter östlich verlaufen, wurde die alte Straße, Guntzingers und mein Weg, vom Verkehr vollkommen entlastet.
VOLTAGGIO, 8 wM
Von hier kamen wir auf sandigem Untergrund, immer wieder Bäche durchquerend und an kleinen Ortschaften vorüber, nach Genua.
Wir gelangen durch unberührte Gebirgslandschaft und zauberhafte Bergdörfer wie Voltaggio, vorbei an der mächtigen Genueser Festung von Gavi (17. Jh.), vom Verkehr unbehelligt bis in die Vororte von Genua.
GENUA, 20 wM
Von Mailand hierher 83 welsche Meilen, was in Summe von Pontebba nach Genua 346 welsche Meilen ergibt, also 69 deutsche Meilen. Mit den 44 deutschen Meilen von Wiener Neustadt nach Pontebba sind es bisher insgesamt 113 zurückgelegte deutsche Meilen.
Der Name der Stadt kommt aus dem Lateinischen und bedeutet Knie, auf Latein wird er auch Ianua geschrieben, also Tor.
Ehe man in die Stadt kommt, durchquert man die Vorstadt San Pietro di arena, eine Ansammlung von neu erbauten stattlichen Palästen mit fürstlichen Gärten, Wasserspielen und Lusthäusern, deren genauere Beschreibung ich anderen überlasse.
Was die Vortrefflichkeit und Magnifizenz der Gotteshäuser
anbelangt, beschränke ich mich auf die Domkirche zum heiligen Lorenz und ihre ansehnliche Fassade. Im Inneren sehen wir die ganz in weißem Marmor ausgeführte Kapelle vom hl. Johannes dem Täufer, die die Asche seines Leibes und einen Knochen aus seinem Arm beherbergt. Solch eine große und bedeutende Reliquie wird zu bestimmten Zeiten unter großem Glockengeläut ausgestellt. Darauf versammelt sich das Volk in großer Zahl und drängt sich voller Eifer, begierig, den Schatz zu sehen und zu küssen. Die Asche ist zwar hinter einem kristallenen Fenster in Gold und Edelstein gefasst, doch der Knochen ist deutlich zu sehen.Festung von Gavi
Die Geschichte zu erzählen, wie dieses Heiligtum vor vielen Jahren aus dem Orient als reiches Raubgut nach Genua kam, würde hier zu weit führen. Da ich aber den längsten Aufenthalt meiner ganzen Pilgerreise hier in Genua hatte, will ich dem gottliebenden Leser in Kürze erzählen, welch Ehrengepränge diese in religiösen Angelegenheiten so aufrechte Stadt für den Reliquienschatz, Gott und seine Heiligen am Sonntag der Oster-Oktav veranstaltet.
Um die dritte Tagesstund versammeln sich der hohe und der niedere Stand der Geistlichkeit wie auch der Herzog und der Adel mitsamt Gefolge im Dom. Diesen verlassen in schöner Ordnung nicht nur die geistlichen Herren, sondern auch die Bruderschaften (von denen es eine große Zahl gibt) der Edlen und Unedlen, der Großen und Kleinen, alle in ihrem besten Gewand, psalmierend und betend, begleitet von Gesängen und Instrumentenmusik. Sobald sie auf die Masse des draußen harrenden gemeinen Volkes treffen, führen die Vornehmsten des Doms im Geleit der großen Menge und der anderen Domherren und Kapellanen die Angehörigen des Fürstengeschlechts und des Hochadels unter hohen Baldachinen zum Hafen. Die Prozession zieht zur alten Mole und wieder zurück. An der Spitze der Mole angelangt stimmen Klerus und Sänger das canticum zachariä, benedictus etc an. Während des Hin- und Rückwegs wird aus allen Geschützen gefeuert, auch auf den vornehmsten der im Hafen ankernden Schiffe und Galeeren. All das passiert in feinster Ordnung, obwohl sich das Krachen, Knallen und Schallen von allen Seiten entsetzlich anhört. Dazu kommt noch der Gesang der Prozessionsteilnehmer, das Getön von Trompeten, Pauken, Schalmeien, Trommeln und Pfeifen auf den Schiffen, das kein Ende nehmen will. Alle Galeeren, Schiffe und Boote sind mit roten und blauen Tüchern und Seidenstoffen behangen, von den Masten und anderen erhöhten Stellen auf den Schiffen flattern auserwählt schöne Schiffsflaggen. Der sanfte Wind erzeugt ein so prächtiges Spiel der vielen Farben, dass in Wahrheit ein menschliches Gemüt inniglicherweise muss erfreut werden. Der Zweck dieser Prozession ist, die allerhöchste Majestät Gottes versöhnlich zu stimmen, auf dass sie gnädigst jegliches Meereswüten abwende. Es gibt noch eine noch weiter ins Meer ragende Mole oder Damm, über die zu schreiben nicht meine Absicht ist. Um der Liebe und des Trostes der Reisenden willen erzähle ich aber ein bisschen von der Laterne, die weit und breit ihresgleichen sucht. Sie befindet sich auf