Karl Kiesewetter

Der Occultismus des Altertums


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Gesetz steht geschrieben: Als der Urstier tot war, ging aus dem Mark seines Leibes Samen in Mannigfaltigkeit aus, wie es heißt: Aus dem Marke kamen Schöpfungen verschiedener Art, denn im Marke liegt alles verborgen. Aus den Hörnern des Stiers wuchsen die Früchte, aus seiner Nase die Laucharten, aus seinem Blute die Trauben, aus denen der Wein gekeltert wird, welcher das Blut vermehrt. Aus seiner Brust keimte Espand[208], welches gegen Fäulnis und Hauptkrankheiten dient.

      Als der Same des Stiers im Mondhimmel gereinigt worden war, wurden aus ihm verschiedene Tiergattungen gebildet, zuerst zwei Stiere männlichen und weiblichen Geschlechts. Darauf setzte Ahuramazdâ von jedem Tierpaare eines auf die Erde, welche sich in Iran-vedj vermehrten und einen Hesar von drei Farsangs mit mit ihren Jungen anfüllten.[209] Diese Tiere blieben tausend Tage und tausend Nächte ohne Nahrung, danach tranken sie Wasser und nährten sich von den Bäumen.

      Aus dem Stierpaar wurden zuerst Ziegen und Schafe, dann Kameel und Rindvieh und endlich Pferd und Esel geschaffen. Diese wurden zuerst und zum Gebrauch der Reinen erzeugt. In zweiter Linie schuf Ahuramazdâ Soweje[210], dessen Lauf schnell ist, und den Hirsch, Tiere, die keine Hand zähmt. Drittens schuf Ahuramazdâ die Wassertiere.

      Diese Tiere teilte Ahuramazdâ in fünf Gattungen: in solche mit gespaltenem Huf zum Gebrauch der Reinen, in Tiere mit ungespaltenem Huf, in Tiere mit fünf Klauen, in Vögel und Fische. – Im Bun-Dehesch werden die Säugetiere in 282, die Vögel und Fische in je zehn Arten geteilt.

      Es ist auch von einem mystischen Hund Sura am Himmel nach der Seite des Gestirns Haftorang zu die Rede, den Ahuramazdâ zur Wache über die Menschen und zum Schutz der Tiere schuf. Wenn Menschen und Tiere zusammenkommen, ist er in der Welt und bewacht sie. Er ist es, welcher durch die Hilfe des Arduisurwassers aus einem Menschen eine unzählige Menge hat entstehen lassen. Sein Haar ist ihm Kleid, und er wacht mit Thätigkeit und Größe.

      Der lebendige Sa (Wolf) ist vom Haupte der bösen Geister geschaffen und richtet unter den Herden viel Unheil an. In Abwesenheit des Hundes vermehrt er die Furcht.

      Ahuramazdâ sagt: Ich habe den Vogel Varescha in großer Anzahl wider das Böse in der Welt geschaffen und besonders wider den, der – durch das Gesetz erleuchtet – häufig die Werke Angrômainyus thut. Ich habe ihn geschaffen, damit die Wünsche des Menschen Darvand nicht erfüllet werden. Du wirst dich nicht sättigen können, wenn du den Wasservogel schlägst. Ohne den Vogel Varescha würde Angrômainyus Darvand alle Arten von Übeln über die Körper verhängen; die Welt würde nicht bestehen können.[211]

      Der Hund Sura vervielfältigt alle Tierarten, und Angrômainyus zerrüttet eines wie das andere, daß zuletzt nur eines übrig bleibt.

      Nach dem Tode Kaiomorts wurde dessen Same durch das Licht der Sonne gereinigt, und nach Ablauf von vierzig Jahren ging eine Reivaspflanze aus der Erde hervor, die wie ein Baum aufwuchs fünfzehn Jahre mit fünfzehn Sprößlingen. Dieser Baum ist wie zwei nebeneinander gestellte Körper, da einer dem andern die Hand ans Ohr hält und beide – so miteinander vereinigt – gleichsam ein Leib sind.[212] – Sie waren so genau miteinander verbunden, daß man weder männliches noch weibliches voneinander unterscheiden, noch sehen konnte, ob Ahuramazdâ das männliche Glied zuerst erschaffen habe, wie gesagt wird in Hinsicht auf das Erstgeschaffene, ob es das Glied oder der Leib gewesen. Ahuramazdâ sagt davon, daß er zuerst die Hand und darauf den Körper gemacht und dann jenes Glied dem Körper angefügt habe; daß er dem Körper seine eigentümliche Wirkungskraft anerschaffen, um sein Werk zu thun und zu leben. Aber die Seele ist von ihm vor dem Körper erschaffen worden. Wie Körper und Seele aus Pflanzenwesen in Menschenwesen umgebildet waren, so bekam das Glied von Ahuramazdâ seine Stelle, und die Seele nahm ihre Wohnung im Körper.

      Der Baum wuchs empor und trug zehn Menschenarten als Früchte.

      Ahuramazdâ redete von Meschia und Meschiane. Der Mensch als Weltvater wurde. Der Himmel ward ihm bestimmt mit der Bedingung der Herzensdemut, Gehorsam gegen den Willen des Gesetzes, der Reinheit in Gedanken, der Reinheit in Reden, der Reinheit in Thun und Lassen, und daß er keine Dews anbete. Durch Beharren in diesem Geist sollten der Mann zum Glücke des Weibes und das Weib zum Glücke des Mannes leben. So waren auch im Anfang ihre Gedanken und ihre Werke. Sie nahten sich einander und hatten Gemeinschaft zusammen.

      Anfangs sprachen sie: Ahuramazdâ ist es, von dem Wasser und Erde, Bäume und Tiere, Sterne, Sonne, Mond und alles Gute kommt, das reine Wurzel und reine Frucht hat. Darauf bemächtigte sich Angrômainyus ihrer Gedanken, verdarb ihre Seele und gab ihnen ein, er sei es, der Wasser und Erde, Bäume und Tiere und alles Gute geschaffen habe. Das glaubten sie, und so gelang es Angrômainyus, sie gleich anfangs zu betrügen durch Irrtümer in der Lehre von den Dews, und von Anfang bis zu Ende suchte der Grausame nichts als Betrug. Meschia und Meschiane wurden durch den Glauben an diese Lüge Darvands, und ihre Seelen müssen bis zur Neubelebung der Leiber im Duzakh verharren.

      Meschia und Meschiane kleideten sich dreißig Tage lang schwarz; danach gingen sie auf die Jagd und fanden eine weiße Ziege, aus deren Zitzen sie die Milch sogen; die war ihnen liebliche Nahrung. Meschia und Meschiane sprachen: ich habe noch nichts so angenehmes genossen wie diese Milch, sie hat mich ungemein erquickt. Das war aber ein Übel für ihren Körper, denn dadurch sündigten sie gegen ihren Leib und wurden gestraft.

      Angrômainyus, dessen Rede ganz Lüge ist, zeigte sich – durch jenen Betrug noch beherzter – ihnen zum zweiten Mal und gab ihnen Früchte, die sie aßen. Dadurch verloren sie die hundert Glückseligkeiten, die sie bisher genossen hatten, bis auf eine. Nach dreißig Tagen und dreißig Nächten kam ein fetter weißer Schöps zu ihnen, dem sie das linke Ohr abschnitten. Die himmlischen Izeds hatten sie gelehrt, Feuer aus dem Konarbaum zu ziehen, dessen Holz sie mit einem scharfen Eisen rieben. Beide legten das Feuer an den Baum und machten durch ihr Blasen, daß es in einer Flamme ausschlug. Zuerst brannten sie Holz von Konarbaum, darauf von Datteln und Myrten. Den Schöps brieten sie und teilten ihn dreifach, und von den zwei Teilen, die sie nicht aßen, wurde ein Teil durch den Vogel Kehrkas gen Himmel getragen.

      Anfangs kleideten sie sich in Hundsfelle, denn Hundefleisch war ihre Speise, danach jagten sie fleißig und machten sich Kleider von den Fellen des Rotwilds.

      Es steht auch geschrieben, daß Meschia und Meschiane eine Öffnung in die Erde machten. Darin fanden sie Eisen, woraus sie eine Axt fertigten, nachdem sie es mit Steinen geschärft hatten. Diese legten sie einem Baum an die Wurzel, hieben ihn ab und bauten sich eine Wohnung, ohne Gott zu danken. Dadurch bekamen die Dews große Gewalt über sie. Einer wurde der Feind des andern, einer entbrannte in Neid und Haß gegen den andern, einer lehnte sich gegen den andern auf, schlug und beschädigte ihn und erlitt ein Gleiches. Endlich schrie der Fürst der Dews aus seiner finstern Wohnung gewaltig: O, betet an, ihr Menschen, betet an die Dews! Der Dew des Neides und des Hasses setzte sich auf seinen Thron. Meschia nahte sich, zog Milch von seiner Kuh und goß sie nordwärts aus. Dadurch bekamen die Dews größere Macht, und Meschia und Meschiane wurden unfruchtbar. In fünfzig Jahren dachten sie an keine leibliche Vereinigung. Am Ende der fünfzig Jahre bekam Meschia zuerst Lust zur Zeugung und danach Meschiane. Meschia sprach zu Meschiane: Ich möchte deine Schlange sehen, denn die meinige erhebt sich mit Macht. Danach sprach Meschiane: O Bruder Meschia, ich sehe deine große Schlange, sie fährt auf wie ein leinen Tuch. Darauf sahen sie sich, und dieses Sehen ward ihnen verderblich, denn sie thatens mit Ausschweifung, indem jedes bei sich selbst dachte: schon seit fünfzig Jahren hätte ich das thun sollen. Nach neun Monaten wurden ihnen Zwillinge, ein Knäblein und ein Mägdlein, geboren. Von diesen geliebten Kindern pflegte die Mutter das eine und der Vater das andere. In der Folge nahm ihnen Ahuramazdâ diese Lieblinge ab und sorgte für ihre Erziehung; sie blieben auf der Erde. Meschia und Meschiane sahen noch sieben Paar Nachkommen männlichen und weiblichen Geschlechts von ihnen. Alle waren Brüder und Schwestern. Jedes Paar zeugte Kinder bis zum fünfzigsten Jahr und gegen das hundertste starb es. Unter diesen sieben Paaren waren Siamakh, der Mann, und Veschak, die Frau, welche wieder zwei Kinder beiderlei Geschlechts miteinander hatten, Frevak und Frevakein.

      Von diesen wurden fünfzehn Paare Kinder geboren, von denen ein jedes die Eltern eines besonderen Volkes wurde, und auf welche alle Völker der Erde zurückgehen. – Dabei sei nebenbei bemerkt, daß im Bun-Dehesch monströse Menschen – ähnlich wie bei