Karin Bucha

Karin Bucha Staffel 2 – Liebesroman


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Stille liegt über dem Birkenhof.

      Heute ruht der Betrieb, nachdem das Erntedankfest, das glänzend gelungen ist, und die Hochzeit mit viel Schmaus, Tanz und fröhlichem Treiben verrauscht sind. Nur die nötigsten Arbeiten, in die man sich geteilt hat, werden verrichtet.

      Im Herrenhause sind fleißige Hände am Werk, die gewohnte Ordnung wiederherzustellen. Trotz der durchtanzten Nacht hält die gute Laurie vor. Unterdrücktes Kichern und leise ausgetauschte Reden werden laut.

      Mitten unter den Mädchen ist Magda. Sie fühlt sich heute wohler, da treibt es sie an die Arbeit.

      Sie beteiligt sich nicht an den Gesprächen der anderen, sondern ist still und in sich gekehrt. Ein Leuchten, das von innen herauskommt, liegt über ihrem blassen Antlitz.

      Manch heimlicher Blick trifft sie. Man glaubt es ihr, daß sie gestern – gerade bei Hannos Hochzeit – zusammengeklappt ist. Elend genug schaut sie aus, trotzdem liegt etwas über ihr, das man gestern noch nicht an ihr wahrnehmen konnte.

      Schöner und lieblicher kommt sie den drallen Mädchen vor, und manche von ihnen beneidet sie um ihre Schönheit.

      Bald glänzen alle Zimmer wieder von Sauberkeit, und während die Mädchen sich zum Frühstückskaffee niederlassen, nimmt Magda das Plätzchen der Tante am Fenster ein.

      Sie träumt mit offenen Augen in den erwachenden Tag hinein, und als eine tiefe Stimme dicht neben ihr an ihr Ohr schlägt, fährt sie erschrocken herum.

      »Du bist es, Hanno!«

      Er rückt sich einen Stuhl ein Stück abseits von ihr zurecht.

      Sie blickt starr zum Fenster hinaus. Vor ihren Augen kreist alles, das Blut rast ihr zum Herzen. Sie zwingt sich gewaltsam zur Ruhe.

      »Wie geht es dir, Magda?«

      »Danke – gut.«

      Still ist es zwischen ihnen, Magda sucht verzweifelt nach einer Ausflucht. Sie möchte davonlaufen und bleibt doch sitzen. Was ihr gestern eröffnet wurde, hat sie aus dem Gleichgewicht geworfen.

      Sie erhebt sich.

      »Ich gehe nach dem Morgenkaffee spazieren. Willst du das, bitte, der Tante ausrichten, wenn sie erwacht und nach mir fragt?« wendet sie sich mit leiser Stimme an ihn.

      »Willst du nicht lieber warten, bis Mutter auch aufgestanden ist? Sie würde dich sicher gern begleiten. Ich sehe es dir an der Nasenspitze an, daß dir meine Gesellschaft unangenehm ist.«

      Es soll wohl scherzhaft klingen, doch der Klang der Stimme Hannos sagt Magda mehr.

      Unangenehm? sinnt sie diesem Wort nach. Wie das klingt! Was früher eine Selbstverständlichkeit war, ist heute zur Unmöglichkeit geworden. Mit nichtigen Redensarten müssen sie sich helfen, damit der Schein nicht gegen sie spricht.

      Wie bitter! Alles darf auf einmal nicht mehr sein, wie es bisher gewesen. Und doch ist es gut so! Nicht um sie, sondern um Hanno und den Frieden seiner Ehe geht es jetzt.

      Einzig die Erinnerungen bleiben ihr – und das köstliche Pfand seiner Liebe, wovon er nie erfahren wird, nein, nie erfahren darf, damit er nicht in neue Unruhe, nicht erneut in einen schweren inneren Zwiespalt gestürzt wird.

      Sie gibt sich innerlich einen Ruck und richtet sich auf. Hanno wartet auf eine Antwort. Er könnte meinen, sie fühle sich nicht stark genug und weiche ihm aus.

      »Unangenehm ist es mir nicht, Hanno, wirklich nicht! Aber ich möchte allein sein.«

      »Wie du willst.«

      Leise klappt die Tür hinter Magda ins Schloß.

      Hanno tritt ans Fenster. Da geht sie. Mit weichen, wiegenden Schritten und etwas zur Seite geneigtem Haupt nimmt sie ihren Weg, der hinaus auf die Felder und dann weiter nach dem kleinen Wäldchen führt.

      Er kann sich nicht freimachen von dem Gefühl, daß sie, die ihm vor seiner Hochzeit so tapfer und mutig Trost zugesprochen hat, heute zerrissener ist, als er selbst es jemals war.

      Für ihn ist das ein ungewohnter Zustand. Er, der sich bisher noch alles erzwang und ertrotzte, muß sich jetzt fügen.

      Immer leichter wird Magda das Herz, je länger sie durch den taufrischen Morgen schreitet. Vögel flattern vor ihr auf, werfen sich mit ihren hellen, jubelnden Liedern in die klare Luft. Weiches Moos dämpft ihre Schritte, das von dem ihm noch anhängenden Morgentau wie Silber in der Sonne glitzert.

      Eine wunderbare Ruhe überkommt sie, und es gelingt ihr, kühl überlegend sich mit der Zukunft zu beschäftigen.

      Drei Monate noch wird sie ihren gesegneten Zustand vor neugierigen Augen verbergen können, länger nicht. In dieser Zeit wird und muß sich etwas finden, das ihr über die folgenden schweren Wochen hinweghilft.

      Doktor Urbans gewiß gutgemeintes Anerbieten, zu ihm zu kommen, kann sie unmöglich annehmen. Wenn sie einen Strich unter ihr bisheriges Leben zieht, dann muß sie unter allen Umständen auch eine räumliche Trennung herbeiführen.

      Viele, viele Meilen wird sie zwischen sich und den Birkenhof legen, damit sie gesund und stark werden kann für das Kommende.

      Ein weiches, verträumtes Lächeln liegt um ihren blassen Mund. Wie verheißungsvoll das klingt: das Kommende!

      Ihr Kind! Es wird wieder etwas geben in ihrem Leben, das sie nach Herzenslust verwöhnen darf, das sie mit dem ganzen Reichtum ihrer Liebe überschütten kann. Unwiükürlich preßt Magda die Hand auf das wildklopfende Herz. Die ganze Glückseligkeit der werdenden Mutter überfällt sie hier mitten im Schweigen des Waldes, in Gottes freier Natur.

      Diese stolze Gewißheit macht sie von allen seelischen Belastungen frei, ja, in einem solchen Augenblick tiefinnerlichen Beglücktseins dünkt sie ihr Schicksal weniger schwer als das Hannos.

      Als sie endlich den Heimweg antritt, hat sich alles in ihr geklärt. Was auch kommen mag – das Schicksal wird sie gewappnet und stark finden.

      *

      Grenzenlose Betroffenheit malt sich in dem Gesicht Doktor Urbans, als er einige Stunden später Magda seinen Besuch abstattet.

      Dieses junge Weib mit den strahlenden Blauaugen soll das matte, unglückliche Geschöpf von gestern sein? Nein! Das hier ist ein Mensch, der gewillt ist, tapfer sein Los zu tragen.

      Es kostet ihn Mühe, ihr nochmals seinen Vorschlag von gestern zu unterbreiten, und er ist auch gar nicht erstaunt, als sie freundlich und bestimmt zu ihm spricht:

      »Vielen Dank, Herr Doktor. Sie meinen es gut mit mir, und Sie sollen mich auch nicht für undankbar halten. Aber seit ich weiß, wie es um mich steht, kann keine Macht der Welt mich hindern, mir mein eigenes Leben zu zimmern.«

      »Das sollen Sie auch gewiß!« beteuert Doktor Urban lebhaft.

      Magda sieht über ihn hinweg in unbestimmte Ferne. Zuversicht und Fassung liegt in ihrem Blick.

      »Mein Weg führt mich weit fort vom Birkenhof und seiner Umgebung. Ich will alles, was war und was hinter mir liegt, von mir tun.«

      Sehr vernünftig, denkt Doktor Urban und dringt nicht weiter in Magda. Wenn irgend möglich, wird er ihr den steinigen Weg ebnen. Aus diesen Gedanken heraus fragt er:

      »Was wollen Sie beginnen, Magda? Sind Sie sich darüber schon schlüssig geworden?«

      »Das weiß ich noch nicht. Ich kann arbeiten, ganz gleich, was es ist.«

      Wie ruhig, wie sicher sie ist! Wie klar ihr Wille, ihr Wollen! Doktor Urban ist überrascht. So gibt er klein bei.

      Kommt Zeit, kommt Rat, denkt er bei sich.

      Er findet nicht Zeit zu weiteren Worten, denn eben tritt Frau Christine in das Zimmer.

      Magda wirft ihm einen bedeutsamen Blick zu, und er versteht.

      Christine geht auf Magda zu, legt den Arm um sie und lächelt gut und lieb auf sie herab.

      »Eine große