kleine und große, zarte und frostrote, bemühten sich eifrig, dem Primaner seine Kunst nachzumachen.
»Schön – nun aufgepaßt – jetzt kommt das Eigentliche: Der Stein schleift die Schere, die Schere schneidet das Papier, und das Papier wickelt den Stein ein. Also, wenn ich zum Beispiel einen Stein mache und Vera eine Schere, habe ich gewonnen, denn der Stein ist mehr als eine Schere, er schleift sie. Hat aber Vera statt der Schere die Hand ausgestreckt und ein Stück Papier dargestellt, so hat sie gewonnen, denn das Papier geht über den Stein, es wickelt ihn ein. Verstandez – vous?«
»Nee« – »keine Spur« – »völlig schleierhaft« – »aber Kinder, das ist doch klar wie Kloßbrühe!« Wieder erhob sich ein lebhafter Tumult. Annemarie und Marlene Ulrich waren die einzigen, welche die Auseinandersetzung begriffen hatten.
»Weibliche Sekundaner sind Heupferde,« stellte Klaus weniger ritterlich als sachgemäß fest. »Probiert’s doch mal, man lernt’s am besten in der Praxis. Aber, du Schafsbock, doch nicht alle auf einmal, immer nur zwei und zwei.« Diesmal galt die brüderliche Liebkosung der Schwester. Diese quittierte dankend mit einem Knuff.
»Los – Marlene und Ilse können beginnen – eins – zwei – drei – alle beide Stein, – noch mal – Marlene Schere, Ilse Papier, wer hat also gewonnen?«
»Marlene« – »nein, Ilse« – die Parteien waren sich nicht einig.
»Noch nicht mal die Reife für Sexta; wenn es nach mir ginge, kommt keine von euch zu Ostern nach der Obersekunda,« neckte der unverbesserliche Klaus. »Natürlich hat Marlens gewonnen, denn die Schere schneidet das Papier.«
Die schwarzzöpfige Marlene streckte erfreut die Hand nach dem leckeren, zuckerbestreuten Pfannkuchen aus. »Ich gebe dir die Hälfte ab, Ilse,« flüsterte sie ihrer blonden Intima tröstend zu.
Aber »liegen lassen – so schnell geht die Geschichte nicht,« kommandierte der Jüngling. »Jetzt muß Marlene erst mit einer anderen den Pfannkuchen aussteinen, wer weiß, ob sie ihn behält.«
Tatsächlich, wie gewonnen, so zerronnen. Marlene, die gedacht, mit »Schere« immer gewinnen zu müssen, mußte einsehen, daß der Stein die Schere schliff. Folglich hatte Margot, die eine Faust gemacht, ihr den Pfannkuchen abgewonnen. Aber auch diese durfte ihn nicht behalten. Marianne Davis zog zwar den kürzeren gegen sie, aber Vera Burkhard, mit der sie dann die Wette eingehen mußte, rief glückstrahlend: »Oh, ich habe die Papierr, die ist mehrr, viel mehrr als das Stein.«
Zum Schluß blieb der Wettkampf nur noch zwischen den beiden Busenfreundinnen Vera und Annemarie auszufechten.
»Ich verzichte freiwillig, Verachen, ich bin die Wirtin, laß dir den Pfannkuchen gut schmecken,« verkündete Annemarie großmütig.
»Ausgeschließt – ich nicht essen ohne dirr, wirr werrden steinen aus beide noch eine Mal.« »Eins, zwei, drei« – Annemarie Braun, die Wirtin, blieb Siegerin.
»Nee, Kinder, das geht auf keinen Fall, ich werde mir doch nicht den Pfannkuchen schmecken lassen, und ihr habt das Zusehen. überhaupt müssen wir erst noch den zweiten auswetten.«
»Halt – auf den lege ich Beschlag als Lehrergehalt,« posaunte jetzt Klaus los.
»Klaus hat recht« – »er hat den Pfannkuchen redlich verdient« – »wir haben ja statt dessen das Vergnügen des Wettspiels gehabt,« riefen die Mädels lachend. Nur Annemarie wollte davon nichts hören.
»Das wäre ja, um auf die Akazien zu klettern! Wir beiden Braunschen Sprößlinge futtern Pfannkuchen, und unsere Gäste können sich den Mund wischen! Mutti – Muttichen, komm du doch mal als Schiedsrichter herein.«
Nicht nur Frau Doktor Braun kam dem Hilferuf ihres Töchterchens nach, sondern auch der Vater, der gerade seine Sprechstunde beendigt hatte.
»Na, das lustige halbe Dutzend wieder mal versammelt? Was gibt’s denn hier für eine Revolution, Jungs!? Ich denke, wir haben genug an der draußen im Lande.« Annemaries Vater, ein stattlicher Herr um die Fünfzig, pflegte sein Nesthäkchen stets als seinen dritten Jungen zu bezeichnen. Und seitdem sie nun gar ins Gymnasium ging, mußten sich auch die Freundinnen seine scherzhafte Benennung gefallen lassen.
»Vaterchen, zwei Pfannkuchen sind noch übrig. Einen hat Klaus schon vorher stibitzt. Und nun will er von den beiden auch noch einen haben. Und den anderen habe ich beim Wettspiel gewonnen. Aber dies geht doch auf keinen Fall. Meine Freundinnen haben jeder nur einen halben bekommen,« berichtete sein Nesthäkchen erregt.
»Hm – ein schwieriger Fall. Schade, daß ich Arzt und nicht Jurist bin. Hier kann nur ein salomonisches Urteil helfen. Wie wär’s, Elsbeth.« Doktor Braun zwinkerte seiner Frau verschmitzt zu, »wenn unsere Hanne die fehlenden fünf Pfannkuchen noch schnell nachbackt?«
Seine Frau war nicht sehr erbaut von dem Vorschlag. Sie schüttelte den Kopf. »Es ist heute Sonnabend, Hanne ist noch beim Küchescheuern, da dürfen wir ihr nicht in die Quere kommen, sonst wird sie ungemütlich.«
»Ich weiß eine Weg aus,« meldete sich jetzt Vera.
»Also, was für eine Weg aus schlägst du vor?« Lachend wurde sie von den Gefährtinnen umringt.
»Wirr werrden geben dies eine Pfannkuchen an Klaus, und das anderre wirr werrden beißen ab jederr davon, bis err ist nichts mehrr da.«
Unter allgemeinem Jubel wurde Veras Vorschlag angenommen. Alle Parteien waren zufrieden gestellt. Nicht am wenigsten Klaus.
»Hol’ doch ein Zentimetermaß, Lotte!« Vater und Mutter riefen ihr Nesthäkchen noch immer mit dem Kosenamen der Kleinkinderzeit. »Jede darf anderthalb Zentimeter abbeißen – neun bis zehn Zentimeter wird der Pfannkuchen im Durchmesser haben,« neckte Doktor Braun.
Aber so genau nahm man es nicht. Unter Lachen und Scherzen machte der Pfannkuchen die Runde. »Margot hat nur Luft abgebissen« – »Ilse, nicht die ganze Füllung« – »Zucker ablecken ist nicht – – –« Der eine Pfannkuchen mundete den sechs Mäulchen besser, als wenn Hanne noch eine ganze Schüssel davon gebacken hätte. Und zum Schluß blieb sogar noch ein Bissen übrig, den erhielt – Puck.
Die Kränzchenlaune, die nie zu wünschen übrig ließ, war durch die Pfannkuchenteilung noch fideler als sonst geworden. Frau Doktor Braun, welche im Nebenzimmer mit Briefschreiben beschäftigt war, lächelte vor sich hin. Es ging doch nichts über die Backfischzeit! All das Schwere, was die letzten Jahre mit sich gebracht, hielt vor diesem jungfrischen Lachen nicht stand. Die Jugend würde schon mit der schlimmen Zeit fertig werden, ihr gehörte die Zukunft. Und hoffentlich eine bessere!
Auch in dem kleinen, einfenstrigen Zimmer, das auf der anderen Seite an das Annemaries stieß, lauschte einer bei seiner griechischen Aschylosübersetzung auf das übermütige Gekicher nebenan.
»Richtige alberne Gänse – schnattern und schnattern – und unsereiner muß sich abquälen.« Ein halb verächtlicher, halb neidischer Seufzer schloß die nachdenkliche Betrachtung des Primaners.
Bald aber kam auch in Annemaries hübschem Mädchenzimmer Ernst und Arbeit zu seinem Recht. Das »Tugendschäfchen«, Margot Thielen, unterbrach plötzlich die ausgelassene Stimmung: »Kinder, ich denke, ihr schreibt Montag lateinische Versetzungsextemporale und wollt noch gemeinsam dazu wiederholen.«
»Himmel, hast du keine Flinte – das lateinische Extemporale habe ich total verschwitzt – Tugendschäfchen erinnert natürlich daran, trotzdem es nicht mal mitschreibt.«
Margot Thielen war die einzige der sechs Freundinnen, die nicht mit auf das dem Schubertschen Lyzeum angegliederte Gymnasium übergegangen war. Ihre Fähigkeiten lagen vor allem in weiblicher Betätigung. Dabei war sie so fleißig und gewissenhaft, daß sie, trotzdem sie lange nicht so begabt war wie zum Beispiel Annemarie Braun, meistens einen höheren Platz in der Schule einnahm als diese.
»Also schön, Margot, du kannst unsern ollen Professor Herwig vorstellen. Da mußt du aber auch so heiser und hüstelnd sprechen wie der und ab und zu eine Prise nehmen.« Doktors Nesthäkchen hatte bereits ihre Hand zu einer niedlichen