Karl Kiesewetter

Der Occultismus des Altertums


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Byzantiner Michael Psellos († 1106) kommentiert wurden, von demselben Psellos, der so viele neuplatonische Schriften dem Untergang entriß und mit Commentaren versah. Auch ist sie den von Marsilius Ficinus mitgeteilten „Symbolen des Pythagoras“ sehr ähnlich.

      Ich habe von dem den magischen Orakeln zu Grund liegenden Original gesprochen und zwar mit Recht, denn die uns heute unter diesem Namen vorliegenden Aphorismen sind ganz offenbar nicht das Original, sondern Fragmente, welche sich in vier verschiedenen Fassungen mit eben soviel Kommentaren erhalten haben. Drei Fassungen tragen neuplatonisches, die vierte anscheinend gnostisches Gepräge.

      Ich wende mich zuerst zu den neuplatonischen Bearbeitungen samt ihren Kommentaren. Der erste Commentator der Orakel ist der oben genannte Psellos, der zweite ist der als Rat des Manuel und Theodor Paläologos und berühmter Philosoph der Renaissance bekannte, wahrscheinlich 1452 gestorbene Georgios Gemistios Plethon, der dritte, aber der hier beobachteten Reihenfolge nach der erste, ist ungenannt. Ich vermute in diesem unbekannten Kommentator einen gewissen Johannes Opsopoeus, welcher diese mystischen Fragmente mit den Kommentaren des Psellos und Plethon unter dem Titel herausgab: Oracula magica Zoroastris cum scholiis unter Plethonis et Pselli nunc primum edita, e bibliotheca regia stud. Joh. Opsopoei, Graec. et Lat. Paris. 1607. 8°. Beigebunden sind noch die sogenannten metrischen Orakel des Jupiter, Apollo, Serapis und der Hekate, sowie die von Joseph Scaliger besorgte Ausgabe der Oneirokritik des Astrampsychus.

      Opsopoeus schickt seiner Zusammenstellung der drei verschiedenen Redaktionen der zoroastrischen Fragmente eine Sammlung von Stellen aus Platos „Alcibiades“, aus Plutarchs „Isis und Osiris“, „Über den Verfall der Orakel“, aus Plinius „Naturgeschichte“, aus Suidas Ammianus Marcellinus, Clemens von Alexandria und Eusebius über die Person &c. Zoroasters voraus, welche wir hier übergehen können. Darauf läßt er die erste Fassung der „Orakel“ mit dem Kommentar des Ungenannten, alsdann die Fassung und den Kommentar des Psellos folgen. An denselben giebt er eine kurze Erläuterung der chaldäischen[223] Religionslehren durch Psellos, aus welcher ich nur herausheben will, daß Psellos sagt:

      „Die Chaldäer nehmen sieben Welten an, eine feurige, drei ätherische und drei materielle, deren letzte die unter dem Mond befindliche irdische ist.“

      Weiterhin sagt Psellos noch, daß nach chaldäischer Lehre die Seelen sich nach dem Tode nach Maßgabe ihres Läuterungsbedürfnisses zerstreuten und sich in teilbare und unteilbare Naturen absonderten. Das Übrige dieses Abschnittes über die chaldäischen Lehren enthält nichts als bekannte exoterische Äußerlichkeiten. Den Schluß des Buches von Opsopoeus bilden die zoroastrischen Orakel in der Fassung, wie sie Plethon kannte, mit dem Kommentar des selben. – Am meisten gleichen sich die erste Fassung der Orakel und die des Plethon; die Fassung des Psellos weicht erheblich ab.

      Ich gebe nun eine vergleichende Zusammenstellung der Orakel sowohl als der Kommentare.

      Der erste Aphorismus in der ersten Fassung lautet:

      „Erforsche den Weg der Seele, woher sie komme und weshalb sie dem Leib dienen müsse. Trachte dahin, daß du sie an den Ort zurückbringst, von dem sie ausgegangen ist.“

      Dieser Aphorismus fehlt bei Psellos und lautet in dieser Fassung des Plethon:

      „Erforsche die Reihenstufe, auf welcher deine Seele steht, welchen Rang sie vor ihrer Verbindung eingenommen; mittelst magischer Worte und Gebräuche wirst du sie zu ihrer früheren Würde wieder aufrichten.“

      Der anonyme Kommentator bemerkt hierzu, daß nach Annahme der Magier die Seele unsterblich vom Himmel herabkomme, um sich auf der Erde mit dem Körper analog dem Verhältnis des Mannes zur Frau zu verbinden und ihn dereinst wieder behufs ihrer Rückkehr in den Himmel zu verlassen. Ob sie aber thatsächlich in den Himmel zurückkehre, komme auf ihr Verhalten während des irdischen Lebens an, ob sie sich nämlich mehr den Prinzipien des Lichts oder der Finsternis zugeneigt habe &c. „Darauf deutet nun ermahnend der Spruch hin, daß wir über den reinen Spruch der Seele nachdenken sollen; denn kennen wir den Weg, welchen sie aus dem Himmel genommen hat, so wird sie ihn auch zurückfinden.“ – Bestimmter spricht sich Plethon aus:

      „Die Magier aus der Schule Zoroasters glaubten, daß die Seele wegen früherer Verschuldung mit dem Körper sich verbinde, sich aber derselben in dieser Verbindung nicht mehr entsinnen könne. Nur wenn die Seele während ihres irdischen Aufenthaltes einen tugendhaften Wandel geführt habe, stehe ihr die Rückkehr in die himmlische Heimat frei. Weil aber mannigfache Wohnungen der Seele bereitet sind, so ist es natürlich und begreiflich, daß der Aufenthalt der einen ein lichtumflossener, der der andern ein undurchdringliches Dunkel sein muß. Der Zug der Seele führt sie dahin, wo ihr die während der Verbindung mit dem Leibe begangenen Handlungen eine Stelle anweisen. Das Orakel ermahnt uns daher, daß wir über den Ursprung der Seele und über unsere Handlungen auf Erden nachdenken und darauf durch Gebet und gottgefällige Ceremonien ihre Erhebung in den Himmel zu bewirken trachten.“

      Unter diesen Ceremonien sind die sogenannten „theurgischen Hülfen“ zu verstehen, welche nach Philo und den Neuplatonikern, wie überhaupt nach den Mystikern aller Zeiten in der Zurückgezogenheit von der Welt und Stille, in der Enthaltsamkeit von überflüssiger Nahrung, Fleischspeisen, alkoholischen Getränken und physischer Liebe, in der Zurücksetzung weltlicher Geschäfte, Meditation und Betrachtung gewisser Worte und Symbole bestehen. Von diesen sagt Proklos[224]:

      „Die Vollbringung geheimer, über alle Vernunft gehender, den Göttern wohlgefälliger Handlungen und die Kraft der von den Göttern allein erkannten unaussprechlichen Symbolen gewährt nur die theurgische Vereinigung. Daher wird sie nicht durch das Denken bewirkt, und wir bringen sie nicht durch die Thätigkeit der Vernunft in uns hervor. Die göttlichen Charaktere oder Symbole (συμβολα oder συνϑηματα) bringen vielmehr, ohne daß wir denken, die theurgische Vereinigung (ϑεουγικην ἑνωσις, bei Porphyrius συνουσια) hervor, also daß die verborgene Kraft der Götter, worauf sich jene beziehen, durch sich selbst ihre eigenthümlichen Bilder erkennt.“[225]

      Der zweite sich dem Sinn nach völlig an den ersten anschließende Aphorismus lautet in der ersten Fassung:

      „Wende dich nicht rückwärts! Das Verderben ist auf der Erde, und sieben Wege sind es, welche dich vom Bessern abziehen und dem Schicksal unterwerfen.“

      Dieser Aphorismus fehlt bei Psellos und lautet in der Fassung des Plethon:

      „Damit du nicht zum Abgrund hinneigst und abermals dem Schicksal verfällst.“

      Der anonyme Kommentator versteht unter dem „Verderben“ das Laster, die sittliche Verdorbenheit und das sittliche Elend; unter Erde den irdischen Leib, die sinnliche Natur, unter „Feuer“ das Göttliche im Menschen. Die sieben den Menschen dem Schicksal unterwerfenden Wege sind die sieben nach der alten Weltanschauung von den Planeten abhängigen Kardinalfehler, die Todsünden der katholischen Kirche. Nach diesem Kommentator erhebt sich der Mensch durch die Anwendung seiner sittlichen Kraft über das Fatum oder die vorher bestimmte Versuchung, indem er der unsittlichen Neigung, welche sich, je nach dem in ihm herrschenden Temperamente, seiner Seele am meisten zu bemächtigen droht, den kräftigsten Widerstand entgegensetzt.

      Plethon versteht unter dem „Abgrund“ die Erde als Gegensatz zur Lichtwelt und giebt dem Aphorismus folgenden Sinn: „Lebe so, daß du vor der Wiederverkörperung behütet werdest, denn solltest du zu einem abermaligen Wandeln auf der Erde verurteilt werden, so befindest du dich wieder unter der Herrschaft der Nothwendigkeit.“

      Der dritte Aphorismus lautet in der ersten Fassung und bei Plethon übereinstimmend:

      „Dein Gefäß werden die Thiere der Erde bewohnen“ und beide Kommentatoren verstehen einstimmig unter dem „Gefäß der Seele“ den Leib, und unter seinen Bewohnern die Würmer. Psellos dagegen, in dessen Fassung dieser Aphorismus der Reihenfolge nach der neunzehnte ist, versteht unter „Gefäß“ das Temperament des aus allen Elementen zusammengesetzten Leibes, und unter den Bewohnern des Gefäßes die sich eines jeden Menschen, der seine Leidenschaften nicht beherrschen kann, sich bemächtigenden Dämonen nach dem Grundsatz, daß Gleiches von Gleichem