Mary Henrietta Kingsley

Reisen in Westafrika


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Auf Fernando Po bricht das Fieber in periodischen Schüben aus, die noch deutlich ausgeprägter sind als auf dem Festland mit seinen an- und abschwellenden Fallzahlen. Darüber hinaus teilen Fernando Po und der Senegal sich die unbezweifelte, aber zweifelhafte Ehre, Ausbrüche von echtem Gelbfieber erlebt zu haben. In den Jahren 1862 und 1866 war die Krankheit auf einem Schiff aus Havanna eingeschleppt worden. In ihrer tödlichen südamerikanischen Variante ist sie auf der Insel seitdem nicht wieder aufgetreten und scheint also anders als im Senegal hier keinen Fuß gefasst zu haben. Nach einem besonders heftigen Ausbruch von Gelbfieber musste dort vor einigen Jahren in einem Distrikt alles eigentlich für den Nationalfeiertag zurückgelegte Geld für Särge ausgegeben werden.

      1858 kam die spanische Regierung wohl zu dem Schluss, der Sklavenhandel sei weit genug unterdrückt oder zumindest auf ein hinreichend unangenehmes Ausmaß zusammengeschrumpft und nahm Fernando Po wieder in Besitz. Dies geschah sehr zum Schrecken der Baptisten, deren Missionare sich in Clarence offenbar unter der falschen Annahme niedergelassen hatten, die Insel sei endgültig von den Engländern übernommen worden. Die Mission hatte von der Westafrika-Kompanie ein ausgedehntes Stück Land erhalten und auf diesem Land eine Menge afrikanischer Handwerker und Händler aus Sierra Leone und anderen Ländern angesiedelt, die die Arbeit für die Marinestation nach Clarence gelockt hatte. Und diese Menschen waren zusammen mit den englischen Kolonisten, die aus ähnlichen Gründen gekommen waren, die ersten Bewohner von Clarence. Die Ankündigung der spanischen Regierung, nur römisch-katholische Missionen zu tolerieren, veranlasste die Baptisten, ihre Besitzungen zu verlassen und sich auf das Festland zurückzuziehen, wo sie sich rund um die Ambasbucht niederließen und seitdem leben. Gegenwärtig ist der Protestantismus durch eine Methodistische Mission auf der Insel präsent, die auf dem Festland zwei Außenstellen unterhält, eine am Akwayafe und eine am Qua Iboe.

      Bei Rückgabe der Insel hatten die Spanier eine ihrer sporadischen Aktivitätsattacken und schickten zusammen mit Don Carlos Chacon, der das Kommando übernehmen sollte, vier Jesuitenpriester, einen Sekretär, einen Polizeioffizier, einen Buchhalter und die Santa Maria, ein Transportschiff mit einigen Emigrantenfamilien nach Fernando Po. Dieser Versuch einer Kolonisation hätte zumindest als Warnung dienen müssen, solche Experimente mit Frauen und Kindern nicht zu wiederholen, denn von diesen armen Kreaturen – für die man keine Häuser vorbereitet hatte, obwohl Regenzeit war – starben in den ersten fünf Monaten über zwanzig Prozent. Mr. Hutchinson, zu jener Zeit der englische Konsul auf der Insel, berichtete: »Nach sehr kurzer Zeit sah man die abgemagerten Gestalten von Männern, Frauen und Kindern durch die Straßen schlurfen, beinahe ohne jedes Lebenszeichen in ihren Gesichtern außer einer Art betäubten Gleichgültigkeit gegenüber der Frage, wann sie an der Reihe wären, umzufallen und zu sterben. Der Dampfer Portino brachte fünfzig von ihnen nach Cadiz zurück, bei ihrer Einschiffung wirkten sie mehr wie lebende Skelette als wie Menschen.«17 Ich zitiere dies nicht, um die spanische Regierung in ein schlechtes Licht zu rücken, sondern will lediglich ein Beispiel nennen für das tödliche Scheitern der Versuche, die Westküste zu kolonisieren. Selbst heute noch wird es ab und zu versucht, immer mit demselben schlimmen Ergebnis, doch heutzutage werden die meisten dieser Versuche von religiösen, aber schlecht informierten Menschen unter Bischof Taylors Mission unternommen.

      Die Spanier beschränkten sich nicht darauf, komplette Kolonistenfamilien auf die Insel zu verpflanzen. Sobald sie angekommen waren und ihre Baracken sowie Verwaltungsgebäude errichtet hatten, machten sie sich an die Arbeit und rodeten im Umkreis von sechs bis neun Kilometern um die Stadt den Busch. Der Boden überwuchs recht bald wieder, aber wegen der anderen Baumsorten ist das Areal noch immer erkennbar und ermöglichte es den Einwohnern, ohne größeren Aufwand rund um Clarence Gärten und kleine Plantagen anzulegen. Die Portugiesen hatten die Insel 147118 entdeckt und 1778 zusammen mit Annobón gegen die kleine Insel Catalina und die Kolonie Sacramento in Südamerika getauscht. Meine spanischen Freunde versicherten mir, diese erste Kolonialmacht hätte absolut nichts für die Entwicklung der Insel getan. Als sie selbst ihre neue Besitzung das erste Mal betraten, hätten sie sofort begonnen, die Insel zu kolonisieren und vom Busch zu befreien. Dann lief die Kolonisierung schief, angeblich hatten die Einheimischen die Brunnen vergiftet, und die Aufmerksamkeit der Spanier wandte sich zu jener Zeit aus unerfindlichen Gründen der Ostküste der Insel zu. Diese Gegend ist heute von Weißen weitgehend verlassen, da sie besonders ungesund ist. Zusätzlich zu den Kolonisten verloren die Spanier sehr viele Seeleute in der Conception Bay.19

      In der Folge erlahmte das Interesse der Spanier an der Insel, und sie verpachteten ihre Kolonie dann wie bereits beschrieben an die Engländer. Die Spanier sagen, wir hätten nichts getan, außer Clarence als Hauptstadt der Insel zu etablieren, was sie sehr bewundern, und eine Mission der Baptisten anzusiedeln, was sie weniger bewundern. Aber was soll’s! Fragen Sie mal die Baptisten, was die von den Spaniern halten. Ich für meinen Teil wünsche den Spaniern diesmal mehr Glück mit ihren Aktivitäten, denn mit ihren Plänen für Plantagen sind sie auf einem erfolgversprechenderen und sichereren Weg zum Reichtum als bei ihren früheren Anläufen mit politischen Gefangenen aus Kuba und kompletten Kolonistenfamilien. Ich hoffe, sie schicken die unglücklichen Gestalten, die sie derzeit dort haben, nach Hause und werden wie erhofft in zwei Jahren beginnen, den Profit ihrer Kaffee- und Kakaoplantagen zu ernten. Die Chancen dafür stehen gut, denn der Boden Fernando Pos ist sehr fruchtbar. Mr. Hutchinson berichtet, er habe beobachtet, wie Mais, den man hier an einem Montagabend gesät hatte, etwa 36 Stunden später am folgenden Mittwochmorgen aus der Erde trieb. Ich beobachtete Ähnliches auf dem gegenüberliegenden Festland bei Victoria, lasse jedoch gerne einen hochgewachsenen, starken Mann und Konsul ihrer Majestät für mich sprechen.

      Wenden wir uns nach den diversen Siedlern nun den Einheimischen der Insel zu, den Bubi. Dieses Volk birgt für Ethnologen eine Reihe interessanter Probleme, sowohl was ihre Geschichte auf der Insel als auch ihre Verwandtschaft mit den Völkern des Festlands angeht. Dennoch sind die Bubi bisher recht unbekannt, was wohl vor allem an ihrer Isolation und an ihrem völligen Desinteresse am Handel liegt. Insbesondere letztere Eigenart unterscheidet die Bubi mehr als alles andere von den Festlandbewohnern, die allesamt, jung wie alt, Männer wie Frauen, den Handel für das Größte im Leben halten. Die Festlandbewohner beginnen zu handeln, sobald sie krabbeln können, und sofern man ihren Geschichten über die Geister berühmter Händler glaubt, die sich angeblich noch immer in das Marktgeschehen einmischen, lassen sie selbst im Tode nicht davon ab. Aber bei den Bubi ist das anders. Ein bisschen Rum, einige Glasperlen und das war’s. Den Rest ihrer Aufmerksamkeit widmen sie der Jagd auf Stachelschweine oder auf die hübschen kleinen Gazellen mit grauem Rücken und weißem Bauch, von denen die Insel überquillt. Was an Zeit danach noch übrig ist, verbringen sie mit dem Hausbau und damit, sich Hüte anzufertigen. Erst ganz zuletzt ernten sie von ihrem reichen Vorrat an Palmnüssen gerade genug Palmöl, um an besagten Rum und Glasperlen zu kommen.

      Bubi brauchen keinen Stoff, sie haben absolut keine Verwendung dafür, da sie Kleidung verabscheuen. Die spanischen Autoritäten bestehen darauf, dass Einheimische, die die Stadt betreten wollen, etwas am Leibe tragen, also bedecken sie sich mit einem Fetzen Baumwollleinen. Doch beim Verlassen der Stadt reißen sie es sich noch in Sichtweite der Stadt wieder herunter, stopfen es in einen ihrer Körbe und zeigen so, wie unbeeinflussbar von weißer Kultur sie sind. Die Spanier legen nämlich wie die Portugiesen viel Wert auf Kleidung und verlangen von den Einheimischen, welche zu tragen – gewöhnlich mit überwältigendem Erfolg: Ich werde nie die meterlangen Baumwollstoffe vergessen, die die Frauen Luandas trugen. Da es nicht reichte, ihren Körper in einen Kokon zu hüllen, trugen sie auf dem Kopf aufgetürmt als Mantilla rund ein Dutzend weitere Meter Stoff. Diese ausgeprägte Kostümierung dient auch nicht nur dem Besuch der Städte: Ein deutscher Marineoffizier erzählte mir einmal, als sein Schiff eine Woche zuvor in Annobón angelegt habe, seien sie für »Sto’, Sto’, Sto’« praktisch belagert worden. Die Einheimischen erklärten schließlich, nach Príncipe übersetzen zu wollen, um dort auf den Kaffeeplantagen zu arbeiten, doch die portugiesischen Pflanzer weigerten sich, sie unbekleidet zu beschäftigen.

      Glauben Sie aber nicht, einem Bubi sei sein Erscheinungsbild unwichtig. Keineswegs, auf seine eigene Art ist er ein ziemlich eitler Pfau. Doch seine Vorstellung von Schmuck geht in Richtung einer den ganzen Körper bedeckenden Schicht aus »Tola Pomatum« und einen Hut auf dem Kopf. Bei diesem Hut kann es sich um ein antikes Stück europäischen Ursprungs handeln