Robert Kraft

Wir Seezigeuner (Abenteuer-Klassiker)


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rabiat – was sie hier eigentlich sollten, wieviel Gehalt sie denn bekämen – die meisten wollten wieder einmal nach New-York zurück, die vierzentnerige Laura schrie schon wieder nach ihrem Schneiderlein.

      Da bekam ich eine kleine Probe davon, wie Karlemann meine Passagiere hier ›dressieren‹ würde.

      Er hatte einige seiner schwarzen Leute zu sich beordert, stämmige Burschen, und als der Cowboy wieder rabiat wurde, sich nicht an das Seil der Winde binden lassen wollte, nur einen Griff nach seinem Revolver machte, da bedurfte es seitens Karlemanns nur eines Augenwinkes, und der Cowboy bekam von einem Neger mit einem Gummischlauch eins über den Kopf, daß er wie ein Sack niederstürzte, und dann schwebte er schon in der Luft, immer noch bewußtlos.

      »Verstanden? Aus diesem Tone pfeift’s hier bei mir! Was ihr bekommt? Einen Hundedreck, ihr gottverd … Hinauf mit euch!!«

      Himmelbombenelement! So donnerte dieser Wicht sie an, sogar meine vierzentnerige Riesendame.

      Ich war baff – und jene auch!

      Als es noch einmal zu einem kleinen Tumulte kommen wollte, schlugen die Nigger schon wieder auf Karlemanns Wink mit der Karbatsche drein.

      Was dachte der Junge denn eigentlich über Menschenrecht und dergleichen? Ich wenigstens wußte nicht mehr, was ich von alledem denken sollte.

      Dann sah ich auch meine vierzentnerige Laura wie eine Riesenblutwurst in der Luft baumeln, sie schaukelte empor – ich sollte sie nicht so bald wieder sehen.

      »Na, mein lieber Jansen, wie sieht’s mit Geld und mit Proviant aus?«

      Mit diesen Worten wandte sich Karlemann wieder an mich.

      Ich sollte gar nicht auf das Plateau kommen. Hier unten an Bord meines Schiffes zahlte er mir den Rest von 80 000 Dollar aus, außerdem versah er mich noch mit fünfzig Tonnen Salzfleisch und mit noch mehr Hartbrot, ebenso ergänzte er unseren Wasservorrat, aus einer Höhlung brauchte nur ein Rohr über unsere Tanks geschoben zu werden, und das Regenwasser braucht ja nur mit etwas Kochsalz versetzt zu werden, um ihm den faden Geschmack zu nehmen.

      Die Messervorrichtung hatte Karlemann unterdessen schon eingehend besichtigt.

      »Sie glauben, so in die Mitte der Fucusbank vordringen zu können?«

      »Ich zweifle nicht daran.«

      »Haben Sie sich alles reiflich überlegt?«

      »Ich glaube, alles.«

      »Auf wie lange Zeit machen Sie sich gefaßt?«

      »Das kann ich freilich nicht sagen. Und Sie wissen wirklich nicht, was dort zu finden ist?«

      Ein Festland, eine große Insel – mehr wollte Karlemann nicht wissen. Ich traute ihm nicht recht. Und ich sagte ihm nichts, daß auch mir schon die gleiche Bestimmung in die Hände gekommen war, an Bord meines Schiffes, also mein gutes Eigentum.

      »Halbpart, nicht wahr?«

      Ich bejahte.

      »Und wenn Ihnen das Trinkwasser ausgeht?«

      »Ich werde mir zu helfen wissen. Jetzt beginnt ja die Regenperiode.«

      »Ja, und an Fischen wird dort kein Mangel sein.«

      Das stimmte. Diese Fucusbank ist der Aufenthaltsort von zahllosem Seegetier aller Art.

      »Es wird ihnen dort nur schwer beizukommen sein,« sagte ich.

      »Den Fischen? Zwischen den dichten Schlingpflanzen?«

      »Gerade wegen dieser Schlingpflanzen. Sonst würden ja auch die Fischer solche Fucusbänke aufsuchen, es gibt deren doch auch kleinere nahe den Küsten. Aber die Fischer bevorzugen gerade offene Stellen im Meere, allerdings Untiefen.«

      »Dann kann ich Ihnen hierzu noch ein Mittel geben, um Sie und Ihre Mannschaft vor dem Hungertode zu schützen.«

      Er reichte mir ein kleines Säckchen.

      »Es enthält ein gelbes Pulver – machen Sie es jetzt nicht erst auf, es stiebt sehr und beißt fürchterlich in der Nase, Sie lassen einen Teig backen, vielleicht zehn Pfund, aus gewöhnlichem Mehl, und mischen hiervon nur einen Teelöffel bei – oder zerbröckeln einfach Hartbrot und mischen etwas von diesem gelben Pulver bei – diese Masse packen Sie dann in einen alten Sack, oder, wenn er aus festem Segeltuch ist, so machen Sie ein paar kleine Löcher hinein, beschweren ihn mit Steinen, und wo Sie Fische fangen wollen, da versenken Sie den Sack. Und sobald Sie an dieser Stelle, gleichgültig wie tief, die Angel mit einem Köder auswerfen, werden Sie einen Fisch dran haben, und ziehen Sie das Schleppnetz über diese Stelle weg, wird es ganz voll Fische sein.«

      Ich starrte den Jungen mit großen Augen an. Ja freilich, der hatte ja nicht nur gewilddiebt, und niemals Feldhasen, nur Waldhasen, sondern er hatte auch in des Müllers Karpfenteich bei nächtlicherweile gefischt.

      Sollte er sich aber diesmal nicht irren? Wie die Flußangler, so wollen auch die Hochseefischer immer solche Lockköder für die Fische haben, gewöhnlich die absurdesten – nur schade, daß diese Mittel niemals wirken, die Fischer glauben es selbst nicht, nur die Neulinge werden immer so angeschmiert.

      »Was ist das?«

      »Mein Geheimnis. Es ist überall zu haben und billig genug. Mit dieser Portion reichen Sie aber jahrelang. Wie gesagt, ein Teelöffel voll genügt, und die Stelle, wo das Zeug versenkt ist, übt noch nach Jahren eine Anziehungskraft aus.«

      »Haben Sie selbst es schon probiert?«

      »Oft genug.«

      »Auch hier?

      »Auch hier. Es kommt natürlich darauf an, wie tief die Stelle ist. Ziemlich an der Oberfläche fängt man nur Makrelen und dergleichen. Will man Schellfische haben, die sich in der Tiefe aufhalten, muß man den Köder auch an einer tiefen Stelle versenken.«

      »Und das soll wirklich die Fische anziehen?« zweifelte ich noch immer, »Wenn, ich Ihnen sage! Wie der Baldrian die Katzen. Es übt übrigens auch eine ganz ähnliche Wirkung aus. Wundern Sie sich nicht, oder seien Sie nicht besorgt, wenn die Fische, besonders die im Netz gefangenen, wie besoffen sind. Sie sind es auch wirklich. Gerade wie die Katzen durch den Baldrian, sie wälzen sich immer auf dem Rücken.«

      »Und sie sind nicht vergiftet?«

      »Eben nicht! Sie können sie ganz sorglos essen.«

      Wieder hatte ich etwas mir ganz Neues gehört. Der Junge zeigte sich mir immer wieder von einer anderen Seite, kramte ein Geheimnis nach dem anderen aus, von der die Menschheit noch gar nichts wußte.

      »Wissen Sie denn nicht,« fuhr er fort, »daß jedes Tier auf der Erde sein Lockmittel hat, oder wie man es nun sonst nennen mag, hinter dem es her ist wie der Teufel hinter jeder Seele, und durch welches man es daher auch anlocken und in einen Taumel versetzen kann?«

      Nein, das wußte ich noch nicht, das glaubte ich auch nicht so ohne weiteres.

      »Na, auch der Mensch hat doch so ein Reizmittel.«

      »Welches?«

      »Fragen Sie doch nicht so! Das ist doch einfach der Schnaps, der Alkohol, und es gibt doch keinen Völkerstamm auf der Erde, der sich nicht sein berauschendes Getränk selbst herstellen kann.«

      Da hatte Karlemann allerdings recht.

      »Und für die Katzenarten ist es der Baldrian, und für die Hirsche und Rehe ein gewisser Pilz, und für die Fische ist es das hier. Nun kommt es freilich darauf an, auch zu wissen, was es ist, womit man jede einzelne Tierart anlockt, und wer das kann, der ist Herr über alle Tiere.«

      »Und Sie wissen alle?«

      »I Gott bewahre!« lachte Karlemann. »Ich kenne nur ein paar solche Kniffe – und das hier ist das Lockmittel für alle Fische.«

      Ich war entlassen. Noch am Nachmittage stach ich wieder in See, dem geheimnisvollen Ziele entgegen, das noch nie ein Mensch erreicht haben sollte.

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