Franz von Seeburg

Die Hexenrichter von Würzburg


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Ernste. »Und noch mehr! Er tut das mit eigener großer Gefahr, denn alle die Hochweisen am Gerichte behaupten steif und fest, solches sei helle Ketzerei, und man dürfe sowenig Hexen und Unholde leugnen als unseren Herrgott selbst, und es liefen der Hexen wohl hundert und tausend durch das Land und suchten Menschen und Vieh und alle Erdenfrucht zu verderben. Die Gestrengen sind dem Pater schon hart angelegen, er solle doch endlich Vernunft annehmen und auch wie jeder klar denkende Mensch an Hexen glauben; hätten ihn doch seine Ordensobern ebendarum vom Rheine herauf nach Würzburg gesendet, um den armen Wesen, die ganz vom Teufel besessen sind, in der letzten Stunde tröstend und erlösend beizustehen; aber der Spee ist wie aus Eisen, er biegt und beugt sich nicht; es gibt keine Hexen — das ist sein tägliches Wort, und das sagt er so sicher und fest, als sagte er einen Ausspruch aus Gottes Mund, und mit alledem steht der Pater ganz allein, niemand hilft ihm, niemand steht auf seiner Seite!«

      Der Zuckerwastl machte große Augen und wiegte nachdenklich das Haupt.

      »Es soll dem Manne keine Schande sein, wenn ein Kerl, wie ich einer bin, ihn lobt. Aber meinst du auch, er setzt seinen Kopf durch?«

      »Ich kann es schier nicht glauben; es sind zu viele gegen ihn, und darunter alle Großen. Und diese können und wollen das Rädern, Martern und Verbrennen nicht mehr lassen. Sie sind es gewohnt, wie du das Stehlen; und sowenig du dich deines Schelmenhandwerks schämst, sowenig schämen sich die Herren ihrer Grausamkeit. Weißt du, sie haben für ihre Dummheit ein gar heiliges Pflaster, sie sagen: sie dienen Gott!«

      »Sei mir stille, alter Schwätzer, und lasse mich denken! Ich bin nur ein armer, windflüchtiger Geselle, den es Mühe kostet, an einen Gott zu glauben, den er nicht schaut, den es aber noch mehr Überwindung kostet, an die Liebe der Menschen zu glauben, die er nicht sieht. Der Spee ist ein seltener Mensch; er setzt sich aller Gefahr und Feindschaft aus, nur um solcher willen, denen jeder andere aus dem Wege geht, die alle hassen und verachten. Das kann ihm nicht Geld und nicht Ehre und auch nicht Frieden einbringen; sag' mir, alter Zigeuner, warum tut er das wohl?«

      »Ich weiß es nicht,« versetzte der Wirt. »Mir ist der Mann ein heiliges Rätsel. Drunten in der Stadt sagen die einen, Spee tue dies alles aus fester Überzeugung und reiner Menschenliebe; andere nennen ihn einen verrückten Kopf, und wieder andere flüstern sich in die Ohren, er stehe selbst mit dem Satan im Bunde und nehme sich der Hexen und Unholde nur darum an, damit diese desto ungestörter Land und Leute verderben könnten.«[A]

      »Dumme Menschen!« lachte der Zuckerwastl. »Der Pater selbst ein Unhold — der Blödsinn sieht der Ratsherrnweisheit so ähnlich, wie ein Ei dem andern. Aber,« fuhr er, plötzlich ernster werdend, weiter, »meinst du wirklich, der Jesuit ergreife wohl aus reiner Menschenliebe für die Hexen Partei? Sieh, ich verstehe das nicht, aber es kommt mir wie Sonnenschein über meine alte schmutzige Seele, wenn ich denke, daß es doch noch ein Menschenherz gibt, das auch die Verdammten liebt; denn verdammt sind sie ja doch alle, die Hexen und Zauberer.«

      »Habe mir auch schon oft so meine eigenen Gedanken darüber gemacht,« antwortete der Schenkwirt; »klar bin ich mir aber über den Mann nicht geworden. Aber was ich seit meinen jungen Jahren nicht mehr verspürt habe, das habe ich gegen den Pater empfunden: Liebe, ehrliche, aufrichtige Liebe. Schau, Alter, wenn der Spee recht hätte und machte mit seinem hellen Verstande und mit seiner scharfen Zunge und noch mehr mit seiner großen Menschenliebe dem Morden ein Ende: ich glaube, ich gäbe selbst noch in meinen alten Tagen mein längstgewohntes Schelmenleben auf und ginge unter die ehrlichen Leute!« —

      — Treten wir in einen niedern, gewölbten Raum. Auf dem Herde brennt ein knatterndes Feuer und wirft seinen rötlichen Schein auf die rußigen Mauern der Küche. Auf dem Fenstergesimse sitzt ein dicker, schwarzer Kater und schnurrt; dort am Herde steht die Schenkwirtin, eine dürre Alte; die grauen, ungekämmten Haare hängen ihr unter der Haube hervor, die Augen sind unruhig und stechend, Nase und Kinn langgezogen und spitzig; dünne, schmale Lippen bedecken den zahnlosen Mund. Der Widerschein des Feuers gibt dem aschfahlen Gesichte eine eigene, unheimliche Färbung.

      In ihrer Nähe kauert auf einem Schemel ein junges Weib, das des Neunaugen. Ihre Züge wären hübsch, wenn sie nicht in einer widerlichen Roheit erstarrt zu sein schienen. Die Kleidung ist zigeunerhaft; buntfarbige Fetzen und Lappen, schmutzig und zerrissen. Die Miene ist zornig und trotzschwer.

      »Nun, so laufe ihm davon, Helena,« meinte die Alte, »wenn dein Mann dich gar so hart und schlecht hält! Solche Gauner, wie der deine einer ist, wachsen an jedem Baume; brauchst nur zu schütteln; am billigsten sind sie draußen am Galgen zu haben.«

      »Mag nicht!« gab die Angeredete kurz zurück. »Nach den Schlägen, die er mir gibt, frage ich wenig; bin das Prügeln ja von Kindheit auf gewöhnt. Aber daß er schwelgt und das ergaunerte Geld verspielt, indes ich darben und hungern muß, das verzeihe ich ihm nicht! Oder meint er, weil er mich auf der Straße aufgelesen hat, sei ich nicht besser als ein Hund?«

      »Mach' dir selbst Geld, windische Hopfin!« warf die Alte achselzuckend hin. »Die Dummheit der Menschen ist nicht ausgestorben, brauchst sie nur zu Silber zu machen.«

      »Was meint Ihr damit?«

      »Wie du einfältig bist!« höhnte die Alte. »Mache den Leuten ein bißchen Hokuspokus vor, tue dergleichen, als könntest du mehr denn Suppe essen und Äpfel von den Bäumen brocken, nimm ein geheimnisvolles Wesen an, und hundert gegen eins, die Bauernweiber geben dir Staupet und Pezen genug und machen noch dazu den Reuport weit auf.«

      »Was ist das?«

      »Ah, du verstehst nicht rotwelsch!« lachte die Wirtin. »Staupet und Pezen sind Mehl und Eier, und der Reuport ist der Geldsäckel. Nun gib acht! Du nimmst ein junges Birkenreis; das hängst du denen, die an den Augen leiden — gleichviel, ist's Vieh oder Mensch — um; dazu murmelst du einen Spruch, den niemand versteht, auch du selbst nicht, und du wirst sehen, immer hilft es — dir. Dann nimm ein Büchslein voll Salbe; kann Schweinefett oder sonst Talg sein; tue aber gar geheimnisvoll damit und sage, es sei Fett von ausgegrabenen Leichen, und mit dieser Salbe könnest du alle Schäden heilen. Die Esel zahlen es dir mit schwerem Gelde, wenn du ihnen ihre kranke Haut damit einschmierst. Aber vergiß auch dabei auf den Spruch nicht, denn dieser ist hier die Hauptsache! Dann, wenn du in ein Haus kommst, wo die Leute mit dem Nachbar in Feindschaft leben, so gib ihnen Stup und sage, sie sollten ihn dem andern nur getrost unter die Füße streuen, dann sterbe dieser in kurzer Zeit eines schnellen Todes; oder das Pulver kann auch dem Vieh untergestreut werden, dann fällt es davon um und verendet.«

      Helena hatte der Rede der Alten aufmerksam zugehört. »Dank' Euch,« sprach sie, »Euer Rat gefällt mir gar wohl!«

      »Und groß Unrecht ist auch nicht dabei,« fiel die Wirtin dazwischen.

      »Ei was, Recht oder Unrecht, danach frage ich just gar nichts; das gilt mir alles gleich!«

      »So gefällst du mir,« lobte die Alte, und aus ihren Augen zuckten blitzende Lichter. »Recht hast du, hilf, was helfen mag, und wäre es der Teufel selber!«

      Die flüsternd geführte Unterhaltung stockte eine Weile. Das junge Weib sah nachdenklich vor sich nieder und schielte zuweilen mit fragendem Blicke nach der Alten, die sich mit Bereitung des Hirsebreies zu schaffen machte.

      »Wirtin, ich möchte Euch was fragen.«

      »Und das wäre?«

      »'s ist wegen der Hexen. Ihr könnt doch schweigen? Ich tat zuvor dergleichen, als wüßte ich nichts von Zauberei; aber da Ihr mich selbst darauf verwiesen habt, mag ich wohl offen reden.«

      »Ei, sieh einer das junge Ding an!« grinste die Alte, »also auch schon von der Zunft?«

      »Meine Mutter hat mir gar verschiedenes von Zaubereien und Hexenkünsten erzählt, so daß mir oft mein junger, dummer Kopf darüber ganz heiß und wirr geworden ist. Wenn ich nun so hinter meinem Manne Land auf und ab gezogen bin und habe mir jene Reden überlegt, da hatte ich gar oft das Verlangen, auch eine Hexe zu werden; aber dann packte mich wieder eisigkalte Furcht, und ich suchte den Gedanken wieder loszuwerden. Bin auch keine Hexe,« fuhr sie aufgeregten Tones fort; »aber