Sven Elvestad

Detektiv Asbjörn Krag: Die bekanntesten Krimis und Detektivgeschichten


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kurze, scharfe Kommandorufe ertönten, und ein kleines Segeltuchboot wurde ins Wasser gelassen, mit drei stämmigen Matrosen bemannt.

      Binnen wenigen Minuten waren sie an der Stelle, wo der Polizist und der Ingenieur in den Wellen lagen und auf Leben und Tod miteinander kämpften.

      Asbjörn Krag schien sehr angegriffen, seine Kräfte waren fast erschöpft. Ingenieur Barra hatte immer wieder versucht, ihn mit in die Tiefe zu ziehen.

      Nun ist das Rettungsboot ganz in der Nähe.

      Im selben Augenblick stößt Krag den Kopf des Ingenieurs weg, so daß der Rotbärtige mit einem heiseren Schrei sinkt.

      Doch da ist die Rettung schon da. Eine kräftige Faust packt Krag im Nacken und zieht ihn in das Segeltuchboot. Er wird auf den Boden des Bootes gelegt, wo er sofort ohnmächtig zusammensinkt. Aber vorher hat er noch Gelegenheit zu rufen:

      »Rettet den andern! Rettet Barra!«

      Die Matrosen ruderten eine Weile umher, und wirklich! Dort tauchte der Ingenieur auf. Sein Rücken krümmte sich über dem Meeresspiegel, während der Kopf unter Wasser blieb.

      Man packte ihn sofort an den Kleidern und zog ihn an Bord.

      Einer der Seeleute – es war ein Unteroffizier – legte das Ohr an seine Brust:

      »Er lebt noch,« sagte er. »Das Herz schlägt. Soweit keine Gefahr.«

       Sie legten ihn so, daß der Mund nach unten gekehrt war, eine Menge Seewasser lief heraus.

      Dann wurde zu dem Torpedoboot zurückgerudert.

      In dem Augenblick, in dem man Krag über das Geländer auf das Verdeck hob, kam er zum Bewußtsein.

      Er rief dem Admiral, der herbeieilte und seine Hände ergriff, zu: »Passen Sie auf den Fredrikshavner auf.«

      Im selben Augenblick ertönte ein Schuß von dort.

      »Der Schurke!« rief der Admiral. »Er hat die Schiffsseite getroffen.«

      »Die Kugel war mir zugedacht,« murmelte der Detektiv. Er war furchtbar blaß. Gleich darauf wurde er wieder ohnmächtig.

      Man brachte trockene Kleider, und einige Minuten später lagen der Polizist und der Rotbärtige in der Kajüte des Chefs, der letztere mit entsprechenden Eisen um die Handgelenke versehen.

      Auf Krags Weisung wurde dann das Fredrikshavner Dampfschiff mit Marinesoldaten bemannt, und man fuhr zuerst nach Langesund, von wo Krag den glücklichen Ausfall der Sache sowohl dem Chef des Sicherheitsbureaus, wie den interessierten Banken telegraphierte.

      Als dies glücklich geordnet war, wurde sofort Kurs auf Christiania genommen.

      XI.

       Diplomatisch

       Inhaltsverzeichnis

      Wir befinden uns in der Polizeistation in Christiania, in dem Kontor des Chefs des Sicherheitsbureaus.

      Der Chef geht nervös auf und ab, setzt sich dann nieder, um in einigen Papieren zu wühlen, springt wieder aus, stellt sich an das Fenster und sieht auf den Marktplatz hinaus, wo das Morgenleben pulsiert.

      Er sieht auf die Uhr.

      Es ist halb neun.

      Einen Augenblick darauf klingelt er.

      Ein junger Detektiv in Zivil kommt herein.

      »Noch keine Mitteilung von Krag?« fragte der Chef.

      »Nein.«

      »Das fängt an, unheimlich zu werden. Kann Barra doch noch entwischt sein?«

      »Nicht unmöglich. Es ist Nebel im Fjord.«

      Der Polizist nahm einige geöffnete Telegramme, die auf seinem Tische lagen, und las sie noch einmal durch.

      Es waren die Telegramme aus Moß und Horten, die die verschiedenen Schritte meldeten, welche Krag unternommen hatte.

       Der Chef sah in Gedanken, wie sein bester Mann rasch und geistesgegenwärtig und klar berechnend dem fliehenden Ingenieur nachgesetzt war. Und welche Mittel hatte er nicht angewendet! Der Chef mußte lächeln. Wie das Krag ähnlich sah: zwei Torpedoboote, einen Extrazug, einen Admiral. Ja, er spielte kühn, wenn er erst Karten in der Hand hatte. Aber sollte es ihm doch mißlungen sein?

      »Ein Telegramm.«

      »Ah!« Der Chef griff ungeduldig danach. War es von Krag? – Aber nein! Dieses Telegramm war von M. Lecroi, dem Chef der Pariser Polizei, unterzeichnet. Auch dorthin war auf Krags Veranlassung eine telegraphische Anfrage mit dem Signalement des Ingenieurs Barra gesendet worden.

      M. Lecroi telegraphierte:

      »Aus wichtigen Gründen interessiert es die Pariser Polizei, nähere und erschöpfende Mitteilungen über Ingenieur Barra zu erhalten, weshalb auch ein paar unserer tüchtigsten Detektive soeben nach Christiania abgereist sind. Die dortige Ortspolizei wird gebeten, ihnen alles, was sie weiß, zur Verfügung zu stellen. Barra ist ein genialer Ingenieur und, obwohl vielleicht der erste Erfinder der Zeit, ein gefährlicher Anarchist. Experimentiert besonders mit neuen Sprengstoffen. Hat der französischen Marine Torpedoverbesserungen für hunderttausend Franken verkauft und wurde unter jetzt verletzten Bedingungen für seine Verbrechen begnadigt. Näheres durch den Gesandten in Christiania.«

      Das sieht ja nach einer Persönlichkeit von politischer Bedeutung aus, dachte der Chef des Sicherheitsbureaus. Uebrigens sollten die Herren Franzosen nicht so überlegen von unserer »dortigen Ortspolizei« sprechen. Ich möchte wissen, ob einer von ihnen Asbjörn Krag diese Festnahme nachmachen könnte, – wenn sie ihm nur auch geglückt ist, fügte er mit einem tiefen Seufzer hinzu.

      Endlich – gegen zwei Uhr nachmittags kam die sehnsüchtig erwartete telegraphische Botschaft von Asbjörn Krag. Das Telegramm versetzte den Chef in einen Taumel des Entzückens, der wenig mit dem sonstigen Auftreten des ernsten Polizeigewaltigen übereinstimmte. Er rief alle Anwesenden der Detektivabteilung zusammen, schwang das Telegramm triumphierend über seinem Kopf und rief:

      »Hab' ich's nicht gedacht! Krag hat gesiegt. Barra und seine Bande ist gefaßt.«

      Das Telegramm von Langesund ging nun von Hand zu Hand und wurde mit ebenso großem Interesse wie Aufmerksamkeit gelesen.

      »Hier angekommen. Barra und seine Mitschuldigen gefaßt. Das Gold gerettet. Wir unterwegs Christiania. Erwartet uns Kaiserbrücke. Krag.«

      Und nun wich der Chef des Sicherheitsbureaus von aller hergebrachten Regel ab und stellte sich selbst an die Spitze seines Personals, um an einem der nächsten Abende eine festliche Veranstaltung für Krag abzuhalten. In Wahrheit, er verdiente es, und alle konnten auch aus seinem interessanten Bericht, wie er diese schwierige Affäre gelöst hatte, lernen. Vielleicht auch die zwei »berühmten« französischen Detektive, wenn sie herkamen. Man konnte ihnen ja einen Dolmetscher spendieren, lachte der Chef und rieb sich die Hände. Niemand konnte sich erinnern, ihn so vergnügt gesehen zu haben, wie an diesem Morgen. Und er hatte allen Grund, sich obenauf zu fühlen.

      Der Direktor der Bank, an der der Diebstahl begangen worden war, hatte einen tüchtigen Morgenschrecken gehabt.

      Schon um drei Uhr nachts wurde der Präsident der Direktion geweckt und bekam von der Polizei die Mitteilung von Barras Raub des Eisenbahnwagens und seines Goldinhaltes. Er konnte vorläufig nichts anderes in der Sache tun, als schon von seiten der Polizei geschehen war. Doch gleich am nächsten Morgen rief er die übrigen Direktionsmitglieder der Bank zu einer außerordentlichen Sitzung zusammen. Er berichtete über die näheren Umstände des Raubes, die ungewöhnliche Höhe des Betrages und konstatierte, daß die Stellung der Bank ernstlich erschüttert war, wenn es dazu kam, daß sie diesen ganz unvorhergesehenen Verlust tragen mußte.

      Die Direktion beschloß beisammenzubleiben und nähere Nachrichten der Polizei abzuwarten,