Hermann Hoernes

Die Luftschiffahrt der Gegenwart


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der Gestalt des Körpers;

      d) der Lage der jeweiligen Achse;

      e) dem Zustande der Luft.

      In der Flugtechnik befassen wir uns im allgemeinen nur mit Geschwindigkeiten bis zu 50, eventuell 80, im Maximum 100 Meter per Sekunde, also mit geringen Größen im Gegensatze zur Ballistik.

      Die Gestalt der zu betrachtenden Körper ist meist eine flächenartige oder doch eine aus einer Kombination von Flächen zusammengesetzte. Nur selten werden Rotationskörper in Anwendung kommen.

      B. Experimente.

      Zur Ermittlung des Luftwiderstandsgesetzes wird ausschließlich der experimentelle Weg eingeschlagen. Es würde zu weit führen, alle Methoden und darauf bezügliche Daten hier auch nur auszugsweise wiederzugeben. Die Vornahme dieser Experimente soll stets in großen, geschlossenen Räumlichkeiten geschehen. Die Resultate der in der freien Atmosphäre veranstalteten Experimente sind infolge von Wind und sonstigen Witterungserscheinungen so voll von Fehlerquellen, daß sie wenig brauchbar werden. In diese Kategorie gehören Versuche von Langley, Wellner, Cailletet, Collardeau, Touche, Lilienthal u. a. Die Experimente selbst teilen sich in solche mit Rundlauf- und in solche mit Wageapparaten gemachte ein, über deren Gebrauch und Verwendung man in von Loessls ausgezeichneten Schriften, besonders in seinem Hauptwerke: »Die Luftwiderstandsgesetze, der Fall durch die Luft und der Vogelflug«, Wien 1896, die Seiten 3-23 nachlesen wolle.

      

Fig. 1. Friedrich Ritter von Loessl, der bis jetzt erfolgreichste Experimentator auf dem Gebiete des Luftwiderstandes.

      Bei allen werden ebene, dünne Flächen in gleichmäßige Bewegung gesetzt und die sich hierbei ergebenden Widerstände ihrer Größe nach durch wiederholt angestellte Versuche ermittelt. Diese Messungen erfordern einen großen Aufwand von Zeit, Mühe, Geduld, Fleiß, Accuratesse, Geld u. dgl. mehr und sind viele Jahre hindurch in geradezu mustergiltiger Weise von Loessl ausgeführt worden.

      

      Ein Blick auf die hier beigefügte Tafel, welche eine Anzahl von diesem hervorragenden Experimentator verfertigter Versuchsmodelle im Bilde enthält, läßt die aufgewendete Arbeitsleistung ahnen.

      C. Resultate.

      Infolge der oben besprochenen Gründe anerkennt man heute als einwandfrei nur jene Resultate, welche von Loessl bei seinen minutiösen Luftwiderstandsmessungen gefunden hat.

      Um die Ergründung dieses Luftwiderstandsgesetzes machten sich außerdem noch folgende Experimentatoren verdient:

      Newton, Bernoulli, Euler, Borda, Robins, Thibault, du Buat, Poncelet, Kummer, Didion, Piobert, Robin, Rouse, Hutton, Vince, Helie, Virlet, Majewski, Bashfort, Krupp, Wellner, Lilienthal, Langley, Maxim, Weisbach, Renard, Eytelwein, Gerlach, Lord Raleigh, Smeaton etc. etc.

      Aus dieser Aufzählung allein kann man schon ermessen, wieviel auf diesem Gebiete experimentiert wurde; trotzdem sind noch bei weitem nicht alle Fragen einspruchsfrei beantwortet.

      Die Größe des Luftwiderstandes ist innerhalb jener Geschwindigkeitsgrenzen, welche uns interessieren, gleich groß, ob sich nun eine Fläche mit einer bestimmten Geschwindigkeit in ruhender Luft vorwärts bewege, oder ob dieselbe Fläche im Raume feststehend, von immer gleichförmig bewegter Luft mit derselben Geschwindigkeit getroffen werde. Stets kommt es auf die relative Bewegung zwischen Luft und Flugobjekt an.

      Mit Hilfe von Experimenten, indem man Flächen von bekannter Größe mit variablen Geschwindigkeiten umlaufen ließ, hat man gefunden, daß der Luftwiderstand proportional der Größe der bewegten Fläche sei und mit dem Quadrate der Geschwindigkeit der Luft wachse.

      Von einem gewissen Einflusse ist auch das Gewicht der Luft, in dem die Flächen- oder Körperbewegungen vor sich gehen. Hierbei muß man sich gegenwärtig halten, daß das Gewicht der Luft von der Temperatur und dem Luftdrucke abhängig ist.

      Die geometrische Figur der Experimentalfläche hat einen mehr untergeordneten Einfluß.

      

Kleine Versuchsobjekte in dem Loesslschen Laboratorium für Luftwiderstands-Messung. September 1902.

      

      Vor der Fläche bildet sich ein sogenannter Luftkegel, das ist ein Kegel ruhender komprimierter Luft, welche sich im Zustande des statischen Gleichgewichtes befindet und der die bewegte Luft gleichsam keilförmig ablenkt.

      Über die äußere Luftreibung liegen noch sehr wenige Daten vor, im allgemeinen vernachlässigt man sie.

      Überhaupt ist dieses Gebiet, so grundlegend das Luftwiderstandsgesetz für die theoretische Behandlung des Gegenstandes genannt werden muß, noch ein viel zu wenig durchforschtes.

      Allgemein ausgedrückt, ist der Luftwiderstand direkt proportioniert einem Produkte, bestehend aus dem spezifischen Gewichte der Luft, der Fläche, einem dieser entsprechenden Koeffizienten, dem Quadrate der Geschwindigkeit und umgekehrt proportioniert der Accelleration der Schwere.

      Im algebraischen Gewande lautet diese Formel:

      R = γg ξ F v2 , worin bedeuten:

R = den Luftwiderstand in kg einer Fläche von beliebiger Gestalt;
γ = das spezifische Gewicht der Luft in kg, bei der jeweilig herrschenden Temperatur und dem betreffenden Barometerstande;
g = die Accelleration der Schwere;
F = die Fläche in m2;
ξ = einen von der Form und Lage der Fläche abhängigen Koeffizienten. Bei ebenen Flächen, welche geneigt sind, ist ξ = sin α, d. h. gleich dem Sinus des Neigungswinkels;
v = die relative Bewegung zwischen Luft und Fläche in Meter per Sekunde.

      D. Folgerungen aus dem Luftwiderstandsgesetze.

      Die Arbeitsgleichung des Luftwiderstandsgesetzes gibt uns wertvollen Aufschluß über die für flugtechnische Probleme so wichtigen Arbeitsleistungen. Die Experimente lehren uns, daß die Arbeit mit der dritten Potenz der Geschwindigkeit wächst, was wohl zu beherzigen ist.

      Aus den einzelnen, hier nicht wieder gegebenen Formeln lassen sich eine ganze Reihe höchst wichtiger Gleichungen entwickeln, welche nicht nur über die Natur des Luftwiderstandsgesetzes vieler einschlägiger flugtechnischer Fragen Aufklärung geben, sondern uns überhaupt neue Bahnen bei Behandlung dieses Gegenstandes eröffnen.

      Wer sich für dieses Kapitel intensiv interessiert, den verweise ich auf das Loesslsche Werk über die Luftwiderstandsgesetze pag. 149-178 und auf meine Schrift: »Das Loesslsche Luftwiderstandsgesetz und dessen Anwendung auf die Flugtechnik«, Sonderabdruck aus den »Technischen Blättern« in Prag.

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