ich aufzubauen begann. Es war Täuschung, wenn ich glaubte, etwas Gutes in dir zu sehen. Niemals – hörst du niemals kann ich dir diesen Betrug um des elenden Geldes willen verzeihen. Du hättest jederzeit Geld haben können. Aber auf eine andere Art.«
Aline hat sich auf das breite Ledersofa geworfen.
Heftiges Schluchzen erschüttert ihren Körper.
»Hanno!« wimmert sie und streckt ihm die Hände entgegen.
Hanmo rührt sich nicht, steht unbeweglich und starrt gedankenverloren ins Freie.
»Dieser kleine Betrug hat wirklich einen ganz harmlosen Grund«, versucht sie mit tränenerstickter Stimme zu erklären.
Eine herrische Handbewegung von ihm schneidet ihr die Rede ab.
»Um so schlimmer!« gibt er scharf zurück. »Bitte, laß mich allein. Ich möchte durch deine Gegenwart nicht jede Minute an diese verabscheuungswürdige Handlung erinnert werden.«
»Verzeih mir doch, Hanno!«
Er geht auf sie zu, sieht herab auf die Frau, die seinen Namen trägt und die ihn um äußerer Vorteile willen betrogen hat. Er kann nicht einmal Mitleid mit ihr empfinden.
»Ich habe mich ehrlich bemüht, dir Verständnis entgegenzubringen«, sagt er jetzt vollkommen ruhig. »Ich habe gern ein Auge zugedrückt, wenn hier und da nicht alles so war, wie es hätte sein sollen. Ich sah, wie du dich ehrlich bemühtest, und das hatte mich für dich eingenommen.
Wie habe ich mich heimlich über deinen Fleiß gefreut! Ich vermißte nichts, was mir liebe alte Gewohnheit war. Ich glaubte daraus zu ersehen, daß es dir ernst sei mit deinem Wollen, daß deine Liebe zu mir keine eingebildete, sondern wirklich tief war, soweit man bei deiner Veranlagung überhaupt von der Tiefe eines Gefühls sprechen kann. –
Ich habe kein Recht dazu, dich nunmehr zu verdammen, denn schließlich sind wir alle nur Menschen, mit Fehlern behaftet; der eine mehr, der andere weniger.
Du mußt mir Zeit lassen, diesen – deinen letzten Streich zu verwinden. Mein Vertrauen zu dir ist erschüttert. Und doch möchte ich dir um dessentwillen, was du für den Hof getan hast, verzeihen. Aber dazu brauche ich Zeit. Laß mich, bitte, jetzt allein!«
Nach diesen Worten tritt er weg von ihr. Ihr Zusammenzucken bei seinen Worten hat er nicht bemerkt.
Mit weit geöffneten Augen starrt sie auf die hohe Gestalt, die wieder unbeweglich am Fenster lehnt.
Jetzt mußt du ihm die Wahrheit sagen! Jetzt mußt du ihm gestehen, daß auch das alles nur Schein war! Jetzt mußt du den Mut zur Wahrheit aufbringen – fühlt sie deutlich.
Sie schüttelt sich, öffnet den Mund zum Sprechen, aber die Angst, noch erbärmlicher vor ihm zu erscheinen, verschließt ihr die Lippen.
Ich kann nicht, nein, ich kann nicht!
Wie gehetzt eilt sie in das gemeinsame Schlafzimmer. Dort kauert sie sich auf den Diwan und starrt mit unruhig flackernden Augen ins Leere. –
Von alledem, was sich am heutigen Morgen im Hause abgespielt hat, hat Frau Christine keine Ahnung.
Sie wird jedoch stutzig, als sie, an dem Schlafzimmer der jungen Eheleute vorbeikommend, das unbeherrschte Schluchzen Alines vernimmt.
Als sie eintritt, findet sie die Schwiegertochter in Tränen aufgelöst.
»Mein Gott, Aline – was ist geschehen?« Fassungslos steht sie dem Schmerzensausbruch der jungen Frau gegenüber.
»Ich kann es dir nicht sagen«, schluchzt Aline.
»Dann werde ich mit Hanno sprechen.«
Aline hält sie nicht zurück.
Betroffen blickt Frau Christine in das düstere Gesicht ihres Sohnes.
»Bitte, Hanno, was hat es gegeben? Aline sitzt oben und weint herzzerbrechend, und du siehst, weiß Gott, zum Fürchten aus.«
»Kein Wunder, Mutter, wo um mich her alles Lug und Trug ist. Hast du es etwa auch gewußt?« stößt er bitter hervor.
»Was – gewußt?« In ihre Augen tritt ein ängstlicher Ausdruck.
»Daß und wie Aline mich betrogen hat! Hast du gewußt, daß sie mir gefälschte Abrechnungen vorlegte? Und kannst du mir vielleicht sagen, weshalb sie das tut?«
»Ich weiß nichts, Hanno!« sagt sie gepreßt und setzt sich rasch nieder. Damit spricht sie die Wahrheit.
Hanno nimmt ihr gegenüber Platz. Alles in ihm drängt dazu, sich Gewißheit zu verschaffen.
Mit wenigen Worten klärt er seine Mutter über alles auf, und während er noch spricht, verwandelt sich der erstaunte Ausdruck ihres Antlitzes in Entsetzen.
»Das – das hat – Aline getan? Das hätte sie doch nicht nötig gehabt! Oder – hast du sie wirklich so knapp gehalten, Hanno?« fragt sie.
Statt zu antworten, schließt er seinen Schreibtisch auf und legt ein Bündel Papiere vor sich hin.
»Bitte, überzeuge dich selber, Mutter. Hast du in demselben Zeitraum jemals so viel Geld verbraucht wie Aline?«
Vor Frau Christines Augen flimmert es, als sie einen Blick auf die Zahlen geworfen hat. Das ist ja die reinste Verschwendung!
Sie richtet sich steif auf. Nun soll er aber auch alles wissen, ganz gleich, ob der Frieden des Hauses dadurch ins Schwanken kommt oder gar zerstört wird.
»Du wunderst dich immer, daß Aline die Wirtschaft so tadellos in Schwung hat, nicht wahr, Hanno?«
»Allerdings! Um dieser Tatsache willen möchte ich ihr verzeihen.«
»Nicht Aline hat sich um die Hauswirtschaft gekümmert und für deine Bequemlichkeit gesorgt, sondern Magda!« sagt sie geradeheraus. »Unter Magdas Händen lief alles so glatt, während Aline –« Sie stockt.
Hanno beugt sich weit vor und fragt beinahe atemlos: »– während Aline?«
»Während Aline ihren eigenen Neigungen lebte.«
»Das ändert allerdings das Bild, Mutter. Belogen habt ihr Frauen mich alle drei. Dir und Magda kann ich es nicht übelnehmen. Eure Beweggründe dafür glaube ich zu kennen. Aber Aline hat mir eine Komödie vorgespielt, so überzeugend, daß ich an noch Schlimmeres denken möchte. Ich werde mich von Aline trennen.«
»Hanno!« Erschrocken faßt Frau Christine nach seiner Hand, die zur Faust gebaut auf der Tischkante ruht. »Aline bereut bitter. Sie wird sich eine Lehre daraus ziehen und sich bessern. Versuche es noch einmal mit ihr!«
»Das rätst du mir, Mutter?« Verständnislos schüttelt er den Kopf. »Soll ich immer unter diesem furchtbaren Druck leben, daß jedes ihrer Worte Lüge ist und überhaupt alles nur Schein?«
Bedrückt schleicht Frau Christine davon.
Sie steigt langsam, Schritt für Schritt, die Stufen der in den Oberstock führenden Treppe hinan. Es fällt ihr heute sehr schwer, der Weg kommt ihr länger vor als sonst.
Sie geht über den Korridor in das Stübchen ihrer Pflegetochter.
Magda schaut bleich, aber gefaßt aus mitfühlenden Augen zu der Tante hin und wagt sich angesichts deren Mutlosigkeit nicht zu rühren.
Still setzt Frau Christine sich nieder. Sie hat die Hände, die leicht zittern, gefaltet. Plötzlich beginnt sie bitterlich zu weinen.
»Die Schatten über dem Birkenhof verdichten sich, Magda«, sagt sie leise, noch immer schluchzend. »Warum muß ich alte Frau das alles erleben? Es könnte so schön, so friedlich sein in Haus und Hof –«
»Tante!« Magda legt liebevoll den Arm um ihre Schultern. »Die Hauptsache ist doch, daß Hanno nicht alles erfährt. Eine ganze Welt würde sonst für ihn zusammenstürzen«, versucht sie zu trösten.
»Hanno?« Frau Christines Kopf zuckt hoch. »Er weiß bereits