wir nicht so kluge Räte und Richter, es wäre längst um uns geschehen.« — —
— — Hinter den Häusern ist eine große Wiese, deren östliche Seite von einem sanft ansteigenden Hügel begrenzt wird. Hier hat der Jahrmarkt seine Genüsse für das tanzlustige und gaffende Volk ausgebreitet.
Einige zigeunerhafte Gestalten vollbringen eine schrille, quiekende Musik, zu der die Dirnen und die Burschen sich in wildem Tanze drehen. Dort raufen stramme Handwerksgesellen mit übermütigen Soldaten, bis der Büttel Ordnung schafft. In einem Winkel, überschattet von dem jungen Grün einer Buche, sitzt ein altes Weib. Vor ihr steht ein kleiner Tisch, und auf diesem liegt ein Pack grober Zettel.
»Kommt, Jungferchen,« ruft sie mit kreischender Stimme, »kauft Euch einen Zettel! So Ihr den im Hause habt, geschieht Euch alles, was Ihr wünscht, wär's noch so viel.«
Die Dirne schaut verlegen bald auf die Alte, bald auf die Zettel.
»Zeigt mir 'mal!«
Die Alte breitete ein Stück Papier aus. Auf demselben stehen folgende Buchstaben:
I. C. H. G.
D.
W.
S.
M. S. P.
»Und was soll dies heißen?« fragte das Mädchen.
»Das heißt, merk' fein auf,« mahnte die Alte und fingerte an den Buchstaben, »das heißt also: Ich Christus Heiße Geschehen Dies Wunder Sei Sehend. Und hier M. P. das bedeutet, daß unser Herr den Zettel selbst geschrieben hat. Wird also wohl ein wertvolles Schreiben sein!«[D]
»Ei freilich!« stammelte die Dirne. »Ist aber der Zettel auch geweiht?«
»Dummes Ding,« schmähte die Alte; »was braucht es hier noch Weihe! Untersteh' dich nicht, den Zettel einem Priester zu zeigen! Hast du gehört?«
»Hab' schon gehört! Und was kostet denn dies kostbare Papier?«
»Einen Batzen.« — — —
»He, Alte,« ruft ein Landsknecht, »kannst du auch wahrsagen?«
»Vielleicht mehr als Euch lieb ist,« gab diese kurz zurück.
»Hoho, wüste Krähe,« lachte der Soldat, »nur nicht so patzig! Laß 'mal hören!«
»Was wollt Ihr wissen?«
»Ja, was denn nur? Sag' meinetwegen, ob's nicht bald ein lustig Krieglein gibt? Aber so du mich anlügest, klopf' ich dir dein altes Fell!«
»Ihr Herren seid doch immer ungeschlacht!« zürnte die Alte, ein Brett mit bunten Zeichen auf den Tisch legend. »Ihr könnt leicht übermütig sein; euch ist fürs Tagedieben ein besserer Tisch gedeckt als dem Bürger für die Arbeit.«
»Nimm guten Rat an und schweige!« mahnte der Landsknecht. »Soldatengeduld reißt leichter als dünner Zwirn.«
»Seht hier das Horoskopium. Die Frage ist, ob Krieg. Nun hört: Weil
»So,« sagte der Landsknecht, spreizte die Beine und stemmte die Arme in die Hüften. »Wo hast du denn den unsinnigen Hokuspokus gelernt? Hahaha, das Ding ist dir wie Rotwelsch aus dem Maul gegangen!«
Und lachend wandte er sich zum Gehen.
»Einen Sechsbätzner!« herrschte die Alte.
Der Landsknecht drehte den Kopf nach ihr. »Einen Sechsbätzner?« höhnte er. »Den zahle ich nach dem Kriege.«
Die Alte murmelte einen Fluch zwischen den Lippen, nahm das Horoskop und wickelte es wieder sorgfältig in ein Tuch. — —
— — — Hinter einer Ecke abseits dem Tummelplatze kauerten drei Gestalten, zwei Männer und ein Weib. Ihre Rede ist flüsternd, ihr Auge streift zuweilen forschend, lauernd durch das Dickicht.
»Heute nacht ist's passende Zeit.«
»Du oder ich?«
»Das Feuer leg' ich.«
»Und ich plündere?«
»Ja. Helena muß aber erst auskundschaften.«
»Wo treffen wir uns wieder?«
»Hier!«
»Wann?«
»Um zwölf Uhr.«
»Daß du mir nüchtern bleibst!« mahnte der Zuckerwastl.
»Sei ohne Sorge. Morgen ist bessere Zeit zum Trinken,« gab der Neunaugen zurück. — —
— — Eine Schaubude. Vier Stämme sind in die Erde gesteckt und mit Brettern umzogen. Vor dem Eingange steht ein widerlicher Kerl und schreit mit heiserer Stimme: »Wer das größte Wunder sehen will, der komme hieher. Ein leibhaftiger Alrunn, vor hundert Jahren schon ganz ausgewachsen.«
Das Volk gaffte, zögerte und trat ein. Da lag auf einem Tische eine gespaltene Mandragorawurzel,[F] die Gestalt eines verstümmelten Menschen im Dämmerlichte einigermaßen wiedergebend.
»Bst!« mahnte der Gaukler die langgestreckten Hälse. »Geht zurück und seid stille! Ihr seht ja, daß der Alrunn schläft, und wenn er erwacht, dann ist er so gewaltig böse, daß er alles zerreißt. Nehmt euch in acht!«
Noch ein schneller, scheuer Blick, und hinaus drängt sich das verblüffte Volk.
— — An einer anderen Stelle steht auf einer Tribüne ein großer, starker Mann. Er weiß sich mit großer Würde zu tragen und sieht auf die dichtgedrängte Menge mit unverkennbarer Geringschätzung herab. Er ist ein sogenannter Wasserspritzer und Feueresser, eine für jene Zeit ganz unheimliche Erscheinung.
Nachdem er einen Augenblick hinter einen Vorhang, der ihn den Blicken der Zuschauer entzog, getreten war, kehrte er wieder auf die offene Bühne zurück, ließ sich acht Gläser frischen Brunnenwassers geben und trank dieses. Dann gab er es in einzelne Gläser wieder von sich, aber nicht als Wasser, sondern als Wein von jeder Färbung, vom dunkelsten schwärzlichen Neapolitaner angefangen bis zum hellgoldigen Würzburger Landwein herab. Dann ließ er wohlriechende Wasserstrahlen aus seinem Munde ausgehen, oder er schoß Wasser wie ein Röhrenbrunnen aus seinem Magen in die Luft.[G]
Die verblüffte Menge ward starr vor Erstaunen, als sie dies alles sah. »Der hat den Teufel im Leibe,« flüsterten die Leute untereinander; »ein gewöhnlicher Mensch kann solche Wunder niemals tun.«
Unterdessen hatte sich der Gaukler ein Becken glühender Kohlen bringen lassen. Davon nahm er etwelche in den Mund, zerkaute und aß sie. Dann zündete er einen Klumpen Schwefel und Pech an und verschluckte