leicht zittern. Daran spürt er, daß es auch in ihr nicht so ruhig ist, wie sie sich den Anschein geben möchte.
»Magda – du bist, wenn es gilt zu entsagen, größer als ich. Freimütig erkenne ich das an.« Er lächelt bitter. »Was soll ich anders tun, wenn ich nicht auch noch deine Achtung verlieren will!«
Er bricht schnell ab, weil er glaubt, sich nicht länger beherrschen zu können. Unerträglich ist ihm der Gedanke, das junge, blühende Leben neben sich zu wissen und die Hände nicht danach ausstrecken zu dürfen.
Er schnellt empor.
Auch Magda erhebt sich. Zart und lieblich steht sie vor ihm, die Augen voll grenzenlosen Vertrauens zu ihm erhoben.
»Oh, Hanno! Dann wirst auch du noch den Weg zum Glück finden, glaube nur fest daran!« sagt sie, unter seinem Blick immer verwirrter werdend.
»Und du?« fragt er ernst zurück.
»Ich?« Ihre Augen suchen den Boden. »Was liegt an mir?«
Ein unnatürliches Lachen bricht über seine Lippen.
»Ist es nicht ein Hohn, daß gerade ich, der ich dich unsäglich liebhabe, dir das größte Herzeleid zufügen muß?«
Sie legt ihm schnell die Hand auf den Mund.
»Bitte, nichts mehr davon! Ich habe dein Versprechen, darauf baue ich«, flüstert sie.
Er starrt sie verwundert an und schüttelt den Kopf. Aber sie hat ja recht, tausendmal recht. Sein Weg ist ihm vorgezeichnet. Er muß ihn gehen.
Er richtet sich straff auf.
»Du sollst zufrieden mit mir sein, Magda. Kein Wort von Liebe wird mehr über meine Lippen kommen.«
Sekundenlang schweigt er. Blick taucht in Blick.
Da steigt noch einmal das Begehren in Hanno auf. Er zieht sie sanft an sich, beugt ihren Kopf weit zurück und legt seine Lippen in einem letzten, langen Kuß auf die ihren. Dann gibt er sie aufatmend frei.
»Das war der Abschied, Magda. Verzeih mir. Es soll die letzte Erinnerung an unsere Liebe sein.«
Noch einmal umfaßt er die schlanke Gestalt mit den Augen, als wollte er sich ihr Bild für alle Zeiten einprägen – dann reißt er sich los, stürzt davon und wird von der inzwischen eingebrochenen Dämmerung und dem leichten Nebel verschlungen.
Bis jetzt hat Magda sich tapfer gehalten, aber nun ist auch sie am Ende ihrer Kraft. Sie taumelt zurück auf die Bank, schlägt die Hände vor das Antlitz und überläßt sich ganz ihrem Schmerz.
Unaufhaltsam quellen Tränen unter ihren geschlossenen Lidern hervor.
»So lieb hab’ ich dich, Hanno, so lieb, daß ich dich aufgeben und gleichzeitig lächeln konnte. Aber es ging nicht anders, er mußte sein, dieser Abschied, wenn wir nicht beide zugrunde gehen wollen.«
So klagt das junge Menschenkind um sein verlorenes Glück und ist im Grunde seines Herzens doch irgendwie glücklich, glücklich darüber, daß es Hanno den Weg der Pflicht weisen durfte.
*
Alles Bittere hat die Unterredung in Hanno getötet, und eine wohltuende Ruhe hat sich ihm ins Herz gesenkt.
Es ist beinahe wieder geworden wie früher, nur daß der jetzige Hanno nicht mehr viel gemein hat mit dem von einst.
Besonnener und überlegter ist er geworden. Er handelt mehr nach dem Verstand als seinem Impulse folgend, und er fühlt sich wohl dabei.
Frau Christines Sorge um ihren Jungen mindert sich. Er hat sich wiedergefunden. Gottlob!
Sie ahnt ganz richtig, daß Magda diese Wandlung in ihm bewirkt hat.
Als er eines Tages zu ihr sagt:
»Magda bleibt bei uns, Mutter, und ich bin sehr glücklich darüber«, da wird es ihr zur Gewißheit.
Bei passender Gelegenheit ruft sie Magda zu sich, sieht ihr dankbar in die Augen und sagt:
»Ich danke dir, mein Kind, du hast viel Unruhe von mir genommen. Nun will auch ich mit aller Kraft an ein neues Glück auf dem Birkenhof glauben.«
In Magdas Augen liegt ein so starkes Leuchten, daß es Frau Christine eigenartig warm ums Herz wird. Voll mütterlicher Liebe flüstert sie dicht an des jungen Mädchens Ohr:
»Und du selbst, Magda? Hast auch du überwunden?«
»Ich?« Magda muß ihre Gedanken von weit her holen. »Ich bin’s zufrieden, so, wie die Dinge jetzt liegen. Zwischen Hanno und mir ist alles geklärt. Er wird mit Aline glücklich werden. Sie ist jung, schön und gesund. Sie wird ihm Kinder schenken, Kinderlachen wird wieder auf dem Birkenhof ertönen, und in seinen Kindern wird Hanno sich wiederfinden. Es wird werden wie früher – viel Glück, viel Freude. Das Alte, Gewesene wird dabei von selbst in Vergessenheit geraten.«
Frau Christine schaut voll Bewunderung auf das junge Mädchen herab, das ohne jede Bitterkeit von Hannos Zukunft spricht.
»Und von dir selber sprichst du nicht, Kind«, sagt sie nach einer Weile ernsten Nachdenkens. Etwas von der schon einmal durchlebten Angst beschleicht sie. »Du hast es dir doch nicht etwa anders überlegt?«
»Nein, Tante – ich bleibe bei euch und habe den guten Willen, dem jungen Paar eine aufrichtige Freundin zu werden.«
Frau Christines Augen feuchten sich bei so viel rückhaltloser Offenheit und Treue. Gerührt zieht sie Magda an sich und küßt sie.
»Dafür will ich dich segnen, mein Kind! Das soll dir der liebe Gott vergelten!«
*
Aline kommt in der folgenden Zeit aus dem Verwundern nicht heraus.
Hanno beschäftigt sich jetzt ziemlich eingehend mit ihr, und er entdeckt dabei Eigenschaften an seiner Braut, die sie lieber vor ihm verborgen hätte. Dies erklärt sich daraus, daß er heimlich Vergleiche zwischen ihr und Magda zieht, die allerdings meistens zum Nachteil Alines ausfallen.
Vor allem mißfällt ihm ihre grenzenlose Schwatzhaftigkeit. Immer weiß sie etwas Neues, Aufregendes zu berichten, und stets will sie es ganz genau wissen. Das stößt ihn ab, und er macht kein Hehl aus seiner Meinung, wie verhaßt ihm jeder Klatsch ist.
»Neugierde – schön, wenn sie harmlos bleibt, will ich sie gelten lassen. Aber Boshaftigkeit und Klatschsucht dulde ich bei meiner zukünftigen Frau nicht. Richte dich danach, Aline!« verweist er sie ruhig aber bestimmt.
Erschrocken starrt sie in sein energisches Antlitz. Was fällt ihm ein, sie mit einem Male dauernd zu maßregeln, ihr Umgangsformen beibringen zu wollen?
»Aber, es ist doch wahr, was die Flickhanne erzählt«, erwidert sie im Ton eines verzogenen Kindes.
»Aha, daher hast du deine Weisheit! – Dann bist du allerdings gut unterrichtet über deine Mitmenschen.« Sein Ton ist nicht mehr so streng wie vorhin.
Er lächelt sogar nachsichtig.
Gleichwohl glaubt Aline, daß er nur spottet, und das reizt sie zum Widerspruch.
»Oh, die Flickhanne kommt viel herum, ich weiß noch mehr Interessantes durch sie.«
»So?« Er lacht belustigt auf, an eine Bösartigkeit will er nicht glauben.
Sie schlägt die Augen nieder, um dadurch zu verbergen, wie sehr es sie wurmt, daß er sie vor Hannos Mutter und Magda wie ein ungezogenes Kind behandelt.
»Bist du nicht ein bißchen neugierig, was die Flickhanne mir sonst noch berichtet hat?« sagt sie leise, nur ihm verständlich.
Hanno nimmt einen langen Zug aus seiner Pfeife.
»Durchaus nicht!« Jetzt ist er wieder ernst.
»Ich würde dir raten, nicht alles gedankenlos nachzuschwatzen, was dir dieses Weibsbild ins Ohr bläst. Sie ist als Schandmaul zur Genüge bekannt, dreht den Leuten das Wort im Munde herum, und was