Karl Kiesewetter

Der Occultismus des Altertums


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unbedingt erforderlich, um die vollkommene Ruhe der Seele zu erlangen, ebenso wie „der Leib ganz ohne Bewegung, dem Holze gleich, ohne Empfindung und Regung festgehalten und alle seine Pforten der natürlichen Ausgänge verschlossen gehalten werden müssen.“

      Übrigens kommen in Manus Gesetzbuch mehrere Stellen vor, welche noch äußere Mittel nennen, die zur Erreichung des inneren Schauens mithelfen sollen, wie das Schauen in Feuer, Sonne oder Mond – also Autohypnose – Opfer, Gesänge und endlich der berühmte Somatrank. Der Somatrank gilt als unerläßlich zur Vollendung der Yoga und soll in jenen magischen Zustand versetzen, in welchem die Yogis sich über alle Welten erheben und – mit Brahma vereint – das All durchschauen. Nach Decandolle ist der Somatrank der Milchsaft der Asclepias acida (Cynanchum viminale), und der genannte Botaniker spricht sich über denselben folgendermaßen aus: „Dieser Saft ist scharf und reizend und kann in größerer Gabe leicht giftig werden, und in manchen Fällen werden die Nerven wie von narkotischen Mitteln afficiert, die besser als erstarrend bezeichnet werden können, da sie die Bewegungsthätigkeit der Nerven hemmen, ohne einen betäubenden Schlaf hervorzurufen.“ Ähnlich sagt Windischmann in seinem bekannten Werk über die Anwendung des heiligen Trankes, daß der Genuß des Somatrankes schon in älterer Zeit als ein heiliger Akt und gleichsam als ein Sakrament betrachtet wurde, wodurch die Vereinigung mit Brahma bewirkt werden sollte, leuchtet aus mehreren Zeugnissen der indischen Schriften ein; öfter heißt es: „Paradschapati selbst trinke diese Milch, die Essenz aller Nahrung und Wahrnehmung, die Milch der Unsterblichkeit.“

      Oben wurde der eigentümlichen Methode, durch systematisch gehemmtes Atmen das Blut mit Kohlensäure zu überladen und so ekstatische Zustände zu erzeugen, gedacht. Nach dem Oupnekhata ist der Vorgang folgender: Voraus geht ein Gebet:

      „Brahma ist ein unvergängliches Wesen, reines Licht in einer heiligen Wohnung, und so ist auch die denkende Seele eine Offenbarung jener lichtausstrahlenden Kraft. Ich sinne im Geiste jener Lichtkraft – Brahma – nach, durch ein verborgenes Licht geleitet, das in mir selbst wohnt, und durch das ich denke, welches in meinem Herzen ist. Der allerhöchste Brahma, der die sieben Welten erleuchtet, wolle meine Seele mit ihrem Lichte erleuchten.“

      Dann heißt es weiter:

      „Um die weiße Magudschi (Betrachtung) zu machen, soll man sich auf eine viereckige Basis setzen, auf die Fersen nämlich, und dann die neun Pforten verschließen. Die beiden untern durch die Fersen, die Ohren durch die Daumen, die Augen durch die Zeigefinger, die Nase durch die mittleren, die Lippen durch die vier andern Finger. Die Lampe im Gefäß des Körpers wird dann bewahrt vor Licht und Bewegung, und das ganze Gefäß wird Licht. Wie die Schildkröte muß der Mensch alle Sinne in sich hineinziehen, das Herz dann in der Mitte der Öffnung hüten, dann wird Brahma in ihn eintreten als Feuer, Blitz. In dem großen Feuer in der Herzöffnung wird eine kleine Flamme aufwärts lodern, und in ihrer Mitte Atma sein. Und wer alle weltliche Lust und ihre Weisheit in sich zerstreut, wie ein Habicht ist er durch die Fäden des Netzes gebrochen und ist mit Brahma eins geworden. Wie die Flüsse, nachdem sie einen großen Raum durchlaufen, eins werden mit dem ungebundenen Meer, so diese sich absondernden Menschen; sie werden selbst Brahma, selbst Atma. Im Großen der Großen und der Große der Großen ist mit seinem Lichte Alllicht; wer ihn als Brahma erkennt, wird Brahma. Hunderttausendmal hunderttausendfaches Sonnenlicht reicht nicht an das Licht dessen, der Brahmatma geworden ist. Atma selbst zeigt ihm seine Gestalt. Eben darum gelangt nicht jeder zu dieser Höhe, weil Atma ihre Sinne von sich treibt, daß sie nur Äußeres sehen. Wer daher diesen Weg zu Brahma einschlägt, muß aller Welt und Lust entsagen, die Scham nur bedecken, einen Stock nur führen und so viel Almosen nehmen, als zur Fristung des Lebens nothwendig ist. Dies thun aber nur noch die Kleineren; der Große wirft Gefäß und Stock weg und liest auch nicht die Oupnekhata. Brahma erkennt die Luft als seine Decke; er heftet sich an nichts, er ist nicht geschieden und nicht gebunden mit irgend etwas; für ihn ist nicht Tag und nicht Nacht, nichts als Atma, und Brahma ist ihm Alles.“

      Analog heißt es in den Upanischads:

      „Das Herz wandelt in der Zeit des Wachens an Orten, wohin das Auge, das Ohr und die andern Sinne nicht gelangen und gewährt schon so ein großes Licht. Ebenso wandelt es im Traume an entlegene Orte und zündet den andren Sinnen ein großes Licht an. Im tiefen Schlaf ist es eins und ungetheilt und hat nicht seines Gleichen im Leibe; es ist das Princip aller Sinne. Der Fähige vollbringt seine Werke mittelst des Herzens, und der Erkennende erkennt durch das Herz, auch ist es der Beweggrund aller Opfer. Es ist die Leuchte des Leibes und der Mittelpunkt desselben und aller Sinne Mitte. In ihm wohnt die Erinnerung und alle Überlegung. In seinen Banden ist der vergangene, gegenwärtige und zukünftige Zustand der Welt, alles Vergängliche; es selbst aber ist unvergänglich. In der Herzhöhle wohnt die unsterbliche Person nicht größer als ein Daumen, in der Mitte des Geistes, diese Person ist klar wie eine rauchlose Flamme. In dieser Höhle ist Brahmas Wohnung, eine kleine Lotosblume, ein kleiner Raum, der von ätherischem Licht erfüllt ist. Was das sei, was darin ist, sollte erforscht und erkannt werden. Derselbe Äther, wie er außen ist, ist auch innerhalb jenes kleinen Raumes im Herzen und in ihm sind Himmel und Erde enthalten, und das Feuer und der Wind, und Sonne und Mond, und der Blitz und die Gestirne. Alles ist und ist nicht an diesem Ort. Und wenn Einer sagt, daß hierin Alles enthalten ist und alles Verlangenswerthe, was bleibt dann übrig, wenn Brahmas Wohnung, welche im Herzen ist, altert und vergeht? Darauf muß erwidert werden: jener zarte Äther altert nicht und wird nicht getödtet mit dem Leibe. Er ist wahrhaftig und Brahmas Wohnung, in welcher Alles enthalten ist. Er ist der Geist, von allem Übel weit entfernt, dem Alter, der Krankheit, dem Tode nicht unterworfen. Wer diesen Atma nicht erkennt, geht aus der Welt und in alle Welten, seiner nicht mächtig, und zieht aus, den Lohn der Werke zu empfangen, der ihm gebührt. Die aber von hier weg gehen, den Geist erkennend, die gehen ihrer und ihrer Wünsche mächtig und empfangen ewigen Lohn. Wem der Schleier der Unwissenheit und des Irrthums vom Herzen genommen wird, wer die Gestalt des zarten Äthers angenommen hat, dem ist alles Wünschenswerthe gegenwärtig. Wie der Nichtwissende über einen in der Erde verborgenen Schatz wegschreitet und ihn nicht findet, so wissen die Menschen nicht, wohin sie gehen und mit wem sie alle Tage zusammenkommen, wenn sie – in tiefen Schlaf versinkend – wirklich zu Brahma eingehen und einkehren in jenen innern Äther. Wer aber den Geist erreicht, der sieht, wenn er auch äußerlich nicht sieht, der wird gesund, wenn er auch krank ist. Ihm wird die Nacht zum Tag, das Dunkel zum Licht, er ist sich offenbar, und diese offenbare Gegenwart ist die Welt des Brahma selbst. Wer sie gewinnt, der ist aller Orten und auf alle Weisen, wie er will, zu jeder Zeit; wenn er sich von aller Anhänglichkeit an die Sinnenwelt geschieden hat, ist er wahrhaftig.“

      Nach Manus Gesetzbuch hat die Seele drei Zustände der Erkenntnis: das Wachen, der Traumschlaf und die durch die Yoga hervorgerufene Ekstase.

      Das Wachen in der äußern sinnlichen Welt gilt den Indiern nicht als ein wahres Erkennen, denn Unwissenheit und Bethörung walten vor wegen der Anhänglichkeit an äußere Dinge und der Begierde nach deren Besitz. Daher die Habsucht, die Anhänglichkeit an das Vergängliche und sinnlich Handgreifliche, das Trachten nach falschen Gütern, die Unbeständigkeit und das Gemisch von gut und böse, hohem und niedern, Laster und Tugend, Tier und Mensch. Dieser Zustand entspricht der Finsternis nach den verschiedenen Stufen vom ersten Erwachen ins irdische Dasein bis zur Intelligenz und allem Raffinement in den Künsten und Wissenschaften.

      Im Traumschlaf herrscht noch der Sonnendienst in Bildern; die Seele schwebt noch im Dämmerlicht in Bewegung zwischen Freude und Leid, Liebe und Haß, zwischen Kühnheit und Furcht vor Gefahren. Das ganze Leben ist ein Traumleben voll Eitelkeit, ohne je das wahre Ziel zu erreichen; jedoch ist es schon der Übergang zum wahren Erwachen in Brahmas Welt.

      Die Ekstase öffnet erst das wahre Licht der Erkenntnis, und das rechte Wachen ist ein Schauen eines dem gemeinen Auge unsichtbaren unzugänglichen Lichtes. Hier wird erst das innere Auge aufgeschlossen, und das Sehen ist nicht mehr das sinnliche, dem Zufall und dem natürlichen Licht preisgegebene verwirrbare, sondern es ist das Hellsehen, das Durchschauen der Dinge. – Die Ekstase hat aber verschiedene Grade des innern Erwachens, in welchem die Yogis in tiefen Schlaf versenkt und wie die im Traumschlaf Befangenen der Welt entrückt sind, und in den niedern Stufen herrscht Ohnmacht und Ruhe und halbaufgeschlossener innerer Sinn wie im Traumschlafe. Alle Menschen verfallen täglich