treu dienen.«
Hanno ist erschüttert. Seine Hände ballen sich zu Fäusten.
»Magda – bist du von Sinnen? Ich soll dich aufgeben? Unsere Liebe soll ich verraten, weil dieser unselige Heiratsplan im Kopfe meines Vater spukt? – Niemals, hörst du? – Du hast mein Wort – und ein Lorenz hat sein Wort noch nie gebrochen.«
Voll schlägt sie die tiefblauen Augen zu ihm auf, all ihre Liebe offenbart sich unverhüllt darin, und sie bestätigt es ihm nochmals innig:
»Ich liebe nur dich – aber –«
Er nimmt sie in seine Arme, jubelt:
»Kein Aber, Liebes – du liebst mich, und alles ist gut. Was die Zukunft auch bringen mag – wir gehören untrennbar zueinander. Wir zwingen das Leben. Aber deiner Liebe, deiner Treue muß ich sicher sein.«
Damit besiegt er Magdas letzten Widerstand. Seine Liebe ist stark; wohlan, die ihre ist es nicht minder. Und wenn es sein muß – sie ist auch zu einem Opfer bereit, denkt sie, während sie still an seinem Herzen ruht.
*
Bevor Magda und Hanno vom Birkenhof aufgebrochen sind, haben auch Hannos Eltern sich mit seiner Zukunft beschäftigt.
»Und warum willst du den Willen des Jungen nicht anerkennen?« fragt Frau Christine in die lähmende Stille hinein. »War Hanno nicht jederzeit ein gehorsamer Sohn – und haben wir uns nicht auch aus Liebe geheiratet?«
Hartmut Lorenz pafft dicke Wolken aus seiner Pfeife.
»Ich gab dem alten Berthold mein Wort!« sagt er gequält.
Frau Christine zuckt zusammen.
»Dann steht ein Wort gegen das andere.«
»Was soll das heißen?« forscht er.
»Auch Hanno gab Magda sein Wort.«
»Daraus wird nichts – daraus kann nichts werden!«
»Hartmut!« Christines schreckgeweitete Augen blicken verständnislos auf den Gatten. Noch nie sah sie diesen sonst so gütigen Mann so hart – und rücksichtslos. »Du liebst doch Magda auch. Ist sie dir als Tochter nicht willkommen?«
»Magda?« Er macht eine ziellose Bewegung mit der Hand, als wollte er nicht daran erinnert sein, antwortet jedoch nach kurzer Pause aus seinem angeborenen Gerechtigkeitssinn heraus: »Das Mädel ist mir lieb.«
»Dann verstehe ich dich nicht, Hartmut. Wollen wir uns nicht lieber an dem Glück der beiden jungen Menschen erfreuen, anstatt rücksichtslos zu fordern?«
Sie hascht nach seiner Hand, die er ihr brüsk entzieht.
»Hartmut«, fragt sie zaghaft. »Bist du Berthold irgendwie verpflichtet?«
»Ja – ich bin dem Berthold verpflichtet – mehr noch –«
Er hält inne. Die entsetzten Augen seines Weibes lassen ihn rechtzeitig verstummen.
Hart fällt die Tür hinter ihm ins Schloß.
Frau Christine läßt den Kopf auf die Tischplatte sinken. Sie fühlt es, heute hat das Glück auf dem Birkenhof, das geradezu sprichwörtlich geworden warum erstenmal Launen gezeigt – wenn nicht noch mehr.
*
»Ruck, zuck! – Ruck, zuck!«
Hannes und Karl, die beiden Knechte, arbeiten nach den Befehlen Hartmut Lorenz’.
Er schafft selbst mit, daß ihm der Schweiß in Bächen von der gebräunten Stirn rinnt – und doch ist er nicht so recht bei der Sache. Die Gedanken irren immer wieder ab. Zurück zu dem alten Berthold und zu der Unterredung, die scharf und erregt geführt wurde und nach der er aufgebracht und aufgewühlt von dannen gegangen war.
Das boshafte, heisere Kichern des Alten hatte ihn förmlich verfolgt. Jetzt noch klingt es ihm in den Ohren.
Der Alte hat die Macht. Dagegen gibt es kein Sichwehren. Und Hanno – muß sich fügen, so denkt er.
Langsam bricht die Dunkelheit herein.
Man hat sich die Arbeit des Baumfällens für die kühlere Abendstunde aufgespart, da die Hitze des Tages gar zu drückend gewesen war.
Hartmut Lorenz läßt das Seil locker.
Seine Gedanken wandern, kreisen wieder um das, was ihn jetzt unablässig beschäftigt.
Hanno wird noch zur Vernunft kommen. Er muß! Er wird, auch ohne alles zu wissen, meinem Wunsche nachgeben, denkt er dabei.
»Achtung!«
Ich werde heute abend nochmals in aller Güte auf Hanno und Magda einzuwirken suchen. Es stirbt sich nicht an gebrochenem Herzen, geht es ihm durch den Sinn.
Nur noch dieser eine Gedanke beherrscht ihn, und im Geiste sieht er sie vor sich, die beiden blühenden jungen Menschenkinder, denen seine Liebe gehört – die sein Stolz sind.
»Achtung!« – Da ist wieder dieser helle Ruf, der sich wie aus weiter, weiter Ferne in sein Hirn bohrt.
Er schaut auf. Der Baumriese neigt sich zur Seite.
Hartmut Lorenz erkennt die Gefahr – mit einem schnellen Sprung will er sich noch in Sicherheit bringen.
Zu spät! Mit dröhnendem Krachen senkt sich die Buche zur Erde – begräbt Hartmut Lorenz unter sich.
*
Magda hat ihre Einkäufe getätigt und will nach Hause gehen.
Vor wie schwere Entscheidungen sie auf einmal gestellt ist!
Während sie, intiefe Gedankenversunken, den Weg nach dem Birkenhof zurückgeht, auf nichts achtend, was um sie her vorgeht, hört sie sich plötzlich angerufen.
Sie schaut auf und erblickt, wenige Schritte entfernt, Jürgen Berthold, den Bruder Alines und Hannos Freund.
Ehe sie sich von ihrem Erstaunen erholt über sein Hiersein, über sein verstortes Aussehen, schlägt erneut seine Stimme an ihr Ohr.
»Ich habe hier auf dich gewartet.«
»Ich verstehe dich nicht.«
»Ich – wollte zu Hanno, aber nun fehlt mir der Mut dazu.«
Sie ist auf das höchste erschrocken. Forschend ruht ihr Blick auf seinem Gesicht. Es entbehrt heute jeder Farbe. Grau und verfallen sieht es aus.
Inniges Mitleid mit dem sonst so frischen Burschen erfaßt sie.
»Kann ich dir helfen, Jürgen?« fragt sie, die Hand auf seinen Arm legend.
»Magda – ich war pflichtvergessen, ich habe mich zu etwas verleiten lassen. Ich brauche ganz dringend etwas Geld. Zu meinem Vater kann ich nicht gehen, du kennst seine schroffe Art. Er wirft mir schon jeden Tag vor, ich warte nur auf sein Geld, und das tue ich bei Gott nicht.
Nun ist ein Unglück geschehen. Mein Leichtsinn ist daran schuld. Er ist es, der mich von hier forttreibt. Aber ich will dem Vater beweisen, daß ich trotzdem, daß ich trotz dieser schwachen Stunde – ein ganzer Kerl bin.«
Sie möchte ihm raten, mit seinem Vater zu sprechen, unterläßt es jedoch. Der alte Berthold kennt wirklich nur ein hartes »Nein« – auch sie fürchtet sich vor diesem Eisenkopf.
»BIeibe hier, Jürgen«, sagt sie, ihm freundlich zunickend, »ich gehe nach Hause und schicke dir Hanno. Der ist so klug. Vielleicht weiß er noch einen anderen Ausweg.«
Ungestüm reißt er Magdas Hände an sich, drückt sie an seine Lippen.
»Magda – wenn du bei Hanno für mich bitten würdest? – Ich wäre dir ewig dankbar. Nie könnte ich dir das vergessen! Ja, schick mir Hanno. Nun ich mit dir gesprochen habe, dünkt es mich nicht so schwer, Hanno alles zu beichten. Er war immer ein verständiger Mensch und ein guter Kamerad!«
»Und – Aline – kennt sie dein Vorhaben?«