daß der beste, herrlichste Mann ihr gehört.
Einen unterdrückten Jubellaut ausstoßend, schlingt sie beide Arme um seinen Hals, drückt ihre heißen Lippen auf seinen Mund. »Ich habe dich ja so lieb, Hanno«, stammelt sie verwirrt. »Und wenn du mir auch nur ein wenig gut sein kannst, dann will ich damit schon zufrieden sein.«
Hanno steht stocksteif da, völlig benommen, unfähig, sich zu rühren. Ehe er eine Antwort findet, ehe er sich freimachen kann, geht die Tür auf, und Magda steht auf der Schwelle, im Begriff, die Stube zu betreten.
Erschrocken will sie zurückweichen, doch Aline hat sie bereits entdeckt. Sie löst sich mit heißen Wangen von Hanno und eilt hin zu ihr, mit der sie bisher ein herzliches Freundschaftsverhältnis verband. In dem weißen Antlitz Magdas brennen ein Paar todtraurige Augen.
»Grüß Gott, Magda!« Sie reißt Magda die wie leblos herabhängenden Hände in die ihren und sprudelt heiter drauflos: »Das war eigentlich nicht für deine Augen bestimmt, aber du wirst verstehen, wie verliebten Leuten zumute ist. Da nimmt man es nicht so genau. Man ist halt ein wenig närrisch, nicht wahr? – Du darfst mir übrigens gratulieren. Hanno ist mein Bräutigam!«
Was will sie nur von mir? Warum bestiürmt sie mich so? Und wie laut sie ist! Weiß sie denn nicht, daß sie sich in einem Trauerhause befindet?
»Aber Magda«, fährt Aline eifrig fort, »du stehst ja so starr da wie eine Bildsäule. Ist es dir unverständlich, wenn Brautleute sich küssen?«
Auf Hannos Stirn steht eine tiefe Falte. Er drängt jedoch den heftigen Verweis zurück, der über seine Lippen will. Auch er empfindet in diesem Augenblick ihre Stimme als viel zu grell and unnatürlich laut. Wie weich und süß, zurückhaltend dagegen Magda spricht: »Nichts von dem, was du denkst, Aline. Meinen herzlichsten Glückwünsch!«
Ein rascher Blick aus Alines Augen läuft hin zu Hanno, als wollte sie ihm bedeuten: »Hast du es gehört? Sie wünscht uns Glück.«
»Danke! Und denk mal an, Magda, wir werden bald heiraten, werden nicht erst das Ende des Trauerjahres abwarten«, plappert sie weiter.
»Aline!« ertönt jetzt Hannos tiefe Stimrne. »Das alles wird Magda wohl wenig interessieren. Ich finde, darüber zu sprechen, ist verfrüht.«
Aline beißt sich auf die Lippen. »Vielleicht«, erwidert sie merklich kleinlauter. »Die Freude hat mir wieder einmal einen Streich gespielt und den Mund mit mir durchgehen lassen.«
Frau Christine und Berthold kommen zurück von der Bahre des Birkenhofbauern. Frau Christines Antlitz ist starr, wie versteinert. Sie kann nicht weinen, auch Berthold ist tiefbewegt.
Als Hanno vor ihn hin tritt, ihm die Rechte entgegenstreckt und spricht: »Aline und ich sind uns einig«, da sieht er die glückstrahlenden Augen seines Mädels, und nun läuft ein breites, zufriedenes Lächeln über sein volles Gesicht.
»Dann ist ja alles gut, Hanno, und alles Glück für euch und eure Zukunft. Die Aline hat dich sehr lieb, Hanno, vergiß das nicht, wenn dir vielleicht manches recht sonderbar erscheinen mag. Ich wollte ja nur mein Mädel glücklich und froh sehen!«
*
Lieber Gott, so schwer fällt mir jetzt, was mich einst so leicht dünkte!
Magda ringt die Hände, sie preßt die eiskalten Finger so fest zusammen, daß sie schmerzen.
Hanno ist nicht glücklich – er leidet – leidet genauso wie sie. Warum nur zeigt er ihr gegenüber ein so verletzendes Benehmen?
Ganz still, ganz ruhig will sie werden. Sie wird diese Liebe einfach totkämpfen! Ja, das will sie, denn jeder Gedanke, der ihm gilt, ist jetzt Sünde und Verrat an der anderen.
Wunschlos könnte sie aus seinem Leben gehen, hätte sie die Gewißheit, daß er glücklich ist. Aber er ist es nicht.
Hanno! Lieber, lieber Hanno, was ist aus dir geworden? Jetzt kann ich mit dir sprechen, jetzt hört mich niemand – wenn ich auch keine Antwort bekomme.
Warum bist du auf eimnal so ganz, ganz anders zu mir, zu deiner kleinen Magda? Um wie vieles leichter ließe sich alles ertragen, könnten wir einander wie zwei gute Freunde begegnen. Aber so spricht aus jedem Blick, aus jedem eisigen Wort von dir Verachtung. Warum nur verachtest du mich, Hanno?
Magda wirft sich auf ihr Lager. Sie drückt das heiße Antlitz in die Kissen,
um einen wehen Aufschrei zu unterdrükken.
So findet sie Frau Christine.
»Magda!« Sie nimmt das Antlitz des jungen Mädchens in ihre Hände, drückt ihre Lippen auf die zarte Wange.
»Magda – mein liebes Kind – Tränen? Das bedeutet Erlösung. Weine dich aus, das tut wohl, das schafft Erleichterung.«
Eine ganze Weile sitzt sie an Magdas Lager, hält die schlanke Gestalt in ihren Armen und wundert sich über sich selbst, woher sie all die lieben, tröstlichen Worte nimmt, die ihr aus dem Herzen kommen, obwohl dieses Herz doch ebenso bang klopft vor verhaltenem Schmerz und Leid.
Frau Christine starrt ins Leere. Wohin ist das Glück, wohin der Friede des Birkenhofes? Hat der Tote sie mit ins Grab genommen?
Wohin sie auch blickt – überall zerbrochene Herzen – zerbrochenes Glück.
»Aber das geht doch nicht, Magda!«
Frau Christine, die in den letzten Wochen sicherlich gealtert ist, muß sich schnell hinsetzen, so stark wirkt der Schreck über Magdas Worte in ihr nach.
»Du willst uns verlassen? – Ja, Kind, das ist doch unmöglich, du gehörst doch hierher, gehörst zu uns auf den Birkenhof! Sag, daß es nicht wahr ist!«
Magda blickt schweigend zu Boden, sie rührt sich nicht. Ihre Haltung zeigt, wie hilflos sie ist. Zu sprechen vermag sie nicht.
Da zieht Frau Christine sie zu sich heran. ihre Hände zittern dabei.
»Wie kannst du nur auf solchen Gedanken kommen, Kind?« Ihre Stimme sinkt zum Flüstern herab, und sekundenlang sinnt sie vor sich hin.
»Es geht dir genauso wie mir«, fährt sie nach einer Weile fort, »alles das, was sich in der letzten Zeit ereignete, hat auch dich aus dem Gleichgewicht gebracht. Aber du wirst dich wiederfinden. Das Leben schreitet weiter, über allen Kummer, über alles Leid hinweg, und man darf nicht
fahnenflüchtig werden, Magda, selbst wenn einem Hoffnungen zerschlagen werden.«
Aus großen, erstaunten Augen sieht Magda die Tante an. Sie hatte gehofft, gerade bei ihr auf volles Verständnis zu stoßen, und nun wirft sie ihr – Fahnenflucht vor!
Sie schüttelt heftig den Kopf.
»Das ist es ja gerade, was mich fort-treibt! Ich sehne mich nach einem größeren Pflichtenkreise und kann mich hier nicht recht entfalten; und zumal nicht, wenn erst die junge Herrin hier eingezogen sein wird.«
Ein Schatten läuft über das blasse Gesicht Frau Christines, und ein bedrückendes Gefühl beschleicht auch sie bei dem Gedanken an den Tag, da sie die Rechte der Hausfrau an ihre Schwiegertochter Aline wird abtreten müssen.
Für einen Augenblick überkommt sie das gleiche Verlangen wie Magda, aber sie unterdrückt es. Nein, Magda genießt Heimatrecht auf dem Birkenhof, gleich ihr. Hier hat sie Wurzeln geschlagen, und niemand soll ihr dieses Recht jemals streitig machen.
»Nein! Ich lasse dich nicht von hier fort«, stößt sie heftig hervor. »Wenn erst die junge Frau auf dem Hofe ist, dann werden wir uns noch inniger zusammen-schließen. Siehst du nicht selber ein, Magda, daß ich dich dann noch nötiger brauchen werde als bisher? Wir müssen Aline doch zunächst hier eingewöhnen.«
Sie verstummt jäh. Anscheinend kommen ihr die gleichen Zweifel wie Magda, nämlich, daß die herrische Aline Berthold einen anderen Willen als den ihren nicht gelten lassen wird.
Etwas Bedrückendes hat dieses Schweigen.
»Nicht wahr, mein Kind«, beginnt