Karin Bucha

Karin Bucha Staffel 2 – Liebesroman


Скачать книгу

Die Frauen vom Birkenhof haben bisher alle und ausschließlich mehr mit dem Herzen als mit Einbildung und Hochmut regiert – außer Aline. Glaubst du, daß das für die Dauer gutgehen wird?«

      »Ich weiß es nicht«, kommt es gequält zurück.

      »Du willst mich schonen, du bist ein gutes Kind, Magda. Brauchst auch gar nichts zu beschönigen. Ich weiß alles, wie du leidest. Vielleicht am meisten von uns allen.«

      Der alten Frau tut es wohl, sich einmal vom Herzen sprechen zu können, was sie bedrückt.

      »Du wirst auch weiterhin noch viel unter Alines Herrschaft zu leiden haben«, beginnt Frau Christine aufs neue mit müder, schläfriger Stimme. »Dafür entschädige ich dich aber. Meine wahre Liebe gehört nur dir und Hanno. Aber verlassen darfst du mich nicht, Magda. Ich würde verkümmern, denn Hanno muß zu seiner Frau halten. Das ist seine Pflicht.«

      »Ich verlasse dich nicht, liebe Tante!«

      Magdas Herz krampft sich bei dieser neuen Lüge vor Weh zusammen, doch unmöglich kann sie der lieben alten Frau die Wahrheit sagen.

      »Ich will nun schlafen, Magda. Vergiß nicht, mich rechtzeitig zu wecken. Nur ein Stündchen, nicht länger. Ich muß unbedingt nach dem Rechten sehen.«

      »Mach dir keine Sorgen, Tante. Ich kümmere mich schon um alles. Früher ging es doch auch, warum auf einmal jetzt nicht mehr?«

      »Ja – früher!« Frau Christine dreht den Kopf zur Seite und schließt die Augen. »Ja – früher«, wiederholt sie noch einmal. –

      Auf den Zehenspitzen verläßt Magda das Zimmer, geht hinüber in ihr Stübchen, setzt sich dort ans Fenster und starrt in das Geäst des Kastanienbaumes, der seine Zweige wie schützend bis an das Haus heranstreckt.

      Jetzt gehört sie endlich für kurze Zeit sich selbst. Jetzt kann sie an das ihn ihr keimende Leben denken, an ihr Kind.

      Welche Glückseligkeit dieser Gedanke in sich birgt. Was sind dagegen die gelegentlichen Nadelstiche Alines? Nichts! Das Wissen um ihren Zustand ist wie ein Panzer, an dem jeder noch so spitze Pfeil abprallt.

      Leid tut ihr nur die alte Frau, die Mutterstelle an ihr vertrat, die sich schmerzlich nach ihr sehnen wird, und Hanno, derden Frieden über alles liebt und täglich in den häßlichen Zwiespalt hineingerissen wird.

      Armer Hanno!

      Es macht sich ganz von selber, daß Magda wieder alle die Arbeiten verrichtet, die eigentlich Aline zukommen.

      Ohne Murren geht sie ihren großen und kleinen Pflichten nach.

      Aline hingegen führt ein Faulenzerleben. Tag für Tag ist sie unterwegs, macht Besuche in der Nachbarschaft oder läßt sich in die nahegelegene Kreisstadt fahren und kauft dort ein.

      Zwecklosen Tand ersteht sie zumeist, für den man auf dem Hofe keine Verwendung hat. Mitunter bringt sie auch irgendein Wirtschaftsgerät mit, dessen Vortrefflichkeit sie alsdann mit vielen Worten anpreist, damit man ihren praktischen Sinn bewundern soll.

      Frau Christine steht meist mit traurigem Gesicht dabei, ohne ein Wort der Anerkennung zu äußern. Wie sinnlos Aline das Geld vergeudet, muß sie denken. Aber sie schweigt.

      Solange Hanno diese kostspieligen Fahrten nicht verbietet, hat sie kein Recht, dagegen Einspruch zu erheben.

      Die Mädchen wenden sich nach wie vor an Magda und bekommen von ihr die entsprechenden Anweisungen.

      Der Haushalt läuft wie am Schnürchen, was Hanno dankbar empfindet. Er ist der Meinung, da er jetzt sehr viel außerhalb des Hofes beschäftigt ist, daß Aline sich inzwischen alles angeeignet hat, was zu einer tüchtigen Hausfrau gehört.

      Eines Tages kommt er früher heim als gewöhnlich. Aline ist eben im Begriff, ihren kleinen Wagen zu besteigen.

      »Wohin willst du?« fragt Hanno erstaunt.

      »Nach Freiberg«, erwidert sie kurz angebunden.

      »Nach Freiberg? Was hast du in Freiberg zu schaffen?«

      »Einkaufen!« Trotzig schaut sie an ihrem Mann vorbei, so daß er stutzig

      wird.

      »Bekommst du das nicht im Ort?« fragt er weiter.

      Aline wirft den Kopf in den Nacken. Dieses Verhör im Beisein des Kutschers empört sie geradezu.

      »Glaubst du, ich würde nach Freiberg fahren, wenn ich die Einkäufe hier erledigen könnte?«

      Mit einem langen Blick mustert er ihr elegantes Kleid, das ganz und gar nicht zu einer Birkenhofbäuerin passen will.

      »Bitte, komme noch einmal herein. Ich habe mit dir zu reden«, sagt er in befehlendem Ton.

      »Dann kann ich wohl wieder ausspannen?« Offensichtliche Schadenfreude schwingt in des Kutschers Baß, als er diese Frage an die junge Frau richtet.

      »Warten Sie hier!« herrscht sie ihn an. Dann rafft sie ihr Kleid zusammen, steigt vom Wagen und läuft vor Hanno her in das Haus.

      Im Wohnzimmer stehen sie einander gegenüber – nicht wie ein Ehepaar, eher wie zwei Feinde.

      Wieder trifft sie der seltsam forschende Bück aus seinen Augen.

      »Willst du mir sagen, seit wann du solche Ausfahrten schon unternimmst?«

      »Was soll dieses Verhör?« fragt sie gereizt zurück.

      »Ich wünsche meine Frage beantwortet zu haben«, sagt er streng, keinen Blick von ihr lassend.

      »Es ist geradezu empörend, wie jeder Schritt von mir bewacht wird! Ich habe nicht deswegen geheiratet, um von früh bis abends zu schaffen und mir danach dein mürrisches Gesicht anzusehen«, schleudert sie ihm mit heller, spitzer Stimme entgegen.

      »Meine Mutter hat auch hart gearbeitet, war aber glücklich dabei und zufrieden«, gibt er gleichmütig zurück.

      »Deine Mutter – ja – die wurde auch geliebt!«

      Kaum merklich ist er zusammengezuckt, aber Aline ist es nicht entgangen. Sie weiß genau, wo sie ihn packen kann.

      Sekundenlang starrt er grübelnd zu Boden. Hat sie nicht recht, tausendfach recht? Sie hat sich alle mögliche Mühe gegeben, den Haushalt in Ordnung zu halten. Er entbehrt nichts von seiner früheren Gemütlichkeit. Hat vielleicht er sich geändert?

      Nein, nach wie vor schlägt er sich mitseiner unglücklichen Liebe herum. Wie darf er ihr ein harmloses Vergnügen rauben?

      »Darf ich nun fahren?« fragt sie nach einer Weile.

      Er dreht sich kurz herum, geht an das Fenster. Von dort her sagt er: »Meinetwegen – fahre! Ich hindere dich nicht.«

      Aline nagt überlegend an der Unterlippe. Ob sie nicht lieber eingesteht, daß sie sich so gut wie gar nicht um die Wirtschaft kümmert? Hanno kann Lügen absolut nicht vertragen.

      Er kann fuchsteufelswild werden, wenn er dahinterkommt. Aber – soll sie sich wieder demütigen und Magda glänzen lassen? – Niemals! Und Magda wird sich eher die Zunge abbeißen, als sie verraten.

      »Danke«, sagt sie leise und huscht aus dem Zimmer, froh, den durchdringenden Blicken Hannos entronnen zu sein.

      *

      Eine merkwürdige Unruhe packt Hanno. Er verläßt den Hof nicht zur gewohnten Stunde, sondern setzt sich in sein Arbeitszimmer und befaßt sich mit Eintragungen und Abrechnungen, kurzum mit dem, was er sich sonst immer für den Sonntagvormittag aufgespart hat.

      Er rechnet und rechnet und findet heraus, daß der Haushalt weit größere Summen verschlingt als früher, obwohl an den häuslichen Gepflogenheiten nichts geändert worden ist.

      Er muß einmal mit Aline darüber sprechen. Eine Erklärung dafür ist sie ihm schuldig.

      Wofür nur werden die unverhältnismäßig hohen Beträge verbraucht?

      Drüben