Karl Kiesewetter

Der Occultismus des Altertums


Скачать книгу

ist, in einem Zustand also, dem ein heiliger Wandel, eine Verachtung alles Irdischen vorhergehen muß.“

      Plethon endlich sagt:

      „Obgleich die Seele mit dem Leib verbunden ist, so vergesse sie doch ihren himmlischen Ursprung nicht, beklage sich aber auch nicht, daß ihr der schmutzige Leib zur Hülle gegeben wurde, ebenso wenig als sie auf die himmlischen Güter und göttlichen Eigenschaften stolz sein darf, mit welchen sie der Vater so reichlich bedachte.“

      Aphorismus elf in allen drei Fassungen lautet der Reihenfolge nach:

      1. „Weil die Seele ein durchsichtiges Feuer ist, so bleibt sie unsterblich und die Herrin des Lebens.“

      2. „Weil die Seele ein leuchtendes Feuer ist, darum ist sie unsterblich und Herrin des Lebens.“

      3. „Weil sie ein lichtes Feuer ist und unsterblich . . . .“

      Die drei Kommentatoren sagen:

      1. „Das Irdische ist das Vergängliche, das Geistige das Unvergängliche. Nur des letzteren können wir verlustig gehen, und deshalb ist die Seele die Herrin des Lebens, d. h. des ewigen Lebens.“

      2. „Die Seele ist immateriell, stofflos, daher unvergänglich, weil sie nicht aus auflösbaren Stoffen zusammengesetzt ist. Sie nimmt nichts von der Finsterniß an, weil sie keinen Körper hat; sie ist also eitel Licht.“

      3. „Unter dem Feuer sind die geistigen Fähigkeiten verstanden, mit welchen die Seele des Menschen begabt ist.“

      Bei Plethon folgt nun als zwölfter, bei Psellos als achtzehnter ein kurzer Aphorismus, der in der ersten Fassung fehlt:

      „Suche das Paradies!“

      Plethon sagt kommentierend nur, daß unter Paradies der lichtumflossene Aufenthalt der reinen Seelen zu verstehen sei; Psellos dagegen äußert sich folgendermaßen:

      „Die Chaldäer verstehen unter Paradies den Chorus von sämmtlichen Eigenschaften der Gottheit, welche ihn als besondere Personificationen umgeben.[228] Dem Unwürdigen wehrt ein feuriges Schwert. Daselbst findet man alle Tugenden, welche den Menschen gottähnlich machen.“

      Der zwölfte Aphorismus der ersten Fassung, bei Psellos der siebzehnte und bei Plethon der dreizehnte hat dieser Reihenfolge nach folgenden Wortlaut:

      1. „Verunreinige nicht den Geist und ziehe ihn nicht in die Tiefe hinab.“

      2. „Beflecke nicht den Geist und ziehe

       Sein Lichtgewand nicht in die Tiefe.“

      3. „Verunreinige nicht den Geist.“

      Der bedeutsamste Kommentar dieses Spruches ist der erste:

      „Die Pythagoräer und Platoniker denken sich die Seele auch nach dem Tode nicht vom Körper getrennt. Sie theilen nämlich die Seele in einen unsterblichen Geist, der vom Himmel stammt, und in die Thierseele. Ersterer kehrt nach dem Tode in den Äther zurück, Letztere[229] bewohnt noch einige Zeit den Körper bis zu seiner gänzlichen Auflösung. Die Wünsche, von welchen sie während des Lebens bewegt wurde, beschäftigen sie noch jetzt, während ihr die Organe zur Befriedigung derselben fehlen[230]; sie sind nach der Erde gerichtet und verhindern die volle Befriedigung des Geistes. Das sind die Dämonen, welche unstät umherirren; sie verunreinigen den Geist und ziehen ihn in die Tiefe hinab. Die reineren Seelen hingegen, welche sich schon im leiblichen Leben dem Ewigen zuwendeten, vereinigen sich nach dem Tode sogleich mit dem Urquell des Lichts. Das ist, was die Jünger Zoroasters lehren.“

      Psellos sagt, daß die Chaldäer der Seele zwei Gewänder zuerteilen, deren eines (es ist der Astralkörper gemeint) aus den feinsten Stoffen der Sinnenwelt gewebt, das andere aber ätherisch, lichtglänzend und unfaßlich sei. Der Spruch warne, beide mit sündigen Lüsten zu beflecken. – Plethon äußert sich folgendermaßen:

      „Die Pythagoräer und Platoniker nehmen mit Zoroaster eine dreifache Seele an, nämlich die Thierseele, welche vom Leibe unzertrennlich ist und mit diesem aufhört zu sein. Höher als diese steht die mit Vernunft begabte Seele des Menschen, welche aber durch die Verbindung der Seele mit dem Körper der Versuchung sich zu verunreinigen ausgesetzt ist, aber auch durch den Sieg über die Versuchung die Unsterblichkeit sich zu bewahren vermag. Die höchste Stufe nehmen die Seelen der Dämonen ein, deren Hülle eine feinere ist und nicht aus materiellen Stoffen besteht, weshalb sie auch nicht dem Verderbniß einer gebrechlichen Natur ausgesetzt ist. Über diesen stehen die Planetenintelligenzen, deren Hülle aus reinem Licht besteht.“

      Bei Plethon folgt nun als vierzehnter Aphorismus der bei den Andern fehlende Spruch:

      „Vernachlässige aber auch nicht den Leib.“

      mit dem kurzen Kommentar:

      „D. h. man schwäche ihn nicht absichtlich, um sich aus diesem Leben früher zu befreien, als es der Wille der Vorsehung beschlossen hat.“

      In der ersten Fassung der Orakel folgt nun als dreizehnter, nachstehender, bei Psellos gleichlautender und in seiner Reihenfolge erster, bei Plethon aber fehlender Aphorismus:

      „Auch von dem Schattenbild der Seele ist ein Theil eitel Licht.“

      Der anonyme Kommentator bemerkt hierzu:

      „Das Schattenbild der Seele ist die thierische Psyche im Menschen, welche zwar mit dem bessern Ich desselben in Wechselwirkung steht und insofern also von dem göttlichen Theil im Menschen einiges Licht empfängt, aber an sich selbst der Vernunft beraubt ist und nur den Einflüsterungen der Sinne gehorcht.“

      Psellos sagt:

      „Schattenbilder oder Idole sind bei den Philosophen solche Dinge, welche an sich selbst schlechter oder den bessern untergeordnet sind, aber doch mit ihnen eine gewisse Ähnlichkeit besitzen, wie z. B. der menschliche Verstand ein Theil der Gottheit, aber doch dem Irrthum unterworfen ist. Vom Verstand ist nun wieder die Thierseele im Menschen in gleichem Abstand; sie hat nur materielles Streben und ist deshalb ein Schattenbild des Geistes. Dieser begiebt sich nach seiner Trennung vom Leibe in die Lichtregion. Zoroaster will also sagen: Nicht blos die mit Vernunft begabten Seelen können in die vollkommen erleuchtete Region versetzt werden, sondern auch die Thierseele im Menschen, wenn dieser tugendhaft wandelte. Hier weicht also der Grieche vom Chaldäer ab, insofern Ersterer die Thierseele sich nach ihrer Trennung vom Leibe im Weltenraum unbewußt verflüchtigen läßt, d. h. ihr die Fortdauer abspricht.“

      Aphorismus vierzehn und fünfzehn der ersten Fassung (bei Plethon fehlend) lauten:

      „Überlasse auch nicht deine Seele der Hefe der Materie.“

      „Überlasse auch nicht die Hefe deiner Seele dem Abgrund, damit sie bei ihrer Trennung vom Körper nicht zu Schaden komme.“

      Bei Psellos zwei und drei:

      „Überlasse auch nicht die Hefe der Seele dem Abgrund

       Damit sie nicht bei der Trennung vom Körper zu Schaden komme.“

      Der erste Kommentar nennt diese Aphorismen:

      „Eine Ermahnung, daß die Seele stets über sich wache und nicht den Anfechtungen des Leibes unterliege, wodurch sie mit ihm ins Verderben sinkt. Damit ist vor der Strafe der Seelenwanderung gewarnt, welcher alle verfallen, die während ihres Erdenlebens dem Körper, d. h. der Hefe der Seele, eine zu große Macht einräumen.“

      Psellos sagt:

      „Unter Hefe der Seele ist der aus den vier Elementen zusammengesetzte Körper verstanden. Der Jünger wird also ermahnt: Nicht nur die Seele erhebe zu Gott, sondern suche auch ihr Kleid, nämlich den Leib, zu erheben. Abgrund ist Erde, auf welche die aus dem Himmel verwiesene Seele herabgeschleudert wurde. Wie läßt sich aber diese Ermahnung anders befolgen, als indem man den Körper dem Scheiterhaufen übergiebt. Oder ist die Läuterung durch göttliches Feuer gemeint, wie wir an Henoch und Elias sehen, die es wegen ihrer Auffahrt zum Himmel noch bei lebendigem Leibe wohl in ihrer Vervollkommnung so weit gebracht hatten, daß sie nur noch einen ätherischen