Фридрих Вильгельм Ницше

Gesammelte Werke


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muß des­halb über das tat­säch­lich Be­ste­hen­de erst hin­weg­se­hen ler­nen und zum Bei­spiel den Blick fern­hin auf Nord­ame­ri­ka rich­ten, – wo man die an­fäng­li­chen und nor­ma­len Be­we­gun­gen des ge­sell­schaft­li­chen Kör­pers noch mit den Au­gen se­hen und auf­su­chen kann, wenn man nur will, – wäh­rend in Deutsch­land dazu schwie­ri­ge his­to­ri­sche Stu­di­en oder, wie ge­sagt, ein Fern­glas nö­tig sind.

      In­wie­fern die Ma­schi­ne de­mü­tigt. – Die Ma­schi­ne ist un­per­sön­lich, sie ent­zieht dem Stück Ar­beit sei­nen Stolz, sein in­di­vi­du­ell Gu­tes und Feh­ler­haf­tes, was an je­der Nicht-Ma­schi­nen­ar­beit klebt,- also sein biß­chen Hu­ma­ni­tät. Frü­her war al­les Kau­fen von Hand­wer­kern ein Aus­zeich­nen von Per­so­nen, mit de­ren Ab­zei­chen man sich um­gab: der Haus­rat und die Klei­dung wur­de der­ge­stalt zur Sym­bo­lik ge­gen­sei­ti­ger Wert­schät­zung und per­sön­li­cher Zu­sam­men­ge­hö­rig­keit, wäh­rend wir jetzt nur in­mit­ten an­ony­men und un­per­sön­li­chen Skla­ven­tums zu le­ben schei­nen. – Man muß die Er­leich­te­rung der Ar­beit nicht zu teu­er kau­fen.

      Hun­dert­jäh­ri­ge Qua­ran­tä­ne. – Die de­mo­kra­ti­schen Ein­rich­tun­gen sind Qua­ran­tä­ne-An­stal­ten ge­gen die alte Pest ty­ran­nen­haf­ter Ge­lüs­te: als sol­che sehr nütz­lich und sehr lang­wei­lig.

      Der ge­fähr­lichs­te An­hän­ger. – Der ge­fähr­lichs­te An­hän­ger ist der, des­sen Ab­fall die gan­ze Par­tei ver­nich­ten wür­de: also der bes­te An­hän­ger.

      Das Schick­sal und der Ma­gen. – Ein But­ter­brot mehr oder we­ni­ger im Lei­be des Jockeys ent­schei­det ge­le­gent­lich über Wett­ren­nen und Wet­ten, also über Glück und Un­glück von Tau­sen­den. – So­lan­ge das Schick­sal der Völ­ker noch von den Di­plo­ma­ten ab­hängt, wer­den die Mä­gen der Di­plo­ma­ten im­mer der Ge­gen­stand pa­trio­ti­scher Be­klem­mung sein. Quos­que tan­dem

      Sieg der De­mo­kra­tie. – Es ver­su­chen jetzt alle po­li­ti­schen Mäch­te, die Angst vor dem So­zia­lis­mus aus­zu­beu­ten, um sich zu stär­ken. Aber auf die Dau­er hat doch al­lein die De­mo­kra­tie den Vor­teil da­von: denn alle Par­tei­en sind jetzt ge­nö­tigt, dem "Vol­ke" zu schmei­cheln und ihm Er­leich­te­run­gen und Frei­hei­ten al­ler Art zu ge­ben, wo­durch es end­lich om­ni­po­tent wird. Das Volk ist vom So­zia­lis­mus, als ei­ner Leh­re von der Ver­än­de­rung des Ei­gen­tu­m­er­wer­bes, am ent­fern­tes­ten: und wenn es erst ein­mal die Steu­er­schrau­be in den Hän­den hat, durch die großen Ma­jo­ri­tä­ten sei­ner Par­la­men­te, dann wird es mit der Pro­gres­siv­steu­er dem Ka­pi­ta­lis­ten-, Kauf­manns- und Bör­sen­fürs­ten­tum an den Leib ge­hen und in der Tat lang­sam einen Mit­tel­stand schaf­fen, der den So­zia­lis­mus wie eine über­stan­de­ne Krank­heit ver­ges­sen darf.- Das prak­ti­sche Er­geb­nis die­ser um sich grei­fen­den De­mo­kra­ti­sie­rung wird zu­nächst ein eu­ro­päi­scher Völ­ker­bund sein, in wel­chem je­des ein­zel­ne Volk, nach geo­gra­phi­schen Zweck­mä­ßig­kei­ten ab­ge­grenzt, die Stel­lung ei­nes Kan­tons und des­sen Son­der­rech­te in­ne­hat: mit den his­to­ri­schen Erin­ne­run­gen der bis­he­ri­gen Völ­ker wird da­bei we­nig noch ge­rech­net wer­den, weil der pie­tät­vol­le Sinn für die­sel­ben un­ter der neue­rungs­süch­ti­gen und ver­suchs­lüs­ter­nen Herr­schaft des de­mo­kra­ti­schen Prin­zips all­mäh­lich von Grund aus ent­wur­zelt wird. Die Kor­rek­tu­ren der Gren­zen, wel­che da­bei sich nö­tig zei­gen, wer­den so aus­ge­führt, daß sie dem Nut­zen der großen Kan­to­ne und zu­gleich dem des Ge­samt­ver­ban­des die­nen, nicht aber dem Ge­dächt­nis­se ir­gend wel­cher ver­grau­ten Ver­gan­gen­heit. Die Ge­sichts­punk­te für die­se Kor­rek­tu­ren zu fin­den wird die Auf­ga­be der zu­künf­ti­gen Di­plo­ma­ten sein, die zu­gleich Kul­tur­for­scher, Land­wir­te, Ver­kehrs­ken­ner sein müs­sen und kei­ne Hee­re, son­dern Grün­de und Nütz­lich­kei­ten hin­ter sich ha­ben. Dann erst ist die äu­ße­re Po­li­tik mit der in­ne­ren un­zer­trenn­bar ver­knüpft: wäh­rend jetzt im­mer noch die letz­te­re ih­rer stol­zen Ge­bie­te­rin nach­läuft und im er­bärm­li­chen Körb­chen die Stop­pe­läh­ren sam­melt, die bei der Ern­te der ers­te­ren üb­rig blei­ben.

      Ziel und Mit­tel der De­mo­kra­tie. – Die De­mo­kra­tie will mög­lichst vie­len Un­ab­hän­gig­keit schaf­fen und ver­bür­gen, Un­ab­hän­gig­keit der Mei­nun­gen, der Le­bens­art und des Er­werbs. Dazu hat sie nö­tig, so­wohl den Be­sitz­lo­sen als den ei­gent­lich Rei­chen das po­li­ti­sche Stimm­recht ab­zu­spre­chen: als den zwei un­er­laub­ten Men­schen­klas­sen, an de­ren Be­sei­ti­gung sie ste­tig ar­bei­ten muß, weil die­se ihre Auf­ga­be im­mer wie­der in Fra­ge stel­len. Eben­so muß sie al­les ver­hin­dern, was auf die Or­ga­ni­sa­ti­on von Par­tei­en ab­zu­zie­len scheint. Denn die drei großen Fein­de der Un­ab­hän­gig­keit in je­nem drei­fa­chen Sin­ne sind die Ha­be­nicht­se, die Rei­chen und die Par­tei­en. – Ich rede von der De­mo­kra­tie als von et­was Kom­men­dem. Das, was schon jetzt so heißt, un­ter­schei­det sich von den äl­te­ren Re­gie­rungs­for­men al­lein da­durch, daß es mit neu­en Pfer­den fährt: die Stra­ßen sind noch die al­ten, und die Rä­der sind auch noch die al­ten. – Ist die Ge­fahr bei die­sen Fuhr­wer­ken des Völ­ker­wohls wirk­lich ge­rin­ger ge­wor­den?

      Die Be­son­nen­heit und der Er­folg. – Jene große Ei­gen­schaft der Be­son­nen­heit, wel­che im Grun­de die Tu­gend der Tu­gen­den, ihre Ur­groß­mut­ter und Kö­ni­gin ist, hat im ge­wöhn­li­chen Le­ben kei­nes­wegs im­mer den Er­folg auf ih­rer Sei­te: und der Frei­er wür­de sich ge­täuscht fin­den, der nur des Er­folgs we­gen sich um jene Tu­gend be­wor­ben hät­te. Sie gilt näm­lich un­ter den prak- ti­schen Leu­ten für ver­däch­tig und wird mit der Hin­ter­hal­tig­keit und heuch­le­ri­schen Schlau­heit ver­wech­selt: wem da­ge­gen er­sicht­lich die Be­son­nen­heit ab­ge­ht, – der Mann, der rasch zu­greift und auch ein­mal da­ne­ben­greift, hat das Vor­ur­teil für sich, ein bie­de­rer, zu­ver­läs­si­ger Ge­sel­le zu sein. Die prak­ti­schen Leu­te mö­gen also den Be­son­ne­nen nicht, er ist für sie, wie sie mei­nen, eine Ge­fahr. An­de­rer­seits nimmt man den Be­son­ne­nen leicht als ängst­lich, be­fan­gen, pe­dan­tisch – die un­prak­ti­schen und ge­nie­ßen­den Leu­te ge­ra­de fin­den ihn un­be­quem, weil er nicht leicht­hin lebt wie sie, ohne an das Han­deln und die Pf­lich­ten zu den­ken: er er­scheint un­ter ih­nen wie ihr leib­haf­tes Ge­wis­sen, und der hel­le Tag wird bei sei­nem An­blick ih­rem Auge bleich. Wenn ihm also der Er­folg und die Be­liebt­heit feh­len, so mag er sich im­mer zum Tros­te sa­gen: "so hoch sind eben die Steu­ern, wel­che du für den Be­sitz des köst­lichs­ten Gu­tes un­ter Men­schen zah­len mußt, – er ist es wert!"

      Et