Franz von Seeburg

Die Hexenrichter von Würzburg


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Lächeln glitt, einem flüchtigen Sonnenblicke gleich, über sein Antlitz. »Hab' Dank, du kleiner, gefiederter Gottessänger! Du hast mir Friede gesungen.«

      Dann kehrte er an seinen Tisch zurück, betete mit Inbrunst, zog ein Heft Papiere aus dem Schiebfache und schrieb eifrig, mit dem Herzblute seiner Liebe, jenes unsterbliche Werk: Die Cautio criminalis.[C]

       Inhaltsverzeichnis

      Es ist Sonntag und Jahrmarkt in Heidingsfeld, einem gewerbsamen Orte, eine Stunde oberhalb Würzburg gelegen. Der Weg dahin führt zwischen Weinbergen, die sich eben mit dem ersten Laube schmücken, und dem Maine, der sich hier hart an die staubige Straße drängt.

      Rings buntes, fröhliches Leben, das sich auf Straße und Fluß singend und lachend fortwälzt. Lustiges Studentenvolk, Arm in Arm und kecken Lebensmut im frischen, klaren Auge. Dralle Dirnen, stolz im Sonntagsrocke, flüsternd, kichernd, nach den Jungen schielend und dann wieder züchtig schmollend. Handwerksgesellen, derb in Wort und Lied, das Wams vorne aufgenestelt, um mit der ganzen Brust zu atmen; ihr Sang ist keck, ihr Lachen kräftig, wie die Faust, die sonst den Hammer oder Hobel führt. Nun ehrenfeste Meister mit bärtigen Gesichtern, die zufrieden schauen, wuchtig schreitend, jede Linie Bürgerstolz. Das Tuch ist fein und tadellos die Krause, echt das Geschmeide wie der Stein im Ringe. Und erst die Frauen, die an ihrer Seite gehen, züchtig, freundlich, reich geschmückt in Sammet und Spitzen! Und gar die minnereichen Töchterlein, des Vaters und der Mutter Stolz! Wie sie die Augen senken und heben, je nachdem sie von Jünglingen gegrüßt werden oder in Neugier da und dorthin schauen! Dann ehrentapfere Herren vom Rate, gnädig grüßend, langsam schreitend, alles helle Würde und Erhabenheit. Nun Junker, tänzelnd, fein vom Bärtchen bis zur Degenspitze, jeder Dirne dreist ins Antlitz schauend, den Bürgergruß kaum gnädig achtend, blitzend in Geschmeide — und endlich Landsknechte, in festem, gleichem Schritte die Straße stampfend, brüllend, lachend, mit den Dirnen schäkernd.

      Und über all dem bunten Wogen und Drängen helle Sonnenflut und von den Bäumen her und rings aus allen Büschen Vogelsang und Frühlingsgruß.

      Am Marktplatze von Heidingsfeld floß all dies wogende Leben, wie im Meere die Ströme, zusammen und staute sich. Rings um die wetterschwarze Kirche standen schlechte Buden, aus Brettern leicht gezimmert. Dort pries der Krämer wie der Jude seine Ware feil und lockte die Dirnen und die Frauen, daß sie lüstern nach dem Taffet und den Ringlein schielten. »Zum Brautschmuck,« schmeichelt süß der Jude und fängt mit solchem Worte ein Maidlein um das andere in seinem Netze. Und wie sie glücklich sind, die guten Dirnen, daß ein goldener Ring nun an ihrem Finger glänzt! 's ist helle Pracht!

      Die Bürger schreiten stolz vorüber. »Ist schlechte Ware; und wollt ihr gute, kauft bei mir. Das Judenpack und das fahrende Krämervolk betrügen euch nur!« Und ob die Hausfrau auch zuweilen meint, 's ist gute Ware, und just dies und das tät' dem Haushalt not — der Alte brummet: »Nein; 's ist Lumpenware.«

      Doch sieht der Meister den Schild zum »grünen Drachen«, so blickt er minder strenge. 's ist gute Herberg, die dort winkt, der Wein so goldig blinkend und so blumig duftend.

      In der großen Stube mit den schweren Eichentischen herrscht lautes Leben! Becherklirren, froher Sang und ernstes Wort. Das Naß ist wonnig gut. Siehst du, wie oben auf dem flüssigen Golde der Kobold froher Laune, heitern Scherzes sich schaukelt; und weiter unten sitzt der Minnebub und spitzt die Pfeile, und auf dem Grunde liegt ein wüster Geselle, das ist der Rausch!

      »He, Meister Rimphold, tapfern Gruß und Trunk! Ich bring' es Euch und Euerer werten Hausfrau!« ruft ein dicker Zecher, neue Ankömmlinge mit dem Becher grüßend.

      »Dank' Euch, Meister Brinhard. Euer Wohl!«

      »Ei, nehmt hier Platz; viel Schaf' in einem Schafstall,« lachte er, gegen die Ecke rückend.

      »Wie wohl es tut, die frische Luft zu trinken, statt der Stadtluft,« sprach Meister Rimphold.

      »Trink lieber Wein!«

      »Ist auch nicht schlechte Wahl!«

      »Was wißt Ihr neue Zeitung?«

      »Just nichts Gutes. Das arme Würzburg!«

      »Was meint Ihr damit?«

      »Nun, was denn sonst, als jenes leidige Hexenverbrennen.«

      »Ah,« rief Brinhard und stemmte seine Arme auf den Tisch, »das nennt Ihr leidig? Bei Gott, ich nicht! Seht, Rimphold, wenn ich Vogt oder Ratsherr wäre, ich ginge noch viel schärfer drein. 's ist ausgemacht und so gewiß, als über uns die Sonne scheint, daß Hexen, Zauberer und Unholde in ganz schrecklicher Menge Luft und Brunnen, Mensch und Vieh und Feld und Frucht verderben. Da ist's doch wahrlich gute Pflicht, dies Satansvolk zu verbrennen.«

      »Woher wißt Ihr, daß es Hexen gibt?«

      »Sagen's nicht die Richter und die weisen Räte?« gab dieser stolz zurück. »Also muß es wahr sein. Erlaubt, daß ich Euch das Ding genau erkläre. So ist die Sache. So eine eine Hexe werden will, ruft sie den Teufel. Der kommt, als Jäger meistens, macht den Handel ab, verlangt die Seele und einen Pakt, mit Blut geschrieben, und gibt dafür Gewalt, an Mensch und Vieh zu schaden. So ist's.«

      »Glaub's nicht. Wo bliebe da unser Herrgott?«

      »Was schiert ihn das? Will er es nicht hindern, daß ich ihn durch die Sünde verleugne, warum soll er mich hindern, daß ich des Teufels werde?«

      »Hört, werter Meister, tut mir den Gefallen, und lasset den Gottseibeiuns aus unserer Rede! Mir ist's, als röch' ich Schwefel und atmete siedendheiße Luft.«

      »Wir Ihr wollt. Aber das müßt Ihr mir zugeben, daß in unserer schönen Stadt schon lange kein so verdienstliches Werk geschehen als nun in unseren Tagen, da die Herren mit dem Hexenvolke kurzen Handel machen.«

      Meister Rimphold schüttelte den Kopf und schaute trüben Blickes in seinen Weinbecher.

      »Begreif' Euch wohl,« fuhr Brinhard eifrig fort. »Ihr seid gar weich gemütet, da tut Euch solches Morden weh. Aber gut und recht ist's doch, ich kann's Euch sagen. Es muß das schlimme Volk mit Stumpf und Stiel ausgerottet werden, sonst ist die ganze Welt verloren. So ist's!« Und trank den Becher leer.

      »Hört mal die Kunde, die aus dem Bambergischen kam!« fuhr er wieder fort. »Da haben sie in Zeil in kurzer Zeit mehr denn hundert Menschen, darunter acht vom Rate, wegen Hexerei verbrannt. Item: Zwei Metzger — denkt euch solche Bosheit! — haben die Weide um Bamberg vergiftet, daß das Vieh elendiglich umkam. Dann haben sie der Leute Augen verblendet, daß sie das tot in die Stadt geschleppte Vieh für lebend hielten, haben das Fleisch verkauft und nicht wenig Menschen dadurch um Leben und Gesundheit gebracht. Was sagt Ihr jetzt zu solcher Kunde?«

      »Erklärt mir erst, wie jene die Weide vergiftet haben und wie sie der Leute Augen blenden konnten?« warf Rimphold zweifelnd ein.

      »Das ist ganz klar,« gab jener schnell zurück, »das taten sie durch Satanskunst.«

      »Das ist, verzeiht mir, fades Gerede!«

      »Sind aber doch justifiziert worden!«

      »Das ist erst gar kein Beweis für solche Schuld.«

      »Hört, Meister Rimphold, Ihr seid ganz schrecklich ungläubig!«

      »Ich halte es mit dem Pater Spee.«

      »Weiß schon, weiß schon,« eiferte Brinhard, »der junge Jesuiter meint, er wüßte allein, was Wahrheit ist. Will Euch was sagen. Mag sie alle nicht, sind ein gar stolzes Volk, die Jesuiter! Die hätten wohl aus unserem Würzburg wegbleiben können.«

      »Wie mögt Ihr solches reden!« tadelte Rimphold.

      »Sag's ich allein? Gewiß nicht! Ihr wißt nicht, was ich weiß. Die Räte und die