ist, während darüber hinaus stete Ruhe und Seligkeit herrscht.
Diese dem Wandel unterworfene Sinnenwelt zerfällt in drei Abteilungen nach den drei Dimensionen des Raumes. In diesen drei Abteilungen sind vierzehn Klassen von Wesen verteilt nach den drei Grundkräften, mit denen die Natur wirkt. Denn gleichwie der Zusammenfluß von drei Strömen nur einen bildet, oder wie durch Vereinigung von Öl, Docht und Flamme das Licht entsteht, so wirken die drei Grundkräfte durch Vereinigung der feindlichen Gegensätze zu einem Zwecke hin. Die drei Grundkräfte sind folgende:
1. Tamas, Finsternis, Unwissenheit und niedere Selbstsucht, bei welcher das Gewissen und die Scham wegen böser Handlungen eintritt.[263] Diese Eigenschaft ist in Erde und Wasser vorherrschend, weil diese Elemente abwärts streben. Zu ihr gehören fünf Abteilungen der untersten Weltzone, die Tierwelt und die leblosen Körper. Deshalb findet auch bei Menschen, in denen diese Eigenschaft vorherrscht, die Metempsychose in niedere Tierkörper statt, sodaß die größten Sünden wie Ehebruch, Zerstörung religiöser Gebäude die Seelenwanderung in die niedersten Tierkörper, ja sogar den Übergang in Pflanzen und Mineralien nach sich zieht.
2. Maya, die Täuschung oder der Schein. Dieselbe herrscht in der Luft vor und ist beim Menschen ein passiv-leidenschaftlicher Zustand, in welchem die Vernunft gefangen genommen ist. Bei ihm findet eine Metempsychose in menschliche oder höchstens übermenschliche Wesen niederster Gattung statt. Sie hat in der mittlern, nur von einer Wesensreihe – der menschlichen – bewohnten Weltzone die Oberhand. In ihr herrscht die Leidenschaft, weshalb sich der Mensch gegen dieselbe wappnen und seine Sinne beherrschen soll.
3. Satya, die Wesenheit, Wahrheit, Tugend. Sie herrscht im Feuer vor, weil dieses nach oben steigt. Bei dem Menschen ist sie die harmonische Wirksamkeit aller Seelenkräfte und das Streben nach dem Guten und Wahren, bei dessen Obwalten bei der Metempsychose eine beständige Vergöttlichung stattfindet, ähnlich wie sich der Neuplatoniker Hierokles in folgenden Versen ausdrückt[264]:
„Dann wirst du froh in den reinen Äther dich singend erheben,
Vom Tod auf ewig befreit, bist du unsterblicher Gott dann!“
Bevor aber die Seele, wie es in der Bhagavadgita heißt[265], nach dem zerrissenen und abgenutzten Gewand ein neues anzieht oder vom Mund zum Himmel sich erhebt, muß sie vor den Totenrichter Yamas kommen, der ihr das Verzeichnis ihrer Thaten vorliest, worauf sie in dem Fall, daß in ihrer Incarnation die Sünde vorherrschte, eine Zeit lang ohne körperliche Hülle in verschiedenen Höllen büßen muß. Dieselben sind Fegefeuer mit furchtbaren Einrichtungen, wie glühende Betten, Schlammgruben &c., zur Peinigung der sündigen Seelen. Erst wenn eine solche Seele je nach dem Grad ihrer Sündhaftigkeit eine größere Anzahl Höllen durchwandert hat, kann sie einen neuen Körper anziehen und behufs ihrer Besserung den Weg der Reincarnation weiter beschreiten.
Die Guten kommen direkt in das Paradies Indras, wo sie in seliges Anschauen, in Ekstase versinken.
In der sogenannten „Theosophie“ oder dem esoterischen Buddhismus ist unendlich viel von den sieben Grundteilen des Menschen die Rede, ohne daß jedoch im Entferntesten diese Lehre etwas dem Buddhismus oder der indischen Religionsphilosophie Eigentümliches wäre. Im Gegenteil finden wir bei allen philosophischen, religiösen und occultistischen Lehren, die auf pantheistischer Grundlage ruhen und ein Emanieren der Seele aus Gott annehmen, ein Zerlegen des nicht körperlichen Menschen in mehrere, keineswegs stets sieben Grundteile; im Gegenteil ist die Zahl derselben eine sehr schwankende. Der Annahme mehrerer Grundteile des übersinnlichen Menschen liegt die Folgerung zu Grund, daß die eigentliche als Teil der Gottheit emanierte Seele weder leiden noch sündigen könne. Darum giebt man ihr noch mehrere mehr oder weniger niedere Grundteile bei, um Leiden, Sünde, Leidenschaft usw. erklären zu können. Damit ist die Annahme eines Astralkörpers als ätherisches Grundschema des Menschenleibes eng verbunden. Ich werde die Ausbildung dieser Anschauungen verfolgen und will hier einstweilen nur bemerken, daß die „Theosophie“ eine Entwickelung oder Sublimation der sieben Grundteile aus dem Stoff heraus und empor analog der Entwickelung des Menschen aus dem Urschleim annimmt, um den Umstand erklären zu können, daß in manchem Menschen der göttliche Funke total fehlt oder nur ganz rudimentär entwickelt ist, wie beim Idioten, Verbrecher usw. So ist bei dem Menschen der westlichen Kultur nach „theosophischer“ Anschauung erst der fünfte Grundteil entwickelt, bei den hochbelobten Mahatmas der sechste und erst bei den verschiedenen Buddhas und Christus – ein hirnverbrannter „Theosoph“ zählt neunzehn Christus auf – ist der siebente Grundteil ausgebildet. – Die als die geistigste aller geistigen Lehren und uralt gepriesene „Theosophie“ ist also durchaus materieller Natur und modernsten Ursprungs.
Die „theosophische“ Anschauung entstammt der Sankhyaphilosophie, welche zwischen einer spirituellen und einer sensitiven Seele oder einer Art Astralkörper unterscheidet. Die Gründer der „Theosophie“ haben dann aus den verschiedensten Geheimlehren Brocken aufgelesen, die „Lebenskraft“ hinzugethan und endlich, um der mystischen Zahl Sieben Genüge zu thun, sieben Grundteile glücklich herausgebracht. Davon, daß Paracelsus und Agrippa von Nettesheim wie Helmont wirklich sieben Grundteile annahmen, wußten sie kein Wort, das habe ich erst entdeckt und Herr Franz Hartmann in seinem Paracelsus verwendet. Später wies Herr Franz Lambert die Annahme von sieben Grundteilen bei den Ägyptern und in der Kabbala nach, was indessen ebenso wie meine Entdeckungen für die Echtheit der Theosophie gar nichts beweist, als daß in den ersten beiden Jahren des Bekanntwerdens der Blavatskosophie in Deutschland ein Jagdfieber nach Grundteilen herrschte. Das Zusammentreffen ist ein rein zufälliges und eine durchgehende esoterische Annahme von sieben Grundteilen im Menschen ist nicht im Entferntesten vorhanden. Ich werde den Nachweis führen. Mit der durchgehenden Annahme von sieben Grundteilen aber, die sich einer aus dem andern entwickeln, steht und fällt die ganze Theosophie.
Nach der Sankhyaphilosophie also sind zwar die Seelen aus dem Urgeist – Atma – geflossen, aber wir müssen sie mit Perlen vergleichen, die an eine Schnur gereiht sind. Ein jeder Körper hat seine individuelle Seele, weil sonst jeder Einfluß auf alle zusammen wirken würde, und ebenso hat auch jede Seele ihre Vollkommenheiten und Schwächen, gerade wie eine jede der auf der Schnur verteilten Perlen. Die geistige, „lebende, selbstbewußte“ Seele – jîva, buddhi – ist umhüllt mit einem feinen Leib aus dem feinsten materiellen Äther. Derselbe ist das, was die späteren Philosophen anima sensitiva – bei den Indiern manas – nannten, welches der Sitz der Neigungen und Leidenschaften der Menschen ist, und welchen man durch die geistige Seele, die Vernunft, buddhi, beherrschen muß. Die anima sensitiva führt auch den Namen sûkshmasarîra, „feiner Körper“ – also Astralkörper – und ist der Sitz des Selbstbewußtseins; derselbe wird durch innere und äußere Eindrücke angeregt, ist aber des sinnlichen Genusses so lange unfähig, bis er von einem materiellen Körper umgeben ist. – Derselbe – sthûlasarîra – besteht aus den Elementen, wird durch die Zeugung fortgepflanzt und ist sehr vergänglich, während der „feine Körper“ dauerhafter ist und sich durch eine Reihe von Generationen hindurchzieht, gleich wie derselbe Schauspieler die verschiedenen Rollen seines Repertoirs spielt. Endlich aber wird der „feine Körper“ im Äther aufgelöst, während die Vernunft – buddhi – in der Gottheit aufgeht, ohne dabei ihre Individualität zu verlieren. Dies ist die ewige Seligkeit, die Auferstehung in der Lichtwelt.
Nach der Lehre der Brahmanen ist die eigentliche Aufgabe des höheren geistigen Lebens die Contemplation und Meditation, bis die Seele ganz und gar dasjenige erreicht, womit sie sich ausschließlich beschäftigt. Indem sie sich mit allen Kräften in die Natur dessen, womit sie sich beschäftigt, versetzt und darin aufgeht, so muß sie die ganze Kraft ihres Willens dahin richten, den Gebrauch solcher Mittel zu üben, welche einen derartigen magisch-mystischen Rapport hervorrufen, um durch stufenweise Einweihung und fortschreitende Übung jene mystische Vollendung zu erreichen, in welcher ihnen Brahma selbst erscheint und sich mit ihnen vereinigt.
Diese Mittel sind Buße und strenge Askese. Um die Seele ganz von dem Irdischen loszulösen und sie in völlige Freiheit zu setzen, muß der Yogi genannte Asket allen natürlichen Verhältnissen entsagen, sich gänzlich von der Welt zurückziehen und allem Umgang mit Menschen entsagen, durchaus keusch leben und streng fasten. Auch scheint ein anhaltender Aufenthalt im Dunkeln und eine Überladung des Bluts mit Kohlensäure, herbeigeführt