Karin Bucha

Karin Bucha Staffel 2 – Liebesroman


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      »Ich verstehe dich nicht, Mary.« Sein Gesicht sieht auch verständnislos aus, und in diesem Augenblick wirkt er noch unreifer, obwohl er die Dreißig überschritten hat. Langsam wendet sie ihm das Gesicht zu.

      »Donald will sich scheiden lassen«, bemerkt sie unheimlich ruhig.

      Erfreut springt er auf und eilt zu ihr. »Oh, Mary, dann können wir endlich heiraten. Du gehörst ja schon längst zu mir.« Er will ihren Kopf umfassen, aber sie stößt ihn so heftig von sich, daß er zurücktaumelt.

      »Weißt du überhaupt, ob ich dich heiraten will? Vielleicht möchte ich lieber bei Donald bleiben?«

      Noch nie hat er sie so entgeistert angesehen. »Du willst nicht?« stammelt er, völlig aus dem Gleichgewicht gebracht. »Das ist doch wohl nicht dein Ernst, Mary? Ich liebe dich, und bisher hast du mich in dem Glauben gelassen, daß auch du mich liebst. Was soll ich nun glauben?«

      »Glaube, was du willst«, sagt sie ärgerlich und will an ihm vorbei. Da packt er sie an den Armen. Es ist ein fester Griff, unter dem sie sich windet. Der Ausdruck seines Gesichtes ist nicht mehr jungenhaft unbekümmert, vielmehr hart, und seine Augen glühen.

      »Nein, so kommst du mir nicht davon, Mary.« Es liegt keine Drohung in seinen Worten, aber eine eiserne Forderung. »Jetzt ist die Gelegenheit gekommen, auf die ich so lange gewartet habe. Du wirst deinem Mann den Gefallen tun und in die Scheidung einwilligen. Ich mache dir einen Vorschlag. Fahre mit mir weg, irgendwohin, und warte dort die Scheidung ab. Wenn du es Donald nicht sagen willst, dann werde ich es für dich tun.«

      »Nein – nein!« schreit sie ihn unbeherrscht an. »Ich fahre nicht mit dir, ganz bestimmt nicht.«

      Er läßt sie plötzlich los. Er ist von harter Entschlossenheit.

      »Bis heute zehn Uhr warte ich auf dich oder auf deinen Anruf. Du mußt dich endlich entscheiden. Bis dahin – auf Wiedersehen.«

      Er verneigt sich förmlich vor ihr und geht, ohne ihr die Hand gegeben zu haben.

      Sie preßt die Finger gegen ihre Schläfen. Wie es dort hämmert und klopft. Kaum auszuhalten. Ruhe, denkt sie, nichts als Ruhe.

      In ihrem Schlafzimmer legt sie sich auf ihr Bett und grübelt vor sich hin. Ihrer Zofe hat sie Auftrag gegeben, ihr sofort Bescheid zu sagen – wenn ihr Mann heimkehrt.

      Sie muß lange warten. Inzwischen hat sie Zeit, sich zurechtzumachen, und das wurde noch niemals sorgfältiger getan als jetzt.

      Donald, der nicht ahnt, daß Mary überhaupt im Hause ist, viel weniger, daß sie mit ihm speisen will, sitzt schon im Eßzimmer auf seinem Platz, als sie eintritt.

      Höflich erhebt er sich, rückt ihr den Sessel zurecht und gibt dem Butler einen Wink. Daher also das zweite Gedeck, sinnt er, und beginnt seine Suppe zu löffeln.

      Mary zwingt sich zu jedem Bissen und atmet auf, als die Nachspeise abgeräumt ist.

      »Den Mokka bitte in meinem Salon«, bittet sie, und zu ihrem Gatten gewandt, sagt sie: »Du trinkst doch hoffentlich eine Tasse mit mir?«

      Wortlos folgt er ihr. Er ist höchst erstaunt, daß sie sogar den Butler wegschickt und die Kaffeemaschine selbst in Gang setzt.

      Er raucht und starrt vor sich hin.

      »Gibt mir auch eine Zigarette«, sagt sie und nimmt ihm gegenüber Platz. Dann beginnt sie zu sprechen. »War es dir gestern ernst?«

      »Ich weiß nicht, was du meinst«, erwidert er zerstreut.

      »Mit der Scheidung.«

      Ruhig hebt er den Kopf. »Gewiß«, sagt er kurz und fährt nach einer Pause ironisch fort: »Du solltest froh sein, daß ich es dir so leicht mache. Selbstverständlich nehme ich jede Schuld auf mich. Du kannst dann deinen Adrian heiraten.«

      Sie ist bis in die Lippen erblaßt. Alles dreht sich um sie. Sie schließt die Augen und legt den Kopf an die Lehne.

      Er betrachtet sie ohne Erregung. Er ist schon lange innerlich fertig mit ihr. Nicht einmal Mitleid empfindet er mit ihr, obgleich sie erbarmungswürdig aussieht. Er beugt sich etwas vor.

      »Oder hat dein Adrian nicht vor, dich zu heiraten? Sollst du ewig seine Geliebte bleiben?«

      Mit einem Ruck sitzt sie kerzengerade. »Du bist gemein!« stößt sie hervor und schluckt die Tränen hinunter.

      »Ich war nur ein Trottel«, gesteht er, mit überlegener Ruhe, die ihr alle Selbstbeherrschung nehmen will.

      »Daran trägst doch nur du die Schuld. Du hast mich in seine Arme getrieben, du mit deiner grausamen Kälte. Du hast mich vom Anfang unserer Ehe an belogen. Deine Liebe hat mir nie gehört, nie – nie!«

      Und dann ist es soweit, sie bricht in einen hysterischen Weinkrampf aus. Donald versucht auf sie einzureden, gütig, verständnisvoll, aber sie schreit und schreit.

      Da nimmt er sie kurzentschlossen auf die Arme und trägt sie hinauf in ihr Schlafzimmer. Er weiß genau, daß man ihre Schreie im ganzen Haus hört, und er schämt sich.

      Marys Zofe folgt ihm.

      »Kümmern Sie sich um meine Frau«, sagt er zu dem verschüchtert dreinblickenden Mädchen. »Ich rufe den Arzt an.«

      Nach knapp einer halben Stunde ist Dr. Campell, der von beiden wie ein Onkel betrachtet wird, zur Stelle.

      »Es handelt sich um Mary«, erklärt Donald ihm und zeigt nach oben.

      »Ist es wieder einmal soweit?« fragt Campell trocken und steigt die Treppe empor, verfolgt von Donalds Blick, in dem Ratlosigkeit steht.

      Marys Schreien ist in hemmungsloses Schluchzen übergegangen. Campell schickt die Zofe hinaus und beugt sich zu der jungen Frau hinunter.

      »Na, Mary, wo fehlt es denn?«

      Aus dickverweinten Augen, immer noch schluchzend, sieht sie zu ihm auf.

      »Lieber Onkel Campell«, würgt sie hervor, »bekomme ich wirklich kein Kind mehr?«

      Sein faltiges Gesicht mit den tiefliegenden hellen Augen unter weißen buschigen Brauen wird ernst.

      »Du wolltest doch immer nicht. Und jetzt auf einmal –«

      »Ja – ja, jetzt möchte ich ein Kind haben.«

      Er setzt sich auf den Bettrand und nimmt ihre Hand. »Jetzt ist es zu spät, Mary. Schon damals nach dem Reit-unfall war es zu spät. Früher hast du mit deiner Schönheit geliebäugelt, hast dich selbst verhätschelt und verwöhnt. So wenig du eine gute Ehefrau bist, so wenig wärest du eine gute Mutter geworden.«

      »Oh«, fährt sie auf, aber er winkt sanft ab.

      »Du mußt einmal die Wahrheit erfahren, Mary. Du hast ein ganz verkehrtes Leben geführt und nicht nur dich, sondern auch Donald unglücklich gemacht.«

      »Er liebt mich doch gar nicht«, fährt sie ihm wild dazwischen. Langsam versiegen die Tränen.

      »So wie du geschaffen bist, mein liebes Kind, hättest du um diese Liebe ringen müssen. Mein Gott, Mary, alles hast du falsch gemacht. Die Spatzen pfeifen es von den Dächern, daß Lord Nortingham wie ein Hündchen hinter dir her ist. Und du gestattest das, wenn du einen Mann wie Donald zum Ehemann hast? Ich begreife dich einfach nicht.«

      »Ich weiß, ich habe alles falsch gemacht.« Mutlos dreht sie den Kopf zur Wand. Unter den Lidern quillt es unaufhaltsam hervor.

      Mitleidig betrachtet er die junge Frau, die er schon als eigenwilliges, verwöhntes Kind gekannt hat. Niemals hätte Donald sie heiraten dürfen, niemals.

      »Tja, meine Liebe, nun ist es zu spät.« Er erhebt sich. Er weiß, daß er schonungslos mit ihr umgegangen ist. Aber die Wahrheit muß sie einmal hören. Einer muß den Mut finden, ihr das zu sagen. Nun – er hat es gewagt. »Ich werde dir ein Beruhigungsmittel hierlassen. Das nimmst du mit einem halben Glas Wasser ein, und dann bemühe dich zu schlafen, Mary. Jetzt mußt du ganz allein