der Zeugung sagt das Gesetz, daß eine Frau, nachdem sie vom Daschtan[213] gekommen ist, innerhalb zehn Tagen und zehn Nächten nach ihrer Empfängnis schwanger wird. Der Beginn ihrer Schwangerschaft ist das Ende ihrer Periode. Ist der Same des Mannes kräftiger, so wird ein Knabe geboren, ist es der weibliche Same, ein Mädchen. Hat der Same von Mann und Frau gleichviel Kraft und Geist, so wird die Geburt zwei- und dreifach. Tritt der Samen des Mannes zuerst aus, so wird die Frau Mutter; quillt aber der weibliche Samen zuerst, so ist es bloßes Blut, und sie hat Ungemach davon.
Der Samen des Weibes ist blutähnlich und kommt aus der Seite als eine weißlich-rot-gelbe Flüssigkeit. Der feurige und trockene Samen des Mannes quillt aus dem Haupt und Marke, ist flüssig, weiß, stark und in Menge ausschießend. Sobald der weibliche Samen in die Mutter dringt, ist er wirksam; der männliche bedeckt ihn und erfüllt die Mutter; aller nachmalige geht in die Adern der Mutter und wird zu Blut, und nach der Geburt wird er zu Milch, der Nahrung des Kindes, denn alle Muttermilch kommt vom männlichen Keime.
Vier Dinge sind Mutter. Himmel, Metalle, Wind und Feuer sind zeugende Väter und werden nie etwas anderes; aber Wasser, Erde, Bäume und Mond sind weiblich ohne alle Verwandlung. Alles übrige ist männlich und weiblich.
Das Gesetz spricht von fünf Arten Feuer: vom Feuer Berezesengh in Ahuramazdâ und den Königen; von Voh freiann in den Menschen und Tieren; von Oruazescht in den Tieren und Gewächsen; von Vazescht, dem Feuer des Blitzes und dem Feuer des Beehenescht, welches den Bedürfnissen des Menschen dient und aus dem das heilige Feuer Behram zubereitet wird. Das Behramfeuer stammt aus der reinsten Lichtmaterie aller Feuer.
Nachdem der Menschenkörper im Mutterleib gebildet ist, kommt die Seele vom Himmel herab und belebt ihn. So lange er durch sie lebt und sich bewegt, begleitet sie ihn unablässig. Wenn der Mensch stirbt, wird sein Leib Staub, und die Seele kehrt in den Himmel zurück.
Im Bun-Dehesch folgt nun eine Art mystischer Zoologie, worin namentlich dargestellt ist, welche Tiergattungen gegen gewisse Dämonen schützen, eine Anschauung, welche sich bekanntlich bis in das Mittelalter fortspinnt. Aus den diesbezüglichen Anführungen des Bun-Dehesch will ich nur folgende, als bei den Juden, den Neuplatonikern und im Mittelalter noch besonders in Ansehen stehend mitteilen, obschon die Erinnerung an die Quelle dieser Anschauung verloren gegangen war:
Der Hahn ist den Dews und Zauberern feind. Er unterstützt den Hund, wie im Gesetz steht: Unter den die Druschts plagenden Geschöpfen vereinigen der Hahn und der Hund ihre Kräfte. – Das Gesetz sagt: wenn der Hund und der Hahn gegen Druscht streiten, so entkräften sie ihn, der sonst Menschen und Vieh peinigt. Daher heißt es: Durch ihn werden alle Feinde des Guten überwunden; seine Stimme zerstört das Böse. Der Hund verlangt vom Menschen nichts als Fleisch und Fett; ihm es geben, ist Quelle der Gesundheit, die Ahuramazdâ schenkt. Nichts Schädliches darf ihm gegeben werden. Wer ihm – auch unbewußt – etwas Faules giebt, der muß von den Desturs, welche die fünf nötigen Eigenschaften haben, gestraft werden. Nährt man ihn aber mit dem, was vorgeschrieben ist, so macht man alle Dews zu Schanden.
In der deutschen Volkssage spielt bekanntlich ein dreibeiniger gespenstiger Schimmel eine bedeutende Rolle, während im Bun-Dehesch von einem ähnlichen dreibeinigen weißen Esel die Rede ist. Offenbar walten hier uralte Reminiscenzen arischer Völker ob, deren Sinn verloren gegangen ist.
Vom Wasser wird im Bun-Dehesch allerlei Mystisches berichtet: Das erste Wasser ist das der Pflanzen; das zweite, das aus den Bergen quillt und Quellen bildet; das dritte Wasser ist der Regen; das vierte das in Brunnen gegrabene; das fünfte der menschliche und tierische Samen; das sechste der Schweiß; das siebente das Rückenmark; das achte der Urin; das neunte der Speichel; das zehnte das menschliche und tierische Fett; das elfte der menschliche und tierische Lebenssaft; das zwölfte der von unten aufsteigende Baumsaft, von welchem es heißt: Der Saft in den Bäumen gleicht Wassertropfen, die ausquellen, wenn man den Baum nahe an das Feuer legt. Das dreizehnte Wasser endlich ist die Milch der Tiere und Menschen.
Wenn alle diese Dinge ein Nefa[214] berührt oder wenn ein aus dem Wasser gezogener Leichnam oder ein Stück davon sich wieder mit dem Wasser der Ruds vermischt, alsdann sind, wie geschrieben steht, die drei Ruds: Arg, Muru und Itmand, sie die himmlischen, mit Unreinheit geschlagen; ihr Fluß tränkt die Welt nicht mehr; und wenn eine Frau nach unzeitiger Geburt aus dem besondern Ort ihrer Entfernung dieses Wasser anschauet, so zeigt sich in diesen Fällen das Wirken des Menschenfeindes.[215] Aber Zoroaster hat auch dafür gesorgt, denn Ahuramazdâ spricht: Ich gebe euch das sechste Wasser Zur. Wen ihr damit begießt, der gelangt zur ersten Reinheit. Von diesem Wasser heißt es: Wenn wenig Her[216] und viel Zur ist, so kommt das Wasser in drei Jahren wieder zur Quelle; sind Her und Zur gleich, so geschieht es in sechs Jahren; ist aber mehr Her als Zur, so bedarf es neun Jahre, und dann kehrt es zurück, um den Bäumen Glanz zu geben.
Es folgt im Bun-Dehesch wieder eine längere naturgeschichtlich-mystische Exkursion, aus welcher ich nur hervorheben will, daß die Affen als eine Art Dews betrachtet werden, erzeugt aus der Ehe der Schwester Djemschids mit einem Dew. Bekanntlich hält noch Luther in seinen Tischreden die Affen für Teufel.
Hinsichtlich der Chronologie will ich nur folgende Stellen des Bun-Dehesch anführen.
Es heißt, daß im Jahr, durch der Monate Lauf Wärme und Kälte und Kälte und Wärme sich innerhalb sechzig Tagen zweimal miteinander vereinigen. Die Monate Farvardin, Ardibehescht, Chordad machen Frühling; Tir, Amerdad, Schahriver Sommer, Meher, Avan, Ader Herbst und Din, Bahman und Sapandomad sind Wintermonate. Die Sonne vollendet vom Kordeh Vareh (Widder), bis sie wieder an diesen Ort kommt, in ihrem Lauf 365 Tage und fünf kleine Zeitteile. Das macht ein Jahr. Alsdann kehrt sie dahin, woher sie gekommen ist. In drei Monaten durchläuft sie drei Himmelszeichen mehr oder minder sichtbar und kehrt wieder zurück.
Alle Zeit vollendet sich in zwölf Jahrtausenden. Im Gesetz steht, daß das Himmelsvolk in den ersten drei Jahrtausenden allein war, daß damals das Heer des Feindes nicht in die Welt ausstreifte. Kaiomorts und der Stier machen bis zur Erscheinung der Welt drei andere Jahrtausende. Das sind also sechs Jahrtausende. Diese Tausende Gottes bilden sich ab in den sechs ersten himmlischen Zeichen: Lamm, Stier, Zwillinge, Krebs, Löwe, Kornähre. Diese begreifen die sechs Jahrtausende Gottes.
Nach den Tausenden Gottes kam die Wage. Angrômainyus lief aus in die Welt.
Nach der Zeitrechnung des Bun-Dehesch würde die Gegenwart unter dem Zeichen des Steinbocks stehen.
Ich will bemerken, daß die Verteilung der Zeit unter die Himmelszeichen und Planeten auf die ganze Astrologie nachwirkte.
Noch sei erwähnt, daß auch im Bun-Dehesch die biblische Anschauung von einem paradiesischen unschuldigen Urzustand der Natur vertreten ist. Es heißt:
„Vor des Feindes Ankunft in der Welt hatten die Bäume weder Dornen noch Rinde. Seit Angrômainyus Peetiaré, der sich in alles, was ist, mischte, tragen sie Stachel und Rinde. Am stärksten wirkte seine Macht auf die Gewächse, denn ihre Schädlichkeit übertrifft alles andere Übel; ihr Giftsaft tötet durch seinen Genuß Menschen und Tiere.“
Von den Druschts heißt es: Dew Tarmat ist der Dew des Hochmuts. Dew Medokht ist Angrômainyus. Dew Areschk ist Urheber des Neids. Der mächtigste dieses argen Volkes ist Dew Eschem, wie geschrieben steht. Sieben Kräfte werden Eschem gegeben zur Zerrüttung der lebendigen Geschöpfe. Durch seine siebenfachen Kräfte schlug er zu seiner Zeit die Keans, lebendige Bewohner der sieben Keschvars. Ein einziger Keschvar kämpfte gegen ihn, Medokht kam dahin, und Areschk ward darüber froh. Eschem kehrte alles um. Eschem eroberte eine Gegend, woselbst er viele Geschöpfe zerrüttete und in großer Zahl zu Grund richtete. Eschem ist es eigentlich, der gegen das von Ahuramazdâ geschützte Volk feindselig handelt. Die Keans, Geschöpfe des Lebens, wurden durch die Bosheit Eschems gedrückt, wie es heißt: Eschem Khruidrosch schuf Dew Odjescht, der Tag und Nacht frißt in der Welt und der Toten Seelen mit Furcht quält, ihnen Schrecken einflößt und vor dem Höllenthor sich aufhält. Er schuf Dew Ode, der den Menschen, er sitze am Orte der Aufmerksamkeit oder speise an einem himmlischen Ort, auf die Schulter schlägt und ihm zuredet, Unreines zu essen, damit er nicht zu den reinen Wohnungen der Seligkeit (Behescht) gelangen möge.
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