auf. Sie denkt an die Großzügigkeit Hannos, denkt aber auch mit Unbehagen an die Abrechnungen, die bereits auf seinem Schreibtisch liegen und die ganz andere Summen aufweisen als die hier, die jedem Haushalt zur Zierde gereichen würde. Die Zahlen reihen sich wie gestochen aneinander.
Wenn Aline sich unbeobachtet weiß, schreibt sie diese Abrechnungen ab, setzt aber in ihre Aufstellungen viel höhere Beträge ein, um die Differenzen dann in ihre Tasche wandern zu lassen.
»Du wirst es mir nicht übelnehmen, Magda, daß ich die Abrechnungen nochmals abschreibe«, sagt sie. »Hanno glaubt nun einmal, daß ich die tadellose Hausfrau bin, die alles hier in Ordnung hält. Auf diese Weise ging alles hier bisher so schön glatt. Darum möchte ich ihn gern in diesem Glauben belassen.«
»Ich weiß es längst«, antwortet Magda. »Ich schütze mit meinem Schweigen auch nicht etwa dich, sondern Hanno. Es müßte schrecklich für ihn sein, zu erfahren, auf wie plumpe Art er hintergangen wird.«
»Hintergangen?« Aline erblaßt. Ein feindseliger Blick streift das ernste, schöne Gesicht der vor ihr Stehenden.
»Du redest eine recht eigenartige Sprache. Männer wollen manchmal hintergangen sein.«
»Aber nicht Hanno!« sagt Magda ruhig.
»Wie genau du ihn kennst!« spottet Aline.
Sie hat die beiden in letzter Zeit geradezu belauert. Aber sie fand nicht, was sie suchte. Aber gerade das quält und beunruhigt sie, daß nicht das Geringste, was das Tageslicht zu scheuen braucht, besteht zwischen diesen beiden Menschen, die sich einmal geliebt haben.
Da aber Aline ganz anders geartet ist, wird sie ungerecht und bösartig. Sie möchte es geradezu erzwingen, irgendeinen Fehler an Magda zu entdecken. Doch ihr Bemühen blieb bisher leider erfolglos. Im Grunde ihres Herzens haßt sie Magda grenzenlos. Sie nimmt sich aber sehr in acht, damit niemand, vor allem Magda nicht, von diesem Haß etwas bemerkt.
Sie streckt ihr mit einer bittenden Bewegung die Rechte hin.
»Versprich mir, zu Hanno niemals von diesem – diesem kleinen Scheinmanöver zu sprechen!«
Bedenkenlos gibt Magda dieses Versprechen.
»Es ist ja nur ein frommer Betrug, den ich damit begehe; denn letzten Endes mußt du es ja verantworten, nicht ich. Ich trage das beruhigende Gefühl in mir, Hanno einen Gefallen erwiesen zu haben.«
Magda legt ihre Hand in die Alines, um sie schnell wieder zurückzuziehen. Es ist ihr, als habe sie etwas Schmutziges be-rührt. In diesem Augenblick empfindet sie stärker als je ihre Abneigung gegen dieses oberflächliche Geschöpf.
»Kann ich nun das Geld bekommen?« wiederholt sie ihre Frage von vorhin.
»Ach so – gewiß!« Aline kramt zwischen herumliegenden Papieren. »Ich gebe es dir nachher, ich muß meine Schlüssel verlegt haben«, lügt sie, aber Magda hat sie bereits durchschaut. Aline war gestern in der Stadt. Das sagt ihr genug!
Als Magda gegangen ist, überlegt Aline, was nun zu tun ist. Gestern erst hat Hanno ihr einen größeren Betrag ausgehändigt. Wie konnte sie auch so leichtsinnig sein und die teure Toilettengarnitur kaufen?
Ja, warum? Sie glitzerte so geheimnis-
voll in dem Schaufenster des Goldwarenhändlers, daß sie nicht widerstehen konnte.
Sie wird Hanno nochmals um Geld bitten müssen. –
Doch bevor sie dazu kommt, schaut Magda noch einmal herein und fragt, ob sie das Wirtschaftsgeld nun bekommen könnte.
Es ist ihr sehr unangenehm, nochmals um Geld bitten zu müssen. Aber sie verlangt es ja nicht für sich, sondern für den Haushalt.
»Herrgott, so warte doch!« herrscht Aline sie an. »Jetzt paßt es mir nicht.« Aber ihre Heftigkeit sogleich bereuend, setzt sie hinzu: »Warte noch bis morgen früh, ich bringe es dir selber.«
Nun steht dieses Gespenst wieder vor ihr.
Sie ist mit Hanno allein im Wohnzimmer. Er hat sich am Tisch mit einem Buch niedergelassen.
Fast lautlos steht sie auf, tritt hinter ihn und fährt ihm leicht über das gewellte Haar.
»Hanno –«
Erstaunt über diese zaghafte Liebkosung schaut er auf. In ihren großen dunk len Augen liegt nichts von Begehren, nur eine stumme Bitte, die ihm unwillkürlich ans Herz greift.
Er wendet sich ihr freundlich zu.
»Nun, Aline, hast du etwas auf dem Herzen?«
Wenn sie doch jetzt fertigbrächte, ihn zu bitten, nicht mehr kalt an ihr vorbeizugehen! Ob dann nicht alles gut werden würde?
Sie kämpft mit sich, doch das Gespenst der Sorge um das Geld überwiegt alles andere. Es heißt vor allem, diese Angelegenheit ins reine zu bringen; dann erst kann sie sich wieder wohl fühlen.
»Ich wollte dich noch um etwas Geld bitten, Hanno.«
Sie sagt das so demütig, daß er leicht auflacht. »Weiter nichts? Du siehst aus, als sei ich der böse Wolf, der dich jeden Augenblick auffressen will. Komme morgen früh zu mir, du sollst es haben.«
Blitzschnell überlegt Aline. Er ist heute ganz anders als sonst. Ob sie gleich einen größeren Betrag verlangt? Magda sprach davon, daß man Leinen kaufen müßte. Dann fällt auch wieder etwas für sie ab. Davon könnte sie sich bestimmt die seidene Unterwäsche kaufen, die so teuer ist, daß sie das letztemal in der Stadt gleich wieder aus dem Geschäft gelaufen war.
»Ich danke dir«, antwortet sie leise, innerlich befreit, und sie nennt schnell den Betrag, den sie im Augenblick benötigt.
Ohne Zögern gibt Hanno seine Zustimmung, obgleich er vorübergehend überlegt, ob er sie wegen des Mehrverbrauches nicht lieber jetzt zur Rede stellen soll.
Doch er unterläßt es. Sie soll nicht den Eindruck haben, daß er kleinlich ist. Es wird sich noch Gelegenheit finden, dar-über zu sprechen.
»Hast du noch etwas anderes auf dem Herzen?« fragt er, da sie immer noch wartend neben ihm verharrt.
»Ja – ich wollte dich noch fragen, ob du jetzt einigermaßen mit mir zufrieden bist.« Vor seinem ehrlichen Blick muß sie die Augen niederschlagen. In seiner Gutmütigkeit hält er dies für Bescheidenheit.
Er klappt das Buch zu und legt den Arm leicht um sie.
»Das muß ich schon sagen, Aline. Du bist doch ein vernünftigeres Frauenzimmer, als ich dachte, und wenn du mir noch etwas Zeit läßt, dann wird unser Verhältnis zueinander sich auch bessern. Du mußt eben Geduld mit mir haben.«
Geduld – ja – freilich.
Maßlose Erbitterung steigt in ihr empor. Geduld – wie sie das Wort haßt! Als wenn sie nicht schon mehr als Geduld geübt hätte!
Hastig streift sie seinen Arm von sich und eilt hinaus.
*
Seit Tagen rattert die Nähmaschine in dem Kämmerchen neben der Wäschekammer. Unermüdlich ist Magda, obwohl sie manchmal ihre Arbeit unterbrechen muß, da die Rückenschmerzen schier unerträglich werden.
Sie ist mit der Tante in der Kreisstadt gewesen. Aber so viel Mühe Frau Christine sich auch gegeben hat, ein Lächeln hat sie den blassen Mädchenlippen nicht zu entlocken vermocht.
Für Magda bedeutete es eine Erlösung, als sie wieder im Wagen saß und heimfahren konnte. Das Herumlaufen von Geschäft zu Geschäft hat sie unsagbar müde gemacht.
Doktor Urban ist in der letzten Zeit mehrfach bei ihr gewesen, um sich nach ihrem Ergehen zu erkundigen und noch Weiteres mit ihr zu besprechen. Ziemlich ausweichend hat sie alle an sie gerichteten Fragen beantwortet.
»Ich fühle mich wohl, und wenn es soweit ist, melde ich mich ganz von selber bei Omen.«
Sie weiß, er meint es gut mit ihr. Er hat ihr einmal von ganz besonderen Plänen gesprochen,