Karl Kiesewetter

Der Occultismus des Altertums


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was nicht zu vermeiden, verunreinigt worden, so muß er sich durch das Wasser reinigen.

      Das Wasser wird im Zendavesta eben so hoch gepriesen als das Feuer. Es gehört mit zum Ursamen aller Dinge, und das reinste Himmelswasser fließt vor dem Throne Ahuramazdâs, es belebt die Natur, reinigt die Körper der Natur, giebt ihnen Nahrungssaft, Samen, Gehirn, Verstand, Mark und Kraft, Milch und Fruchtbarkeit zur Zeugung, es erneuert die Wesen und giebt Überfluß aller Art. Ahuramazdâ hat das Wasser dem Menschen zum Schutz gegen die Dews und ihre Erzeugnisse gegeben; es hat einen heiligen Ized und muß des Morgens beim Krähen der Hähne angerufen werden. Das Wasser ist – wie Feuer und Licht – Symbol alles Guten und unterstützt das Feuer in seinen Wirkungen. So wie das Feuer alle Geschöpfe durchdringt und in allen Geschöpfen Wirkungen des Lebens äußert, so auch das Wasser, welches den Lebenssaft aller Menschen, Tiere und Pflanzen enthält.

      Die Parsen haben zwei heilige Wässer, Zur und Hom. Das Wasser Zur wird zu Mitternacht unter mancherlei Ceremonien und Gebeten aus gemeinem Wasser bereitet, während Hom, das Wasser des Lebens und der Unsterblichkeit, aus dem Saft des Hombaumes bereitet wird.

      Die Fälle, in welchen der Parse der Wasserreinigung bedarf, sind: nach Verrichtung der Notdurft, bei Frauen nach der Menstruation, das Kind nach der Geburt, überhaupt nach jeder Verunreinigung usw. usw. Ist der Parse verhindert, sich zu reinigen, so ersetzen Reue und Gebet die Reinigung.

      Auch die gesetzlichen Strafen gelten als Reinigungsmittel, und die reinigende Kraft der Todesstrafe ist so groß, daß die Sünde dadurch getilgt und der Sünder in Gorotman aufgenommen wird.

      Das Fasten hält Zoroaster weder für nötig, noch für verdienstlich, noch überhaupt für erlaubt. Er befiehlt Mäßigkeit, aber der Parse soll seinen Leib pflegen, damit er Ahuramazdâ zu Ehren wirken und gegen die Dews kämpfen könne, und damit der Hunger seinen Geist nicht von der Aufmerksamkeit auf das Gesetz abziehe. Die religiösen Feste der Parsen beziehen sich auf die Schöpfung und das Naturleben überhaupt. So die sechs je fünftägigen Gahanbars auf die sechs Perioden der Schöpfung, das allerheiligste No-ruz (Neujahr) als Frühlingsfest auf die Vollendung der Schöpfung, auf den Triumph Kaiomorts über den Dew Eschem, auf die Schaffung des ersten Menschenpaares und die Neubelebung der Natur an diesem Tag. Dem No-ruz ist die Mithrafeier Mehrdjan als Herbstfest entgegengesetzt.

      Drittes Kapitel. Auszug aus dem Bun-Dehesch[179], der parsistischen Kosmogonie.

      Im Urbeginn wurde Ahuramazdâ und Angrômainyus das Wesen mitgeteilt. Darauf nahm die Welt ihren Anfang und was sie sein wird bis ans Ende, bis zur Wiederherstellung aller Dinge.[180] Ahuramazdâ lebt erhaben über alles mit höchster Weisheit und Heiligkeit im Lichtkreise der Welt. Dieser Lichtthron[181] Ahuramazdâs wird „das erste Licht“ genannt und ist als alles übertreffende Weisheit und Reinheit Ahuramazdâs Gesetz.

      Ahuramazdâ und Angrômainyus sind im Laufe ihrer Existenz allein „das Volk der unbegrenzten Zeit“. Der wahre Schöpfer ist die Zeit, welche keine Schranken kennt, nichts über sich und keine Wurzel hat, die ewig gewesen ist und ewig sein wird. Deshalb spricht der Verständige nicht: Woher ist die Zeit gekommen? In der Größe, worin die Zeit war, war nichts Geschaffenes, das sie Schöpfer nennen konnte, denn es war noch nichts geschaffen. Darauf ward Feuer und Wasser, und aus ihrer Vereinigung Ahuramazdâ. Die Zeit war der Schöpfer und führte die Herrschaft über alle Geschöpfe. Ahuramazdâ war in der Zeit und wird sein in Ewigkeit.

      Angrômainyus wohnt mit seinem Gesetz in der ersten Finsternis und war allein ihre Mitte. Die beiden Urprinzipien, in Unendlichkeit des Guten und Bösen verschlungen und ohne Grenzen der Fortdauer, wurden sichtbar durch Vermischung. Ihre Wohnungen, des großen Ahuramazdâ erstes Lichtreich und Angrômainyus Urfinsternis, waren ebenfalls ohne Grenzen. Sie lebten einsam in der Mitte dieser Abgründe, und einer näherte sich dem andern. Ein jedes dieser Wesen war durch seine Hülle begrenzt. – Angrômainyus weiß alles, wie Ahuramazdâ, und beide haben alles, was ist, geschaffen. Ahuramazdâ ist ohne Grenzen, denn er durchschaut die Schranken der Macht beider in Unendlichkeit verschlungenen Wesen. Angrômainyus ist Sklave und König.

      Ahuramazdâs Volk wird bis zur Auferstehung der Toten endlos dauern, ewig wie der Lauf der Wesen.

      Die Genossen des Angrômainyus werden, wenn dereinst die Toten neu belebt sind, schwinden. Er selbst wird ohne Ende sein.

      Ahuramazdâ kannte durch seine ihm von der unbegrenzten Zeit gegebene allumfassende Wissenschaft das listige Unterfangen der argen Wünsche des Angrômainyus, wie er bis an das Ende der Dinge seine Werke mit den Werken des guten Wesens vermischen dürfe, und wie seine Macht sich endigen werde.

      Darauf sprach Ahuramazdâ: Ich muß durch meine Macht das Volk des Himmels schaffen. Da schuf er in dreitausend Jahren den Himmel und sein Volk. Und Angrômainyus, fort und fort auf Böses sinnend zum Widerstand des Guten, war unbekümmert um das, was vorging. Angrômainyus wußte nicht, was Ahuramazdâ wußte.

      Endlich erhob sich der Grundarge und näherte sich dem Licht. Wie er nun Ahuramazdâs Licht erblickte, wollte er, dem nie Gutes in den Sinn kommt, der nichts denkt, als wie er als Druscht alles schlagen und zerstören mag, er wollte das Licht verschlingen. Aber durch dessen Schönheit, Glanz, Erhabenheit geblendet, stürzte er von selbst in seine vorige dicke Finsternis zurück und zeugte ein großes Heer von Dews und Druschts zur Plage der Welt.

      Ahuramazdâ, der alles weiß, erhob sich, sah Angrômainyus Volk, sein gräßlich-schreckliches Volk; sein Hauch war Fäulnis, Bosheit und der Schöpfung unwert. Angrômainyus erblickte das Volk Ahuramazdâs, das Volk in Scharen, das Volk in Herrlichkeit, über welches der in Ewigkeit verschlungene den Schöpfungsrat fassen mußte, das der Schöpfung wert war und welches Ahuramazdâ für würdig erklärt hatte.

      Ahuramazdâ indessen, welcher wußte, daß zuletzt Angrômainyus Werk doch ein Ende nehmen müsse, bot ihm Friede und sprach: O Angrômainyus, hilf der Welt, die ich geschaffen habe, ehre sie, und deine Schöpfung soll unsterblich sein, nicht altern, sich nicht zerrütten und nie Mangel haben.

      Angrômainyus, der Lügenvater, schuf Akuman, den ersten der Dews und Widersacher Bahmans.

      Der Himmel war die erste Schöpfung Ahuramazdâs in der reinen Welt; ihm ward Bahman vorgesetzt. Er sah, daß seine Schöpfungen bis zur Auferstehung dauern würden, und ließ Ardibehescht, Schahriver, Sapandomad, Chordad und Amerdad der Folge nach werden. In der dunkeln Welt schuf Angrômainyus Akuman, Ander, Savel, Nakaed, Tarik und Zaretsch.

      Nach dem Himmel schuf Ahuramazdâ das Wasser, die Erde, die Pflanzen, die Tiere und die Menschen.

      Ahuramazdâ ließ Licht werden zwischen Himmel und Erde, Fixsterne und Planeten, Sonne und Mond, wie gesagt ist: Er schuf anfangs den Himmel. Die Fixsterne der Sichtbarkeit ordneten sich in zwölf Gestirne wie in eben so viel Stammmütter. Ihre Namen sind: Lamm, Stier, Zwillinge, Krebs, Löwe, Ähre, Wage, Scorpion, Bogen, Steinbock, Schöpfeimer und Fische. Diese Konstellationen sind seit ihrem Ursprung in achtundzwanzig Kordehs[182] männlichen Geschlechts eingeteilt, welche heißen: Pesch, Parviz, Peruesch, Pehe, Aveser, Beschen, Rekhad, Tarehe, Avre, Nehn, Meian, Avdem, Maschahe, Sapner oder Sapur, Hohro, Srob, Nor, Guel, Grefsche, Vareand, Gao, Goi, Moro, Bonde, Kehtser, Veht, Meian, Keht.

      Alle diese Gestirne wurden anfangs geschaffen, um in der Welt immerfort Stand zu halten, damit, wenn der Feind sich darstellt, wenn Peetiaré[183] selbst zu schaden trachtet, durch ihren Beistand die Geschöpfe von den Übelthätern gerettet werden.

      Dieser Sterne sind sechstausend und vierhundert und zwanzigtausend zum Dienst des großen Gestirns geschaffen worden. Noch hat Ahuramazdâ an den vier Enden des Himmels vier Wachen aufgestellt, welche auf die Fixsterne achten müssen. Ein jeder steht da als Wächter seines Kreises und seiner Himmelsgegend durch seine Kraft und Macht, er, der Schöpfer der Sternenheere, wie gesagt ist: Taschter schützt den Osten, Satevis den Westen, Venand den Mittag und Haftorang den Norden.

      Meschgah ist ein großer Stern in der Mitte des Himmels, und wenn der Feind mit seinem Heer herannaht, so deckt derselbe – auch Rapitan genannt – den Mittag. Um den Gah Rapitans[184] lobsingt Ahuramazdâ