zog seine Pistole und legte sie auf den Nebensitz. Das konnte er tun, da Dracula in weiser Voraussicht unter dem Sitz blieb. Das tat der Hund immer, wenn sein Herr raste.
Rick Masters ging nicht das geringste Risiko ein. Er griff zum Funkgerät und gab Alarm. Er nannte die genaue Position und Fahrtrichtung und erhielt die Bestätigung, daß sofort alle verfügbaren Streifenwagen in der City eingesetzt würden. Die Wagen in den umliegenden Gebieten wurden in Alarmbereitschaft versetzt, falls der Lieferwagen auszubrechen versuchte.
Während Rick mit der Polizei sprach, mußte er etwas vom Gas gehen. Der Morgan war kein bequemes Fahrzeug und nahm unkontrollierte Lenkradausschläge bei hohen Geschwindigkeiten übel. Erst als Rick das Mikrofon wieder in die Halterung hängte und die zweite Hand ans Lenkrad legte, konnte er voll aufdrehen.
Der schwarze Lieferwagen befand sich noch immer im gleichen Abstand vor ihm. Nun holte er rapide auf. Er schob sich näher und näher heran.
Das Kennzeichen war auch diesmal nicht zu lesen, weil der Mörder es dick mit Lehm verschmiert hatte. Doch Rick hatte auch gar nicht die Absicht, den Unbekannten noch einmal entkommen zu lassen.
Er griff nach der Pistole, zielte und drückte ab. Die erste Kugel traf die Karosserie des Lieferwagens und prallte ab. Und ehe Rick ein zweites Mal schießen konnte, raste er in eine Nebelwand hinein.
Von einer Sekunde auf die andere war die Sicht wie ausgelöscht. Wie im schlimmsten Londoner Nebel raste er blind weiter, und wollte er keinen Unfall bauen, mußte er wohl oder übel bremsen.
Noch während er den Fuß auf die Bremse stemmte, riß er bereits das Mikrofon an den Mund und gab hastig durch, daß er den Lieferwagen aus den Augen verloren hatte.
Der Morgan stand mit eingeschalteten Scheinwerfern, die keine Handbreit in den Nebel vordrangen. Das Licht verwandelte die milchige Waschküche in eine gleißende Kuppel, die sich vor Ricks Augen wölbte.
Der Geisterdetektiv mußte an sich halten, um nicht laut zu fluchen. Der Mörder hatte ihn mit einem einfachen aber wirkungsvollen Trick abgehängt. Dabei hatte er seine magischen Fähigkeiten eingesetzt, denn dieser Nebel stammte aus keinem Chemielabor der Welt.
Rick schaltete das Funkgerät nicht aus, so daß er die Meldungen der einzelnen Streifenwagen verfolgen konnte. Schon nach wenigen Minuten gab er die Hoffnung auf, daß wenigstens die Polizei den schwarzen Lieferwagen stellten könnte. Zwei Streifenwagen, die das Fahrzeug des Mörders entdeckten, blieben ebenfalls im Nebel stecken. Die übrigen bekamen den Mörder gar nicht zu Gesicht.
Mit müden Bewegungen stieg Rick Masters aus. Nicht einmal seine Silberkugel hatte diesen Nebel verscheucht. Er war geschlagen worden.
Kaum hatte der Geisterdetektiv drei Schritte von seinem Wagen weg gemacht, als der Nebel schlagartig aufhörte. Er umgab nur den Morgan wie eine Kugel. Ringsherum herrschten ganz normale Verhältnisse.
Rick setzte sich wieder in seinen Wagen. Er hatte verloren. Der Mörder hatte ihm deutlich seine Grenzen gezeigt.
*
»Und wie bist du nach Hause gekommen?« erkundigte sich Hazel Kent, als er sie von seinem Wohnbüro aus anrief und ihr alles schilderte. »Hast du den Nebel endlich doch vertrieben?«
»Er hat sich gelüftet, sobald ich den Mörder nicht mehr verfolgen wollte.« Rick Masters lag auf seinem Bett und starrte zur Zimmerdecke. »Der bloße Gedanke, daß ich nach Hause fahren wollte, hat den Nebel aufgelöst. Als ob er meine Gedanken erriet.«
»Das ist wirklich Pech«, meinte Hazel bedauernd. »Du warst so nahe an der Lösung.«
»Und jetzt bin ich weiter als je zuvor davon entfernt.« Rick blickte dem Rauch seiner Zigarette nach. »Gleich morgen früh besuche ich Mr. Ellmont, den Auktionator.«
»Heute früh, Darling, heute«, erwiderte Hazel sanft. »Es ist mittlerweile drei Uhr.«
»O ja!« Rick seufzte. »Ich spüre es in allen Knochen. Mir fallen auch gleich die Augen zu.«
»Dann schlaf gut!« Hazel schickte ihm durch das Telefon einen Kuß. »Und sei vorsichtig, Darling. Denk daran, daß dich jemand umbringen will.«
»Wozu habe ich meinen Wachhund?« Rick streichelte grinsend über Draculas Kopf. Der Hund hatte schon seinen Stammplatz im Bett seines Herrn eingenommen. »Ich hoffe nur, mein Wachhund schläft nicht zu tief, wenn der Mörder kommt.«
Es war als makabrer Scherz gedacht und traf doch die Wahrheit ziemlich genau. Doch das ahnte Rick Masters in diesem Moment noch nicht.
Er bekam noch einen Anruf, bevor er einschlief, und zwar von Chefinspektor Hempshaw.
»Warum haben Sie sich nicht gleich bei mir gemeldet, Rick?« fragte Hempshaw anklagend. »Ich habe Ihre Aktion über Funk verfolgt.«
Rick Masters war bereits ehrlich müde und hatte keine Lust zu einer langen Diskussion. »Weshalb sollte ich mich bei Ihnen melden?« fragte er gereizt. »Der Mörder hat mich nicht getroffen, und ich habe ihn nicht erwischt. Wir sind sozusagen quitt, oder?«
Hempshaw lenkte ein. »So war das nicht gemeint, Rick. Ich habe mir Sorgen gemacht, und ich habe gehofft, Sie hätten neue Ideen.«
»Das habe ich auch gehofft.« Rick grinste zur Decke. »Leider ist daraus nichts geworden. Die Ideen bleiben ebenso aus wie der Erfolg. Soll ich ehrlich sein?«
»Wenn Sie es ausnahmsweise einmal schaffen«, witzelte der Chefinspektor.
»Ich werde mich bemühen. Also! Ich fürchte, ich habe mich bisher nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Der Mörder ist mir immer eine Nasenlänge voraus.«
»Das ist kein Wunder«, behauptete Hempshaw. »Er weiß schließlich, wer er ist, Sie wissen es nicht.«
»Sie trösten mich, Kenneth.« Rick gähnte herzzerreißend. »Und jetzt wünschen Sie mir eine gute Nacht. Sobald ich etwas erfahre, melde ich mich bei Ihnen.«
»Guten Morgen, Rick«, erwiderte Hemsphaw und legte auf.
»Tatsächlich, guten Morgen und nicht guten Abend!« Rick warf den Hörer achtlos auf den Apparat und schaltete seinen automatischen Anrufbeantworter ein. Auf diese Weise war er vor unerwünschten Störungen weitgehend sicher. Wer immer ihn jetzt anrief, hörte nur eine Tonbandstimme.
Lediglich Eingeweihte wußten, daß sie den Geisterdetektiv trotzdem in dringenden Notfällen erreichten, nämlich wenn sie nach Ablauf der Tonbandansage genügend lange warteten, dann schaltete sich wieder die Telefonklingel ein.
Die Tür des Wohnbüros war geschlossen, die Fenster gesichert. Dracula wachte darüber, ob übersinnliche Einflüsse auftraten. Selbstverständlich würde er auch die Annäherung eines Menschen melden.
Rick Masters war auch noch durch seine Pistole und seine Silberkugel geschützt. Dennoch gab es eine Störung.
Es war eine Vision. Und sie erfaßte ihn, kaum daß er das Licht löschte und die Augen schloß.
*
Im ersten Moment meinte Rick Masters, es wäre ein Traum. Doch dann merkte er erschrocken, daß seine Gedanken voll da waren, er also nicht schlief. Er konnte sich selbst beobachten und analysieren, was hier vor sich ging.
Er hörte das leise Jaulen seines Hundes. Dracula merkte, daß mit seinem Herrn etwas vor sich ging, das mit magischen Einflüssen zu tun hatte. Rick konnte das Phänomen jedoch weder steuern noch beenden.
Vorläufig wußte er nicht, worum es ging. Er befand sich scheinbar in einer völlig fremden Umgebung. Wohin er auch blickte, graue Steinmauern umgaben ihn. Es war ein unheimlicher Ort. Rick fühlte die Ausstrahlung des Todes.
Plötzlich hatte er das Gefühl, nicht mehr allein zu sein. Wieder sah er sich um und entdeckte eine Gestalt, die ihm bisher entgangen war. Eine Frau.
Sie war in ein graues, sackähnliches Kleid gehüllt, das ihren Hals freiließ. Ihre Haare waren schmucklos nach hinten gekämmt.
Der Geisterdetektiv stutzte. Irgendwoher kannte