dem Gesicht verlieren, was auch geschehen mag! Verlassen Sie sich im übrigen auf mich! Ich kenne den Herrn an Bord jetzt gründlich.«
Der Admiral klopfte zum Abschied Asbjörn Krag herzlich auf die Schulter. Der Detektiv flüsterte darauf seinem Kollegen einige Worte zu und schärfte ihm ein, auf dem Posten zu sein. Dann sprang er leicht und behend auf das Verdeck der »Anna«.
Auf Krags Wunsch entfernten sich die beiden Torpedoboote einen guten Büchsenschuß weit. Und Krag, auf seinen Mut und seine Geistesgegenwart vertrauend, war nun allein an Bord des Freibeuters, den er so kühn und geschickt bis hierher verfolgt und zur Kapitulation gezwungen hatte.
X.
Gefangen
Auf dem Verdeck wurde Krag von einem Dänisch sprechenden, seemännisch gekleideten Mann von robustem, nichts weniger als Vertrauen erweckendem Aeußeren empfangen.
»Ich bin der Kapitän des Bootes. Was wünschen Sie also?« fragte er.
»Ich wünsche nicht,« erwiderte der Detektiv bestimmt. »Ich verlange Ihr Boot zu untersuchen.«
»Mit welchem Recht?«
Krag zog seine Polizeikarte.
»Ich bin Mitglied der Polizei in Christiania,« erwiderte er.
»Aber das ist ein dänisches Fahrzeug.«
»Hat nichts zu sagen. Wir befinden uns noch auf norwegischem Seeterritorium.«
Der Kapitän sah zu den Torpedobooten hinüber.
»Gut,« sagte er, »ich sehe, daß Sie die Macht haben. Also bitte, tun Sie, was Sie wollen.«
Krag und der Kapitän gingen zusammen in die Kajüte hinunter.
»In welcher Angelegenheit sind Sie in Norwegen gewesen?« fragte er.
»In Ingenieur Barras Angelegenheit,« erwiderte der Kapitän ganz ruhig.
Der Detektiv zuckte zusammen. Also doch!
»Wissen Sie, daß Sie ein Werkzeug in den Händen eines großen Verbrechers gewesen sind?«
»Nein, davon habe ich keine Ahnung.«
»Was haben Sie denn im Mosse-Fahrwasser gemacht.«
»Ich habe zehn kleine Blechkassetten abgeholt.«
»Die in einem roten Automobil zum Schiff gebracht wurden?« fragte der Polizist rasch.
»Ganz richtig.«
»Kannten Sie den Automobilführer?«
»Ja, es war kein anderer als Barra.«
»Und er kam mit an Bord?«
»Nein, er blieb zurück.«
»Das glaube ich nicht.«
»Dann lassen Sie es bleiben. Finden Sie, daß ich Ihnen im übrigen etwas verhehle?«
Krag konnte sich dieser Logik nicht ganz verschließen.
»Hören Sie mal,« sagte er, »kennen Sie Barra schon längere Zeit?«
»Ja, viele Jahre, ich traf ihn das erstemal auf Kuba.«
»Ist er ein guter Kamerad?«
»Er ist nicht mein Kamerad,« erwiderte der Seemann, »ich leiste ihm nur Dienste, wenn er es verlangt.«
»Bezahlt er gut?«
»Nun, ja.«
»Warum lassen Sie sich doch auf so zweifelhafte Geschäfte ein?«
»Weil ich muß, wer einmal in Barras Klauen ist, muß sein Freund sein. Sonst–«
»Sonst?«
Der Seemann erwiderte nichts. Er lächelte nur. Krag dachte bei sich selbst, daß er noch nie ein so unheimliches Lächeln gesehen hatte.
»Wo sind die gestohlenen Blechkassetten?« fragte Krag.
»Gestohlen?« rief der Kapitän. »Ach so! Die sind gestohlen?«
»Das mußten Sie doch wissen.«
»Nein, das konnte ich nicht wissen. Barra hat immer soviel Wunderliches vor. Aber hier sind die Kassetten.«
Er warf einige Plachen beiseite. Darunter standen die zehn Blechkassetten. Krag beugte sich herab, und er konnte einen Ausruf der Freude nicht unterdrücken. Es war wirklich die gestohlene Goldsendung. Krag erkannte sie nach der Beschreibung. Und die Siegel waren uneröffnet, der Inhalt also noch unversehrt. Er hatte die Bank vor einem ungeheuren Verlust bewahrt.
Plötzlich hörte er hinter sich eine Türe knirschen. Rasch wie der Blitz sprang er auf und drehte sich um, aber blieb wie versteinert stehen.
Da, vor ihm stand Ingenieur Barra und sah ihn mit seinem unendlich höhnischen und überlegenen Blick an. Er war in seinen alten, staubgrauen, schmutzigen Mantel gehüllt.
Der Detektiv sah sich rasch um. Zu seinem Schrecken entdeckte er, daß der Rotbärtige und der Kapitän zwischen ihm und der Türe standen. Draußen rauschten Wellen und Wind. Selbst der verzweifeltste Schrei konnte von keinem menschlichen Ohr an Bord der zwei Torpedoboote gehört werden.
Ingenieur Barra stand lange still und starrte den Detektiv mit seinen kalten, fühllosen Schlangenaugen an.
Der Kapitän des Schiffes schien über das Erscheinen des Rotbärtigen nicht im geringsten betroffen.
Er lächelte und sagte:
»Sie strafen mich Lügen, Herr Barra! Nun ja, so habe ich nichts mehr zu sagen, da meine Worte ja doch keinen Glauben mehr finden werden.«
Asbjörn Krag nickte: »Da haben Sie recht,« sagte er, »ich glaube Ihnen nichts mehr.«
Es trat eine Pause ein, in der die drei Männer einander betrachteten und gleichsam gegenseitig ihre Kräfte prüften. »Soll ich gehen?« fragte dann plötzlich der Kapitän.
»Nein,« antwortete der Rotbärtige. »Bleiben Sie nur, wir sind stärker, wenn wir zu zweien sind.«
Asbjörn Krag hatte nun seine Beherrschung wiedererlangt.
»Wollen wir uns nicht setzen?« fragte er gleichmütig. »Ich vermute, daß Sie mit mir unterhandeln wollen, und da ist es unleugbar behaglicher, zu sitzen, als zu stehen.«
Der Rotbärtige machte eine Handbewegung.
»Bitte,« sagte er. »Nehmen Sie auf dem Sofa Platz. Ich selbst ziehe es vor, zu stehen.«
»Ich liebe es,« fuhr Krag fort, indem er Platz nahm, »ich liebe es, meine starken, türkischen Zigaretten zu rauchen, wenn ich in eine peinliche und nervenanspannende Situation gerate. Gestatten Sie, daß –«
»Nein,« unterbrach der Rotbärtige rasch.
Krag sah, daß ein Gegenstand in seiner Hand aufblitzte. Es war ein Revolver.
»Warum nicht?«
»Weil«, erwiderte der Ingenieur und lächelte in seiner unheimlichen Weise, »ich nicht wünsche, daß Sie auch nur einen einzigen Augenblick Ihre Hand in die Tasche stecken.«
»Was wollen Sie denn eigentlich von mir?«
»Das werden Sie sogleich erfahren. Ich hatte zuerst gedacht, mich vor Ihnen zu verbergen. Aber als ich entdeckte, daß Sie allein an Bord gekommen sind, überlegte ich es mir sofort. Sie haben eine Dummheit gemacht, Herr Detektiv.«
»Kaum! Ich wollte nur nicht noch andere irgendwelchen teuflischen Anschlägen von Ihrer Seite aussetzen. Ich konnte mir ja denken, daß Sie, wenn Sie sahen, daß alles aus ist, sowohl sich selber, wie uns andere in einer Weise aus der Welt befördern würden, die eines großen