Karl Kiesewetter

Der Occultismus des Altertums


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desselben beging, begreiflich. Die Magier werden überhaupt in keiner alten entschieden zoroastrischen Urkunde persischen oder baktrischen Ursprungs als Diener der Religion erwähnt. Jedoch trat die Zersetzung und Entstellung der ursprünglichen und nationalen iranischen Lehre des reinen Mazdeismus der Ghâtâs und der ersten Fargards der Vendidad-Sâde bei den Medern schon frühzeitig durch ihre Berührung mit turanischen Elementen ein, bevor sie das ganze Medien genannte Land erobert hatten.

      Indessen charakterisieren Herodot und die andern alten Schriftsteller den eigentlichen Geist des ursprünglichen Mazdeismus sehr richtig, indem sie die Perser als ein Volk hinstellen, welches Götzendienst und fremde Religionen verabscheute und deshalb auf seinen Kriegszügen den Kultus anderer Völker zu zerstören suchte, Tempel verbrannte, die Götterbilder vernichtete, wertvolle gottesdienstliche Geräte als Beute mitschleppte, die Priester beschimpfte und tötete, die Feier religiöser Feste verhinderte, heilige Tiere tötete und sogar die Gräber entweihte. – Kambyses in Aegypten ist das Prototyp des persischen Fanatismus.

      Wenn aber Herodot auf die positive Seite des Mazdeismus einzugehen versucht, so sehen wir mit Erstaunen, daß er nicht einmal den Namen des Ahuramazdâ kennt. Er spricht von einem Kultus der Sonne, des Mondes, des Feuers, der Erde, des Wassers und der Winde, also von einer Religion, welche mit dem Geiste des Zendavesta nicht das Mindeste gemein hat und weit mehr der der Veden oder gar der alten akkadischen Zauberbücher gleicht. Hiermit stimmt überein, daß Herodot ausdrücklich die Magier, die Vertreter der alten protomedischen Religion als die Priester dieses Kultus nennt.[76]

      Der Gestirndienst war im medischen Magismus sehr ausgebildet, obschon er in den Zendschriften nur wenig und zwar in neueren unter fremden Einflüssen stehenden Teilen hervortritt. Gegen das Ende der persischen Herrschaft jedoch hatte er – wie auch in den am spätesten Zendbüchern – große Bedeutung gewonnen.

      Daß dieser von den Magiern herrührende Kultus bei den Medern eine Hauptrolle spielte, bezeugt übrigens auch Herodot in seiner Schilderung der sieben Mauern Ekbatanas, welche mit den Farben der sieben Planeten bemalt waren. Wir begegnen dieser Sitte noch zu Gazaka, dem „zweiten Ekbatana, der Stadt mit den sieben Ringmauern“ und zur Zeit der Sassaniden an dem Palaste Bahram-Gurs. Dieser Brauch entstammt direkt chaldäo-babylonischer Anschauung, denn der siebenstöckige Thurm zu Borsippa wurde nach seiner Wiederherstellung durch Nabukudurussur ebenfalls mit den sieben Planetenfarben bemalt, und das Gleiche war bei dem Zipurrat, dem heiligen Turm des Palastes zu Khorsabad der Fall.

      Der babylonische Gestirn- und Planetendienst gelangte gleich dem Anatkultus vermutlich durch die Assyrier zu den medischen Turanern und zwar während deren langer Berührung mit der Kultur der Euphratländer; dann ging er auf die Magier über, welche ihn hinwiederum auf die Perser und andern iranischen Völker übertrugen.

      Erwähnt sei, daß die Lehre von Zrvâna-akarana, „der unbegrenzten Zeit“, der gemeinsamen Quelle des Ahuramazdâ und Angrômainyus, eine von der Sekte der Zervanier herrührende Entstellung der ursprünglichen mazdeischen Lehre ist. Eudemius, der Lieblingsschüler des Aristoteles, welcher diese Person wie das aus ihr entspringende dualistische Paar sehr eingehend behandelt, bezeichnet sie ebenfalls als eine Schöpfung der Magier.[77] Auch ist es von Interesse, hier eine Angabe des Berosus zu erwähnen, wonach derselbe Name Zrvâna auch der mythischen Personifikation der alten turanischen Rasse, welche in der chaldäisch-babylonischen Legende vom Ursprung der Rassen in Armenien auftritt, beigelegt wurde. In den Bruchstücken der akkadischen Zaubertexte begegnet man aber ebenfalls Anschauungen, welche denen der Auffassung der Zrvâna-akarana entsprechen. In derselben emanieren aus Mul-ge sowohl gehässige Götter wie Namtar, als gnädige, die Dämonen bekämpfende Götter, wie z. B. Nin-dara; auch aus Ana entspringen sowohl Dämonen, als auch der Feuergott, welcher den Charakter eines Deus averruncus, eines die Dämonen vertreibenden Gottes trägt. Betrachten wir die Trias: das Urwesen Ana und den dem düstern Mul-ge entgegengesetzten holden Ea, die drei Götter, welche die Akkader über die drei Weltzonen setzten, so werden wir bei Zrvâna-akarana, Ahuramazdâ, und Angrômainyus nur unwesentliche Modifikationen finden.

      Aus dem medischen Magismus ist indessen noch mehr hervorzuheben als das gemeinschaftliche Urprinzip, aus welchem Ahuramazdâ und Angrômainyus hervorgingen. Während nämlich im echten Mazdeismus der Perser Ahuramazdâ allein verehrt und Angrômainyus mit Verwünschungen überschüttet wurde, wurden im Magismus das gute wie das böse Prinzip in gleicher Weise verehrt. Plutarch erzählt[78], daß die Magier dem Angrômainyus (Ἄιδης, Ἀρειμάνως) Opfer darbrachten, und beschreibt die drei üblichen Gebräuche, welche hauptsächlich in der Darbringung des Sumpfgrases (ὄμωμι) bestanden, das mit dem Blute eines Menschen benetzt und an einem finstern Ort aufbewahrt wurde. Herodot[79] läßt Amnestris, die Gemahlin des Xerxes, welche dem Einfluß der Magier gänzlich ergeben war, „dem Gotte der Finsterniß und der untern Regionen“ sieben Kinder opfern; auch berichtet er von einem ähnlichen Opfer, welches die Perser auf ihrem Zug nach Griechenland beim Übergang über den Strymon zu Ehren desselben Gottes verrichtet haben sollten. Der Brauch der Menschenopfer ist aber ebenso wie die Anbetung des Angrômainyus den Grundprinzipien des Zoroastrismus durchaus zuwider, auch wiederholt er sich sonst in der Geschichte der Perser nicht, weshalb er wohl als ein Rückfall in den Magismus zu betrachten ist.

      Der medische Magismus steht insofern auf einer tieferen Stufe wie die akkadische Magie, als in ihm das böse wie das gute Prinzip gleichmäßig verehrt wurden. Aber, wie es scheint, rührt dies daher, daß die Meder einen ihrer Hauptgötter vor der iranischen Einwanderung und Eroberung in Schlangengestalt verehrten, ein Brauch, welcher sich mehrfach bei den turanischen Völkern findet. So war bei den Akkadern die Schlange eine Erscheinungsform des Ea und ein häufig gebrauchtes religiöses Symbol. So legt z. B. ein akkadischer Zauberhymnus einem Gott – vielleicht Ea – folgende Worte in den Mund:

      „Wie die gewaltige siebenköpfige Schlange ihre Köpfe heftig schüttelt, so schwinge ich die siebenköpfige Waffe.

       Wie die Schlange, die die Wogen des Meeres peitscht, ihren Feind von vorn angreift,

       So führe auch ich die Verheererin in tobendem Schlachtgetümmel, die Beherrscherin von Himmel und Erde, die siebenköpfige Waffe.“

      Bei der Vermischung der protomedischen Religion mit den iranischen Überlieferungen mußte sich der alte Schlangengott mit dem iranischen bösen Prinzip zu einem Wesen verschmelzen, um so mehr, als in der iranischen Überlieferung Angrômainyus Schlangengestalt angenommen hatte, um in den Himmel Ahuramazdâs zu gelangen. Da nun die turanischen Ureinwohner Mediens wohl sicher größere Neigung ihren alten Schlangengott als den iranischen Ahuramazdâ zu verehren besaßen, mußte der Kultus des Angrômainyus so recht zu der mit magischen Gebräuchen verbundenen Volksreligion werden, und hier haben wir auch die Wurzel aller späteren Schlangen- und Teufelskulte zu suchen, deren ursprüngliche Bedeutung verloren gegangen war. – Direkte Nachkommen der alten Angrômainyusverehrer sind die noch heute im nördlichen Mesopotamien lebenden Yezidis oder Teufelsanbeter, deren Religion noch ganz die alte dualistische ist, die aber nur das böse Prinzip verehren, weil das gute keine Anbetung verlange.

      Hervorgehoben muß noch werden, daß seit Artaxerxes Memnon der persische Mithra eben dieselbe Vermittlerrolle zwischen der Gottheit und der Menschheit ausübt wie der akkadische Silik-mulu-khi. So wird auch Mithra „der Freund“ genannt, was als iranische Übersetzung des akkadischen Beinamens des Silik-mulu-khi, „der den Menschen Gutes zuwendet“, gelten kann. Jedenfalls hat Mithra im Magismus die Stellung irgend eines vermittelnden, dem akkadischen Silik-mulu-khi entsprechenden Gottes in der protomedischen Religion mit Ähnliches bedeutendem Namen innegehabt.

      Was nun den eigentlichen Ritus der Magier anlangt, so sind nach Ansicht aller mazdeischen Schriften die Beschwörungs- und Zaubergebräuche des medischen Magismus nur ein Werk und eine Erfindung der Yâtus, der Feinde des Zoroaster, weshalb dieselben ausdrücklich untersagt und mit strengen Strafen belegt werden.

      Die Weissagung übten die Magier, wie schon oben gesagt, hauptsächlich durch das Loswerfen mit Tamariskenstäben aus. Das in späterer Zeit das Hauptabzeichen der Diener des mazdeischen Kultus bildende Bareçma ist nichts als ein Bündel solcher Wahrsagestäbe, deren Anwendung in Persien unter dem Einfluß der Magierkaste Eingang gefunden hatte.