Фридрих Вильгельм Ницше

Gesammelte Werke


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Raum hin­zu, sie i­so­lier­t je­des Fak­tum. In Wahr­heit aber ist all un­ser Han­deln und Er­ken­nen kei­ne Fol­ge von Fak­ten und lee­ren Zwi­schen­räu­men, son­dern ein be­stän­di­ger Fluß. Nun ist der Glau­be an die Frei­heit des Wil­lens ge­ra­de mit der Vor­stel­lung ei­nes be­stän­di­gen, ein­ar­ti­gen, un­ge­teil­ten, un­teil­ba­ren Flie­ßens un­ver­träg­lich: er setzt vor­aus, daß je­de ein­zel­ne Hand­lung iso­liert und un­teil­bar ist; er ist eine Ato­mis­ti­k im Be­rei­che des Wol­lens und Er­ken­nens. – Gera­de so wie wir Cha­rak­tere un­ge­nau ver­ste­hen, so ma­chen wir es mit den Fak­ten: wir spre­chen von glei­chen Cha­rak­teren, glei­chen Fak­ten: bei­de gibt es nicht. Nun lo­ben und ta­deln wir aber nur un­ter die­ser falschen Voraus­set­zung, daß es glei­che Fak­ta gebe, daß eine ab­ge­stuf­te Ord­nung von Gat­tun­gen der Fak­ten vor­han­den sei, wel­cher eine ab­ge­stuf­te Wer­t­ord­nung ent­spre­che: also wir i­so­lie­ren nicht nur das ein­zel­ne Fak­tum, son­dern auch wie­der­um die Grup­pen von an­geb­lich klei­nen Fak­ten (gute, böse, mit­lei­di­ge, (nei­di­sche Hand­lun­gen usw.) – bei­de Male irr­tüm­lich. – Das Wort und der Be­griff sind der sicht­bars­te Grund, wes­halb wir an die­se Iso­la­ti­on von Hand­lun­gen-Grup­pen glau­ben: mit ih­nen be­zeich­nen wir nicht nur die Din­ge, wir mei­nen ur­sprüng­lich durch sie das Wah­re der­sel­ben zu er­fas­sen. Durch Wor­te und Be­grif­fe wer­den wir jetzt noch fort­wäh­rend ver­führt, die Din­ge uns ein­fa­cher zu den­ken, als sie sind, ge­trennt von­ein­an­der, un­teil­bar, je­des an und für sich sei­end. Es liegt eine phi­lo­so­phi­sche My­tho­lo­gie in der Spra­che ver­steckt, wel­che alle Au­gen­bli­cke wie­der her­aus­bricht, so vor­sich­tig man sonst auch sein mag. Der Glau­be an die Frei­heit des Wil­lens, das heißt der glei­chen Fak­ten und der i­so­lier­ten Fak­ten, – hat in der Spra­che sei­nen be­stän­di­gen Evan­ge­lis­ten und An­walt.

      Die Grun­dirr­tü­mer. – Da­mit der Mensch ir­gend eine see­li­sche Lust oder Un­lust emp­fin­de, muß er von ei­ner die­ser bei­den Il­lu­sio­nen be­herrscht sein: ent­we­der glaubt er an die Gleich­heit ge­wis­ser Fak­ta, ge­wis­ser Emp­fin­dun­gen: dann hat er durch die Ver­glei­chung jet­zi­ger Zu­stän­de mit frü­he­ren und durch Gleich- oder Un­gleich­set­zung der­sel­ben (wie sie bei al­ler Erin­ne­rung statt­fin­det) eine see­li­sche Lust oder Un­lust; o­der er glaubt an die Wil­lens-Frei­heit, etwa wenn er denkt "dies hät­te ich nicht tun müs­sen", "dies hät­te an­ders aus­lau­fen kön­nen", und ge­winnt dar­aus eben­falls Lust oder Un­lust. Ohne die Irr­tü­mer, wel­che bei je­der see­li­schen Lust und Un­lust tä­tig sind, wür­de nie­mals ein Men­schen­tum ent­stan­den sein – des­sen Grun­d­emp­fin­dung ist und bleibt, daß der Mensch der Freie in der Welt der Un­frei­heit sei, der ewi­ge Wun­der­tä­ter, sei es, daß er gut oder böse han­delt, die er­staun­li­che Aus­nah­me, das Über­tier, der Fast-Gott, der Sinn der Schöp­fung, der Nicht­hin­weg­zu­den­ken­de, das Lö­sungs­wort des kos­mi­schen Rät­sels, der große Herr­scher über die Na­tur und Veräch­ter der­sel­ben, das We­sen, das sei­ne Ge­schich­te Welt­ge­schich­te nennt! – Va­ni­tas va­ni­ta­tum ho­mo.

      Zwei­mal sa­gen. – Es ist gut, eine Sa­che so­fort dop­pelt aus­zu­drücken und ihr einen rech­ten und einen lin­ken Fuß zu ge­ben. Auf ei­nem Bein kann die Wahr­heit zwar ste­hen; mit zwei­en aber wird sie ge­hen und her­um­kom­men.

      Der Mensch der Ko­mö­di­ant der Welt. – Es müß­te geis­ti­ge­re Ge­schöp­fe ge­ben, als die Men­schen sind, bloß um den Hu­mor ganz aus­zu­kos­ten, der dar­in liegt, daß der Mensch sich für den Zweck des gan­zen Wel­ten­da­seins an­sieht und die Mensch­heit sich ernst­lich nur mit Aus­sicht auf eine Welt-Mis­si­on zu­frie­den gibt. Hat ein Gott die Welt ge­schaf­fen, so schuf er den Men­schen zum Af­fen Got­tes, als fort­wäh­ren­den An­laß zur Er­hei­te­rung in sei­nen all­zu­lan­gen Ewig­kei­ten. Die Sphä­ren­mu­sik um die Erde her­um wäre dann wohl das Spott­ge­läch­ter al­ler üb­ri­gen Ge­schöp­fe um den Men­schen her­um. Mit dem Schmerz kit­zelt je­ner ge­lang­weil­te Uns­terb­li­che sein Lieb­lings­tier, um an den tra­gisch-stol­zen Ge­bär­den und Aus­le­gun­gen sei­ner Lei­den, über­haupt an der geis­ti­gen Er­find­sam­keit des ei­tels­ten Ge­schöp­fes sei­ne Freu­de zu ha­ben – als Er­fin­der die­ses Er­fin­ders. Denn wer den Men­schen zum Spa­ße er­sann, hat­te mehr Geist als die­ser, und auch mehr Freu­de am Geist. – Selbst hier noch, wo sich un­ser Men­schen­tum ein­mal frei­wil­lig de­mü­ti­gen will, spielt uns die Ei­tel­keit einen Streich, in­dem wir Men­schen we­nigs­tens in die­ser Ei­tel­keit et­was ganz Un­ver­gleich­li­ches und Wun­der­haf­tes sein möch­ten. Un­se­re Ein­zig­keit in der Welt! ach, es ist eine gar zu un­wahr­schein­li­che Sa­che! Die Astro­no­men, de­nen mit­un­ter wirk­lich ein er­dent­rück­ter Ge­sichts­kreis zu­teil wird, ge­ben zu ver­ste­hen, daß der Trop­fen Le­ben in der Welt für den ge­sam­ten Cha­rak­ter des un­ge­heu­ren Ozeans von Wer­den und Ver­ge­hen ohne Be­deu­tung ist: daß un­ge­zähl­te Gestir­ne ähn­li­che Be­din­gun­gen zur Er­zeu­gung des Le­bens ha­ben wie die Erde, sehr vie­le also, – frei­lich kaum eine Hand­voll im Ver­gleich zu den un­end­lich vie­len, wel­che den le­ben­den Aus­schlag nie ge­habt ha­ben oder von ihm längst ge­ne­sen sind: daß das Le­ben auf je­dem die­ser Gestir­ne, ge­mes­sen an der Zeit­dau­er sei­ner Exis­tenz, ein Au­gen­blick, – ein Auf­fla­ckern ge­we­sen ist, mit lan­gen, lan­gen Zeiträu­men hin­ter­drein, – also kei­nes­wegs das Ziel und die letz­te Ab­sicht ih­rer Exis­tenz. Vi­el­leicht bil­det sich die Amei­se im Wal­de eben­so stark ein, daß sie Ziel und Ab­sicht der Exis­tenz des Wal­des ist, wie wir dies tun, wenn wir an den Un­ter­gang der Mensch­heit in un­se­rer Phan­ta­sie fast un­will­kür­lich den Erd­un­ter­gang an­knüp­fen: ja wir sind noch be­schei­den, wenn wir da­bei stehn­blei­ben und zur Lei­chen­fei­er des letz­ten Men­schen nicht eine all­ge­mei­ne Welt- und Göt­ter­däm­me­rung ver­an­stal­ten. Der un­be­fan­gens­te Astro­nom sel­ber kann die Erde ohne Le­ben kaum an­ders emp­fin­den als wie den leuch­ten­den und schwe­ben­den Grab­hü­gel der Mensch­heit.

      Be­schei­den­heit des Men­schen. – Wie we­nig Lust ge­nügt den meis­ten, um das Le­ben gut zu fin­den, wie be­schei­den ist der Mensch!

      Wo­rin Gleich­gül­tig­keit not tut. – Nichts wäre ver­kehr­ter, als ab­war­ten wol­len, was die Wis­sen­schaft über die ers­ten und letz­ten Din­ge ein­mal end­gül­tig fest­stel­len wird, und bis da­hin auf die her­kömm­li­che Wei­se den­ken (und na­ment­lich glau­ben!) – wie dies so oft an­ge­ra­ten wird. Der Trieb, auf die­sem Ge­bie­te durch­aus nur Si­cher­hei­ten ha­ben zu wol­len, ist ein re­li­gi­öser Nachtrieb, nichts Bes­se­res, – eine ver­steck­te und nur schein­bar skep­ti­sche Art des "me­ta­phy­si­schen Be­dürf­nis­ses", mit dem Hin­ter­ge­dan­ken ver­kup­pelt, daß noch lan­ge Zeit kei­ne Aus­sicht auf die­se letz­ten Si­cher­hei­ten vor­han­den und bis da­hin der "Gläu­bi­ge" im Recht ist, sich um das gan­ze Ge­biet nicht zu küm­mern. Wir ha­ben die­se Si­cher­hei­ten um die al­ler­äu­ßers­ten Ho­ri­zon­te