Mary Henrietta Kingsley

Reisen in Westafrika


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Interesse haben. Ab und an erscheint ein Mann oder eine Frau freiwillig in Clarence und nimmt eine Dienstbotenstelle an, unterwirft sich den Bekleidungsvorschriften und begreift sehr schnell die Regeln eines Hauses oder Lagers. Und gerade, wenn deren Eigentümer denkt, er habe einen Schatz gefunden, und anfängt zu prahlen, er habe die Ausnahme zu allen Bubi entdeckt, oder dass er besser als alle anderen wisse, wie man mit ihnen umzugehen habe, erscheint im häuslichen Arrangement des Mannes plötzlich ein Loch. Der Bubi ist verschwunden, ohne jede Ankündigung und auch ohne etwas zu stehlen. Einfach still und leise verschwunden. Und verfolgt man den vermeintlichen Schatz, findet man ihn in seinem oder ihrem Dorf – unbekleidet, entspannt, völlig ungerührt und ohne jedes Bewusstsein, irgendetwas durch das Verlassen von Clarence und der Zivilisation verloren zu haben. Solches Verhalten hat den Bubi mehr als alles andere den Ruf eingebracht, ein wesentlich größerer Dummkopf zu sein, als tatsächlich der Fall ist.

      Nach westafrikanischen Maßstäben ist die Landwirtschaft der Bubi ziemlich hoch entwickelt – bemerkenswert ist jedoch die Abwesenheit von Maniok. Zwar wird Maniok auf Fernando Po angebaut, aber nur von den Portos. Die Bubi kultivieren Yams (Dioscorea alata), Taro (Colocasia esculenta, das Taro der Südsee) und Kochbananen. Ihre Farmen sind gut gepflegt, besonders jene im Grasland rund um die San Carlos Bucht. Die Yamswurzeln der Bergzonen sind die aromatischsten, aber die von der Ostküste am größten. Palmöl wird auf die übliche Weise für Haushaltszwecke genutzt, und Palmwein ist sowohl frisch als auch fermentiert das Standardgetränk der Einheimischen. Rum wird sehr geschätzt, im Allgemeinen aber nur zur Stärkung und zum Genuss getrunken, denn die Bubi neigen, wie die übrigen Westafrikanischer auch, keinesfalls zur Trinksucht. Bubi mögen in der Regel keinen Gin.21

      Ich möchte anfügen, dass sowohl einer unbestreitbare Autorität wie Dr. Buchner als auch meinen eigenen Beobachtungen zufolge Gleiches für die Dualla in Kameruns Flusswelt gilt.

      Körperlich sind die Bubi ziemlich gut gebaut und von mittlerer Größe. Den Benga oder Kru sind sie deutlich unterlegen, doch ungefähr auf Augenhöhe mit den Efik. Die Frauen sind sehr hübsch mit der bronzefarbenen Haut der Bantus. Die Männer tragen nicht selten Bärte, und diese geben ihren Gesichtern mehr als alles andere einen anderen Ausdruck als bei Efiks oder Duallas. Von all den Völkern, die ich sah, ähneln die Bakwiri in den Bergen Kameruns den Bubi am meisten. Jene sind ebenfalls oft bärtig, doch vielleicht sollte ich genauer formulieren: »tragen öfter Bärte«. Ein großer Teil der – zumindest in Westafrika – oft diskutierten Haarlosigkeit der Afrikaner ist Folge ihrer Angewohnheit, sich die Haare oft freiwillig auszureißen – ihre Bärte, Schnurrbärte, Koteletten und gelegentlich, wie etwa die Fang, auch ihre Augenbrauen.

      Dr. Baumann, der wichtigste Experte für die Sprache der Bubi, meint, sie gehöre zur Familie der Bantu-Sprachen.22 Ich kann dazu nichts berichten, außer, dass sie einen rauen Klang hat. Die Bubi zählen gewöhnlich in Fünferschritten, doch ihre mathematischen Fähigkeiten sind bemerkenswert schlecht. In dieser Hinsicht unterscheiden sie sich von den Festlandbewohnern im Allgemeinen und insbesondere zu ihren direkten Nachbarn, die sehr gut mit Zahlen umgehen können und die Bantus hierhin deutlich übertreffen, wie im Übrigen auch in den meisten anderen intellektuellen Aktivitäten.

      Doch das bemerkenswerteste Beispiel für Unterlegenheit ist die Unkenntnis der Bubi über Methoden zur Eisenverarbeitung. Ich weiß nicht, ob es auf Fernando Po natürliche Eisenvorkommen gibt, aber Alteisen kennen die Bubi nun seit mehreren hundert Jahren. Alle Festlandbewohner kennen eigene Methoden der Eisenverarbeitung, auch wenn heutzutage viele Stämme für ihren Nachschub an Messern und Ähnlichem komplett von europäischen Händlern abhängig sind. Dieser Unterschied zwischen ihnen und den Bubi scheint anzudeuten, dass die Einwanderung der Letzteren auf die Insel lange zurückliegen muss, bevor sich die Kunst der Eisenverarbeitung an der Küste ausbreitete. Folgt man freilich der üblichen Schöpfungsgeschichte, die sich die Bubi selbst erzählen, nach der sie dem Gipfelkrater des Clarence Peak entstiegen, so ergibt dieses Argument keinen Sinn. Doch es gibt eine weitere Legende, der darüber hinaus ein Gegenstück auf dem Festland entspricht. Demnach wurden die Bubi durch die Ankunft der Mpongwe aus einer Gegend nördlich der Gabunmündung vertrieben, und da diese Geschichte die glaubwürdigere der beiden ist, könnte es mehr oder weniger die Wahrheit sein. Weiter verkompliziert wird das Problem jedoch dadurch, dass die Bubi zwar keine Eisenverarbeitung beherrschen, sehr wohl aber bis vor einiger Zeit die Bearbeitung von Stein. Viele Porto-Schwarze auf Fernando Po erinnern sich, wie in ihrer Jugend die Bubi noch Steinwerkzeuge herstellten und benutzten, was seit Menschengedenken keiner der Stämme auf dem Festland tat. Es stimmt, dass man am Oberlauf des Niger, in Benin und in der Gegend um Axim polierte Steinkeile antrifft, aber die werden als Kultgegenstände betrachtet, Donnerkeile, die sich nur zum Zermahlen und zur Herstellung von Medizin eignen. Soweit ich beobachten konnte, lassen sich in den Überlieferungen keiner dieser Orte Spuren einer Vergangenheit finden, in der Steinwerkzeuge im allgemeinen Gebrauch gewesen wären. Doch zugleich sind die Mpongwe noch nicht sehr lange an der Küste, denn ihre Ankunft ist in den Überlieferungen noch präsent.

      Die Steinwerkzeuge der Bubi sah ich bei zwei Gelegenheiten, doch konnte ich beide Male kein Exemplar sichern, und obwohl mir seit Langem einige Exemplare von Fernando Po zugesagt worden sind, habe ich sie bisher noch nicht erhalten. Sie sind schwer aufzutreiben, keines der derzeitigen Dörfer ist sehr alt, da die Bubi wie die meisten Bantus regelmäßig weiterziehen: Entweder der Boden ist verhext, wie wiederkehrende Krankheitsausbrüche belegen, oder ein Nachbarstamm ist mit seinem neuen Dorf beziehungsweise ein schrecklicher weißer Mann mit seiner Plantage zu nahe gerückt. Ein römisch-katholischer Priester im Kongo erzählte mir einst eine Geschichte, über die er herzlich lachte: Sie handelte von einem anderen Priester, der sich eines Abends mutig mitten in einem Dorf der Bubi niederließ und beabsichtigte, den Rest seines Lebens der stillen, aber gründlichen Christianisierung der Einwohner zu widmen. Als er am nächsten Morgen erwachte, war er allein. Die Menschen hatten alle beweglichen Habseligkeiten eingepackt und waren verschwunden, um irgendwo anders ein neues Dorf zu errichten. Der ehrenwerte Pater verfolgte seine Herde einige Zeit erfolglos durch den Wald und kehrte schließlich frustriert in der Überzeugung heim, der Schöpfer habe aus einem sicher weisen Grund die Bubi dem Teufel überlassen.

      Die Speere dieses interessanten Stammes sind bis heute ausschließlich aus Holz und machen einen derart polynesischen Eindruck, dass ich plane, eines Tages einige mit nach Hause zu bringen und sie am Polynesienexperten Baron von Hügel zu testen – im übertragenem Sinne, nicht im wörtlichen, wie Sie hoffentlich verstehen.

      Die Töpferkunst der Bubi erinnert sehr an die Frühgeschichte der Menschen, unterscheidet sich darin aber nicht sehr von der auf dem Festland, die genauso unterentwickelt ist und auf ähnliche Weise ohne Töpferscheibe gefertigt und von der Sonne gebrannt wird. Den Gefäßen der Bubi, die ich zu sehen bekam, fehlten jedoch die Muster, die auf dem Festland rund um die Töpfe laufen, um »die Seelen einzusperren« (dafür eignet sich jedes Muster, und es muss nicht sorgfältig ausgeführt sein). Auf diese Weise soll zum Beispiel verhindert werden, dass die Gefäße von selbst zerbrechen.

      Die Korbflechterei der Bubi ist demgegenüber weit fortgeschritten: Ihre Körbe für die Aufbewahrung von Palmöl sind exzellent und halten auch Wasser wie eine Schale. Allerdings bin ich unsicher, ob diese Kunst tatsächlich von ihnen entwickelt wurde, oder ob geflohene Sklaven der Portugiesen sie mitbrachten, denn die Körbe erinnern mich sehr an jene, die meine alten Freunde herstellen, die Cabinda, von denen viele jener Sklaven stammten. Ohne Zweifel verdanken sich einige Musikinstrumente der Bubi dieser Quelle, insbesondere ihr heiß geliebtes Elibo. Man kann es als Art hölzerne Glocke beschreiben, in deren Innern als Klöppel einige Stäbe (meist fünf) an ein Stück Holz gefädelt werden, das im Glockendom eingeklemmt wird. Die Klöppel schlagen dann an den Rand, über den sie knapp hinausreichen. Diese Glocken ähneln sehr denen, die man in Angola findet, doch fand ich auf der Insel kein der typisch angolanischen Doppelglocke vergleichbares Instrument, und auch Dr. Baumann berichtet von keinem solchen Fund. Die Glocke der Bubi ist aus einem einzigen Holzstück gefertigt und wird mit beiden Händen benutzt beziehungsweise gespielt. Dr. Baumann berichtet, in Nächten mit hellem Mondlicht sei es Sitte, dass sich zwei Reihen Männer gegenübersetzen und einander anschauend kräftig und rhythmisch mit den Glocken klappern – man kann es nicht wirklich als Läuten bezeichnen. Dazu stimmen sie einen monotonen Gesang an, während die erfreuten Frauen und Kinder