Karin Bucha

Karin Bucha Staffel 2 – Liebesroman


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Klänge erfüllen die kleine, dämmerige Kirche.

      Die Hochzeitsgäste erheben sich, unter ihnen Magda und Hannos Mutter.

      Hanno kann überhaupt nichts denken. Als er, seine junge Frau am Arme, dicht bei Magda vorbeikommt, stockt vorübergehend sein Fuß. Schmerzlich verzieht sich für Sekunden sein Antlitz, dann trifft ein stiller Gruß ihre weitgeöffneten Augen. Es ist wie ein lautloses, tapferes Zureden.

      Herr, laß es wohlgelingen! – geht es Magda durch den Sinn.

      Dann öffnet sich die Flügeltür, und strahlender Sonnenschein dringt in das Gotteshaus herein, flutet über Fußboden und Bänke, zaubert huschende, bizarre Schatten an die reichgeschnitzten Betstühle und den Altar.

      Geblendet schließt Magda die Augen. Ihr ist, als vernähme sie das Rauschen der Schwingen eines Riesenvogels.

      Sie zwingt sich mit Gewalt zur Ruhe, kämpft tapfer an gegen ein sie plötzlich überkommendes Schwindelgefühl und erfaßt im letzten Augenblick der Tante Arm.

      Nur jetzt nicht schwach werden und den Leuten ein Schauspiel geben!

      Magdas Augen brennen wie zwei helle Lichter in ihrem todblassen Gesicht, so daß Frau Christine sich besorgt zu dem jungen, mühsam nach Fassung ringenden Geschöpf neigt.

      »Gleich ist alles vorbei, Kind«, flüstert sie. »Du legst dich dann gleich hin, wenn wir zurück sind, du fällst mir ja sonst noch um.«

      Magda nickt schweigend mit dem Kopf; die Kehle ist ihr wie zugeschnürt, trocken und ausgedörrt.

      Draußen fallen die jungen Burschen und Mädchen über das junge Paar her. Bänder werden um sie gewunden und ihr Weg mit allerlei törichten Hindernissen belegt, durch die sie sich hindurchkämpfen müssen.

      Geduldig läßt Hanno das alles über sich ergehen.

      So fällt es auch nicht weiter auf, daß Frau Christine und Magda im Hochzeitszug fehlen. Aus Sorge um das Mädel hat Frau Christine sich heimlich seitwärts entfernt. Langsam, Schritt für Schritt, führt sie das junge Mädchen hin nach dem Birkenhof, bringt es selbst in sein Zimmer und hilft ihm beim Auskleiden.

      »Du wirst dem Trubel so lange fernbleiben, bis du dich richtig wohl fühlst, Kind. Versprich mir das! Du hast genug geleistet in den letzten Tagen. Nun lasse dir wenigstens meine Fürsorge gefallen.«

      »Du bist so gut zu mir, Tante!«

      Magda hascht nach der Hand der alten Frau und drückt ihre Lippen darauf. Sie sind heiß und rissig, und Frau Christine beschließt, heute noch den Arzt zu rufen.

      Sie nimmt sie in ihre Arme und küßt sie auf die Stirn.

      Dann ist Magda allein. Sie legt den schmerzenden Kopf mit einer müden Bewegung in die Kissen zurück und schließt die Augen.

      Nichts denken, nur nichts denken jetzt, sondern schlafen, tief und fest schlafen, damit sie zu neuer Kraft kommt! Sie darf nicht krank werden, sie will nicht bemitleidet sein. Nein, auch nicht von Tante Christine.

      Während unten fröhliche, ausgelassene Stimmung aufkommt, liegt Magda oben in ihrem einfachen Zimmer und sinkt in den Schlaf völliger Erschöpfung.

      *

      »Hanno!« Frau Christine tippt ihren Sohn leicht auf die Schulter und gibt ihm einen Wink, daß sie ihn zu sprechen wünscht.

      Hanno folgt ihr. Abseits von der Hochzeitsgesellschaft bleiben sie stehen.

      »Hanno, Magda gefällt mir ganz und gar nicht, ich möchte am liebsten den Arzt zu ihr bitten –«

      »Was ist?« Besorgnis springt in seinen Augen auf.

      Während des Mahles hat er Magda nicht vermißt. Da schwebte ihm ihr blasses, süßes Gesicht noch vor Augen, so, wie er sie zuletzt in der Kirche gesehen.

      »Sie fiebert, und auch sonst bietet sie ein Bild völliger Erschöpfung. Ich sorge mich ernstlich um das Mädel.«

      »Dann gibt es keine weitere Erwägung.« Hanno ist stets für rasche Entschlüsse. »Gehe du, bitte, zu den Gästen zurück. Ich werde sofort mit Doktor Urban telefonieren.«

      Aber Frau Christine ist viel zu bedrückt, als daß sie jetzt fröhlich sein könnte. Sie sucht noch einmal Magda in ihrem Zimmer auf, beugt sich über die Schlafende und lauscht mit angehaltenem Atem.

      Gleichmäßig hebt und senkt sich Magdas Brust.

      Ich habe mich doch wohl zu sehr geängstigt. Sie ist tatsächlich nur übermüdet, denkt Frau Christine und steigt die Stufen wieder hinunter. Aber für alle Fälle muß der Arzt her; sie hat mir schon die ganze letzte Zeit nicht mehr gefallen.

      Hanno ist noch nicht wieder zu seiner jungen Frau zurückgekehrt. Er will gleich die Ankunft des Arztes abwarten, der sein sofortiges Kommen zugesagt hat.

      Vor dem Hause wandert er auf und ab, immer in die Richtung spähend, aus der der Wagen kommen muß.

      Die Sorge um Magda hat auch ihn gepackt. Vergessen ist seine junge Frau, die, wie das blühende Leben selber, an der Tafel trohnt – während Magda, nur noch ein Schatten, krank daniederliegt.

      Frau Aline ist durchaus nicht einverstanden mit Hannos Fernbleiben, und da man sie schon in harmloser Weise scherzend hänselt, ob Hanno vielleicht die zarten Fesseln bereits gesprengt hat, steigt ihr Zornesröte in die Wangen.

      Jetzt fällt ihr auch auf, daß sie Magda nirgends entdecken kann.

      Hanno läuft ihr einfach davon, läßt sich nicht wieder blicken. Was soll das heißen?

      »Warum kommt Hanno nicht zurück?« fragt sie in unwilligem Ton ihre Schwiegermutter, die sich soeben neben ihr niederläßt.

      »Magda scheint mir krank werden zu wollen, und Hanno ruft nur den Arzt herbei. Er wird gleich wieder hier sein«, klärt sie die Schwiegertochter in ihrer ruhigen, feinen Art auf.

      »Ausgerechnet jetzt wird Magda krank?« Aline schürzt ungläubig die vollen Lippen. »Das sieht stark nach Wichtigtuerei aus.«

      »Aline!« Frau Christine starrt die junge Frau verständnislos an. »Wie kannst du so herzlos daherreden? Hat Magda sich nicht auch für dich aufgeopfert?«

      »Aufgeopfert?« Die Augen Alines werden stechend und die Stimme spitz. »Willst du damit etwa sagen, ich hätte das von Magda verlangt? Ich finde, auf Magda wird sehr viel, wird allzuviel Rücksicht genommen. Ich habe mir wahrhaftig meine Hochzeit anders vorgestellt –«

      Sie beißt sich auf die Lippen. Daß sie nicht in der Hochzeitskutsche fahren, sondern in die Kirche laufen mußte, hat sie noch nicht verwunden. So benutzt sie diese Gelegenheit, ihrem Ärger Luft zu machen.

      Frau Christines Gesicht wird bei den unbeherrschten Worten ihrer Schwiegertochter kühl und streng. Sie schaut sich nach Hanno um und denkt: Ein wahres Glück, daß er das nicht gehört hat!

      Da steht er schon, wie aus dem Erdboden gewachsen, vor ihnen, und ein Blick auf sein finsteres Gesicht läßt sie erkennen, daß er Zeuge dieser kurzen Unterhaltung war.

      »Darf man vielleicht wissen, wie anders du dir deine Hochzeit vorgestellt hast?« fragt er mit beißender Schärfe.

      »Auf jeden Fall möchte ich nicht immer allein hier sitzen. Magda – immer nur Magda! Ausgerechnet an meinem Ehrentage verlangt sie eine derartige Rücksichtnahme, während ich –«

      »Na, und? Warum vonendest du nicht? – während du?«

      Unter dem spöttischen Blick Hannos verstummt Aline, hüllt sich in trotziges Schweigen, und da im selben Moment die Musik einsetzt, erhebt sie sich.

      »Wir wollen tanzen; ich habe diesen Tanz eigens für mich und dich bestellt.«

      »Danke!« sagt er äußerlich ruhig und brennt sich gelassen eine Zigarette an. »Mir ist augenblicklich die Lust dazu vergangen. Zuerst will ich Gewißheit haben, was mit Magda ist. Schließlich sind wir ihr das schon deshalb schuldig, weil sie sich vor allen anderen