die indische Religion sich schon sehr bald vom Sabäismus zur Verehrung eines höchsten Wesens erhoben hatte, und es ist leicht einzusehen, daß in Indien, wo kein Eroberer die beschauliche Ruhe der Weisen unterbrach, der Sinn für die religiösen Grundwahrheiten früher geweckt werden mußte, als es in dem von wilden Stürmen bewegten Westen möglich war. Hier begannen die schüchternen, von Sokrates nachmals mit der Moral verbundenen Anfänge der Religionsphilosophie mit Anaxagoras und Xenophanes und nahmen dann unter Pythagoras und Plato einen höhern Aufschwung bis sie in den Lehren der Stoa einen dem Christentum ähnlichen würdigen Ausdruck fanden.
Der vergeistigte Mazdeismus übte mächtigen Einfluß auf die Religion der Juden, unter denen bisher nur die Propheten auf einer höheren Erkenntnisstufe gestanden hatten, während der große Haufe zwischen den polytheistischen Religionen seiner Nachbarvölker hin und her schwankte bis endlich der Stifter des Christentums die Lichtstrahlen des Mazdeismus, des Buddhismus und der hellenistisch-jüdischen Religionsphilosophie in einem Brennpunkt vereinigte und mit einer reinen praktischen Moral verband.
Alle Religionen des Altertums zeigen ein Fortschreiten vom Fetischismus aus durch den Sabäismus und Sonnendienst zur Lichtreligion und Verehrung Eines höchsten Wesens, von welchem die Volksgottheiten usw. nur niedere Potenzen, Emanationen, Attribute &c. sind.
Gerade die indische Litteratur zeigt wie keine andere die Fähigkeit des menschlichen Geistes, von der Bewunderung der menschlichen Natur ausgehend, aus eigner Kraft zum Höchsten sich erheben zu können, und beweist die Nichtigkeit einer erträumten göttlichen Urweisheit und eines Urpriestertums des menschlichen Geschlechts, wie es sich bei den mehr oder weniger von Jakob Böhme abhängigen gläubigen Naturforschern und Naturphilosophen der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts in so aufdringlicher Weise breit macht.
Für den indischen Monotheismus der Indier erheben sich schon früh gewichtige Stimmen. So sagt Philostratus in seinem Leben des Apollonius von Tyana[242], daß in Indien nur eine höchste Gottheit alles leite, daß aber daneben Untergötter angenommen würden. Bardesanes spricht sich dahin aus[243], daß es mehrere tausend Brahminen gebe, die nach Gesetz und Tradition keine Bilder verehrten, weder Fleisch noch geistige Getränke genössen, ohne Falsch seien, ihren Geist allein auf die Gottheit richteten. Selbst der Muhammedaner Abulfeda gesteht zu, daß der gebildete Indier keine Idololatrie treibe, und daß beim Volk endlich die Götterbilder nur zur Fixirung der Andacht dienten. In unserer Zeit bekennt endlich Colebrooke[244], daß der Monotheismus in den Lehren der Vedas genau ausgesprochen, wenn auch nicht immer klar von der Polylatrie geschieden sei; daß er aber in den den Veden folgenden Schriften der Indier, welche sich demnach mit Recht auf die Lehre ihrer religiösen Schriften von der Einheit Gottes beriefen, immer mehr hervortrete.
Das Gesetzbuch des Manu sagt ausdrücklich, daß die Veden nur einen Gott lehren als den Herrn aller Götter und Menschen, den man in jedem Wesen erkennen und verehren müsse, und im allgemeinen schildern die Veden die Gottheit als immateriell, unsichtbar, über alle Vorstellung erhaben, aus deren Werken der Mensch ihre Ewigkeit, Allmacht, Allwissenheit und Allgegenwart erkennen kann; als das göttliche unvergleichlich große Licht, von welchem alles ausgeht, zu dem alles zurückkehrt, welches allein unsern Verstand erleuchten kann und auf gerechte Weise Vergeltung erteilt durch die rollenden Zeiten.[245]
Die Veden lehren: „Es ist ein lebendiger, wahrer Gott, ewig, körperlos, ohne Theile und ohne Leidenschaft, allmächtig, allweise und allgütig, ein Schöpfer und Erhalter aller Dinge. – Er ist allwissend, aber Niemand kennt ihn, den man den großen, weisen Gott nennt. – Gott, der die vollkommene Weisheit ist, ist die endliche Zuflucht des Menschen, der freigebig sein Vermögen spendete, fest in der Tugend war und der den großen Einen kennt und verehrt. – Er ist der Gott, welcher das Weltall regierend durchdringt; er war der Erstgeborene und ruht fort im Mutterleib; er kam in das Licht des Daseins, wohnt im Licht und in Allem, was ist. Der Herr der Schöpfung war früher als das All, er wirkt in allen Wesen und freut sich über seine Schöpfung. Wem sollten wir blutlose Opfer bringen, als ihm, der die ätherische Luft geschaffen wie die feste Erde, ihm, der die Scheibe der Sonne festheftete und des Himmels Wohnung, ihm, der des niedern Luftkreises Tropfen in eine Gestalt brachte? Wem sollten wir unsere Gaben bieten als ihm, den Himmel und Erde im Geiste beschauen?“[246]
„Wer weiß genau, und wer wird in dieser Welt aussprechen, von wannen und warum diese Schöpfung stattgefunden? Die Götter sind später als die Schöpfung. Der im höchsten Himmel der Lenker dieses Alls ist, weiß es; aber kein Anderer kann darüber Kunde haben.[247] – Über den Sonnen hinaus scheint keine Sonne mehr, kein Mond und kein Stern mehr, dort funkelt kein Blitz, sondern die Gottheit strahlt dort allein und giebt dem Universum sein Licht.“
„Es ist kein Größerer als Brahma, der Mächtige, in jedem Raume gegenwärtig, allwissend und einzig. Forsche nicht über das Wesen des Ewigen, noch über die Gesetze, nach welchen er regiert, beides ist eitel und strafbar; dir sei es genug, daß du täglich seine Weisheit, Macht und Güte in seinen Werken schaust. Dies sei dir Heil. Du, o Gott, bist das wahre ewig selige Licht aller Zeiten und Räume; deine Weisheit erkennt tausend und mehr als tausend Gesetze, und doch handelst du allezeit frei und zu deiner Ehre; du warst vor Allem, was wir verehren, dir sei Lob und Anbetung. – Man kann Gott erkennen aus dem Gesetz, das er gegeben hat, und aus den Wundern, die er in der Welt wirkt. Man entdeckt ihn auch durch die Vernunft und den Verstand, welche er den Menschen gegeben, und durch die Schöpfung und Erhaltung aller Dinge. Was er von den Menschen fordert, besteht hauptsächlich in Liebe und Glauben, denn so steht in unserm Gesetz vom Dienste des höchsten Gottes: der Mensch soll ihn lieben, ihn mit Mund und Herz bekennen und soll nichts thun als aus Liebe und Glauben, nach welchem er Gott anrufen und seinen Geboten gehorchen muß, also daß er sich in Allem unverbrüchlich nach seinem Willen richte.“[248]
„Das höchste Wesen ist unsichtbar; niemand hat es je gesehen, und die Zeit hat es nicht begriffen. Sein Wesen erfüllt Alles, und alle Dinge entspringen aus ihm; alle Kraft, alle Weisheit, alle Heiligkeit und alle Wahrheit ist in ihm; es ist unendlich gütig, gerecht und barmherzig; es hat alle Dinge geschaffen, erhält Alles und ist gern unter den Menschenkindern, um sie zur ewigen Glückseligkeit zu führen, die darin besteht, daß man das unendliche Wesen liebe und und ihm diene.“[249]
„Ich diene dem Herrn der Welt, in welchem sie besteht, zu dem sie einst zurückkehrt, und in dessen Licht sie glänzt; dem Herrn, dessen Herrlichkeit ewig und unaussprechlich; der ohne Wechsel ruhend und immer dauernd ist, und zu dem heilige Menschen sich erheben, wenn sie die Finsterniß des Irrthums zerstreut haben.[250] – Als Einsiedler mußt du mit einem aufrichtigen Herzen an Gott denken, an denjenigen Gott, der weder veralten, noch ein Ende haben wird, welcher der Höchste ist, der Allen, die ihn suchen, Verstand giebt; seiner sollst du allein gedenken.[251] – Welchen Vortheil hat man, wenn man die Vedas, Puranas und Shastras liest? Besser ist allezeit an Brahma denken und also seine Seele bewahren, denn diese wird immerdar bestehen, und der, durch welchen weiße Flamingos, grüne Papageien und bunte Pfauen geschaffen wurden, der wird für dich sorgen.“[252]
Soviel über den indischen Monotheismus.
Was nun die kosmogonischen Philosopheme anlangt, so widersprechen sich dieselben in den Veden und namentlich in den Puranas vielfach. Am reinsten treten die Schöpfungstheorien in den Veden entgegen, in welchen es heißt, daß das Weltall durch den bloßen Gedanken Brahmas entstanden sei: „Er[253] dachte, ich will Welten schaffen, und sie waren da!“ oder durch sein Schöpfungswort, welches – wie später in der Gnosis – personificiert erscheint. Im Rigveda erscheint vâch, die Rede, als aktive Kraft Brahmas, welche von ihm als Göttin ausgeht, als die höchste Weisheit und Königin aller Wissenschaft. Alle Wesen durchdringend erzeugte sie erst den als Demiurg gedachten Brahma und ist mit dem Urwesen eins.[254]
Auch Origenes sagt[255], daß die Brahminen sich die Gottheit nicht sowohl als ein Licht denken, verschieden von Sonne und Feuer, sondern auch als Wort (λόγος), göttlich und körperlich, als das Wort der Gnosis, durch welches den Weisen die verborgensten Mysterien sichtbar würden. Ja, ein anonymer Indier äußert sich in seinem Schriftchen De Brahmanis[256]:
„Nam verbum Deus est, hoc mundum creavit, hoc regit et alit omnia. Hoc nos veneramur, hoc diligimus, ex hoc spiritum trahimus, siquidem ipso Deus spiritus est atque mens.“