mit dem sie leben kann, wo sie Lust hat!«
Gefühl- und taktloser hätte sie sich ihm nicht zeigen können.
Bis ins Innerste ist Hanno davon betroffen, so sehr, daß er scho nheute ein Grauen vor der Ehe mit dieser kaltherzigen Frau empfindet.
Verachtung schwingt in seinen Worten, als er fortfährt:
»Also, mit Geld glaubst du Magda abfinden zu können? – Wenn du an meiner Treue zweifelst, dann liegt es in deiner Hand, das Verlöbnis sofort rückgängig zu machen. Ich nehme gern alle Schuld auf mich. Ich jedenfalls machte dich nicht einmal darum bitten, denn ich gab mein Wort, das ich unter allen Umständen halten werde. Es steht dir vollkommen frei –«
»Hanno!« Sie streckt ihm reumütig die Hand entgegen.
Das hat sie nicht erwartet, daß er gleich aufs Ganze gehen würde. Der Schreck ist ihr zum Herzen gefahren. Hanno verlieren? – Niemals! – Wie konnte sie sich zu einer solchen Unbesonnenheit hinreißen lassen? Hanno ist viel zu vornehm, viel zu gerecht und treu, als daß er jemals etwas tun würde, was er mit seinem Gewissen nicht vereinbaren könnte.
Mein Gott! Was hat sie da angerichtet?
»Vergiß meine häßlichen Worte, Hanno! Ich bitte dich darum.«
Sie hascht nach seiner Hand, die er ihr widerwillig überläßt. Er kann den Blick ihrer unsteten Augen nicht ertragen, weil Falschheit und Eigennutz darin liegen. Er weiß, es ist ihr nicht ernst mit ihrer Reue.
»Hanno – ich werde Magda selbst bitten, zu bleiben, wenn du es von mir forderst. Gern will ich mich deinetwegen demütigen –«
»Das hast du nicht nötig, denn der Herr auf dem Birkenhof bin ich«, sagt er eisig. »Aber ich will deine Worte vergessen, wenn du an meine Ehrenhaftigkeit glaubst und mich nicht weiterhin mit deinem Argwohn verfolgst.«
»Ich glaube dir ja, Hanno!« beteuert sie lebhaft, von Herzen froh, ihn umgestimmt zu haben.
»Dann wollen wir diese unliebsame Auseinandersetzung beenden. Du weißt nun Bescheid, und es liegt an dir, dich allen böswilligen Gerüchten entgegenzustellen. Aber eines sage ich dir, und du wirst gut daran tun, dich danach zu richten: In mein Haus kommt mir die ›Flickhanne‹ nicht!«
Es kommt Aline schwer an, jetzt zustimmend zu antworten. Sie, die bisher gewohnt war, daß nur ihr Wille galt, findet sich schlecht darein, zu allem ja und amen zu sagen. Aber hier geht es um Hanno und um nichts anderes – und dafür hätte sie unter Umständen noch weitere Zugeständnisse gemacht.
Als Aline ihren Wagen besteigt, erblickt sie unweit vom Eingang Magda. Da wallt es zornig in ihr auf.
Dieses Mädchen ist schuld daran, daß sie nun wieder Mühe hat, Hanno zugänglicher zu machen, und sie war so froh dar-über, daß ihr Verhältnis zueinander in der letzten Zeit ein freundlicheres geworden war!
In ihrer Ungerechtigkeit bedenkt sie nicht, daß sie es überhaupt nur Magda zu verdanken hat, daß alles beim alten bleibt.
Schnell wendet sie den Kopf zur Seite, Magdas Gruß übersehend. Mit hochmütigem Gesichtsausdruck fährt sie vom Hofe, nimmt sich fest vor, einige Tage fernzubleiben.
Hanno soll immerhin wissen, daß auch sie ihren Stolz hat.
*
»Da es nun einmal der Herzenswunsch deines Vaters war, halte ich es für richtig, daß ihr zum Erntedankfest heiratet«, schließt Frau Christine ihre Rede, mit der sie Hanno schonend auf die nun einmal unabänderliche Tatsache hinweist.
»Mir soll es recht sein, Mutter.«
Tonlos, ohne jede innere Freude, sagt Hanno das.
Erschrocken sucht Frau Christine die Augen ihres Sohnes.
»So gleichgültig ist dir das?« kann sie nicht unterlassen, einzuwerfen.
Hannos helle Augen weichen denen der Mutter nicht aus.
»Du weißt, wie es um mich bestellt ist. Für mich ist dieser Tag wie jeder andere. Ich erwarte nichts Besonderes von ihm, weil bei mir jede Voraussetzung dafür fehlt. Ja –«
»Hanno!« Tiefes Erschrecken läuft über Frau Christines Gesicht. »Wenn du so redest, bekomme ich wirklich Angst, wie das einmal enden soll!«
Hastig tritt Hanno von der Mutter hinweg. In seinem Gesicht arbeitet es. Sei-
ne Unbeherrschtheit hat ihm bereits Leid genug gebracht, und die glückliche Än-
derung, die mit ihm vorgegangen ist, so wie es die Mutter sagt, sie verdankt er einzig und allein – Magda. Sie versteht es überhaupt vortrefflich, ihn mit einem Blick aus ihren sanften Augen zu beruhigen.
Er fährt sich über Stirn und Augen. Fort mit diesen Gedanken, die nichts Tröstliches für ihn haben! Magda muß tot für ihn sein.
Wie aber, wenn sein Temperament einmal mit ihm durchgeht, und wenn dann keine Magda an seiner Seite ist, die ihn zur Vernunft bringt?
»Aline hat sich recht lange nicht sehen lassen«, dringt die ängstliche Stimme Frau Christines an sein Ohr.
Mit einem Ruck dreht er sich entschlossen herum. Er ist wie erlöst, daß sie ihn aus seinen wenig erfreulichen Grübeleien aufgescheucht hat.
»Ich habe jetzt eine Stunde Zeit. Ich werde zu ihr gehen und ihr den Termin der Hochzeit mitteilen. Da wird sie wohl ihr Schmollen sein lassen.«
Sie nickt ihm aufatmend zu.
»Geh, Hanno! So wird es am besten sein. Du warst ja eine Ewigkeit nicht bei Bertholds –« Bittend fügt sie noch hinzu: »Und habe ein wenig Geduld mit Aline!«
Er lächelt bitter. »Du sollst zufrieden mit mir sein.«
*
Magda schneidet Herbstblumen, so viele, daß sie deren Menge kaum umspannen kann, und sucht damit den hinteren Teil des Gartens auf.
Sie windet Sträuße und Girlanden. Es gilt ja, den Birkenhof zu schmücken für Hannos Hochzeit.
Sie weint nicht, sie ist seltsam gefaßt, und mit jeder Blume, die sie an die andere fügt, knüpft sie einen Segenswunsch für Hanno mit hinein.
»Ich bewundere dich, Magda!«
Alles, was Magda in den Händen gehalten hat, entfällt ihr. Zu unvermutet ist Hanno vor ihr aufgetaucht, sieht gütig auf sie nieder.
»Wie du mich erschreckt hast!« sagt sie und bückt sich nach den verlorenen Blumen.
Auch Hanno neigt sich helfend zu Boden. Ihr weiches Haar berührt seine Stirn, und wie von elektrischem Strom berührt, strafft er sich wieder.
Magda ist tief erschrocken. Sie ringt mühsam nach Fassung, und die Farbe kommt und geht auf ihren Wangen.
Sie hat sich bemüht, Hanno zu vergessen, aber das Gegenteil davon ist eingetreten. Je mehr sie sich bemüht, nicht an ihn zu denken, desto mehr beschäftigt sie sich mit ihm.
Mit dieser geradezu grausamen Hartnäckigkeit kommt die Erinnerung an die beseligende Zeit ihrer jungen Liebe über sie und macht sie elend und mürbe.
»Ich hätte doch lieber von hier fortgehen sollen«, stößt sie mit abgewandtem Antlitz hervor. »Wenigstens so lange, bis wir beide ruhiger geworden sind.«
Mit verschränkten Armen lehnt Hanno an dem Stamm einer Birke.
»Ja, es wäre vielleicht das beste gewesen. Aber nun geht es nicht mehr; meine Mutter würde zu sehr unter einer Trennung von dir leiden.«
Ein tiefer Seufzer entflieht ihren Lippen. Immer muß man Rücksicht nehmen auf andere, nie darf man sein eigenes Leben leben!
»Aber ich kann dich noch mehr meiden«, sagt Hanno. Seine Augen brennen förmlich auf ihrem süßen Antlitz.
Ich muß mich noch viel mehr beherrschen lernen, denkt er, noch viel mehr. Ich erschrecke das Mädel immer wieder.
Ein