Elisabeth Bürstenbinder

Die beliebtesten Liebesromane & Geschichten von Elisabeth Bürstenbinder


Скачать книгу

mit seiner Frau in das Arbeitszimmer. Sie schien auf der Schwelle zu zögern.

      „Ich wünschte Dich zu sprechen!“ sagte sie mit unterdrückter Stimme.

      „Ich stehe Dir ganz zu Befehl.“

      Er schloß die Thür wieder und schob einen Fauteuil heran, indem er sie mit einer Handbewegung einlud, darauf Platz zu nehmen. Die wenigen Minuten hatten genügt, dem jungen Manne wieder die ganze Fassung zurückzugeben, in der er sich in den letzten Wochen hinreichend geübt; Antwort und Bewegung waren so kühl und abgemessen, als ob er der fremdesten Dame in dem fremdesten Salon eine Höflichkeit erweise.

      „Willst Du Dich nicht setzen?“

      „Ich danke! Ich werde Dich nicht lange in Anspruch nehmen.“

      Es war etwas Scheues, Unsicheres in dem Wesen der jungen Frau, das eigenthümlich mit ihrer sonst so sicheren Haltung contrastirte. Vielleicht fühlte sie sich fremd in diesen Räumen, und vielleicht wurde es ihr auch schwer, den Anfang des Gespräches zu finden. Arthur erleichterte ihr Beides nicht; er sah, wie sie zweimal vergebens nach Worten suchte, ohne sie finden zu können, aber er stand stumm und finster ihr gegenüber am Schreibtische und wartete.

      „Mein Vater hat mir sein heutiges Gespräch mit Dir mitgetheilt,“ begann Eugenie endlich, „und auch das Resultat desselben.“

      „Das habe ich erwartet, und eben deshalb – verzeih’, Eugenie! – war ich anfangs so überrascht, Dich hier zu sehen. Ich glaubte Dich mit den Vorbereitungen der Abreise beschäftigt.“

      Die Worte sollten wohl den Eindruck seiner Bewegung bei ihrem Erscheinen verwischen, und sie schienen es auch zu thun. Es vergingen einige Secunden, ehe die junge Frau antwortete.

      „Du hast diese Abreise bereits heute Nachmittag der Dienerschaft angekündigt?“

      „Ja! Ich glaubte Deinen Wünschen zuvorzukommen und überdies hielt ich es für besser, wenn der Befehl zu den Vorbereitungen von mir ausging; Du kennst ja den Vorwand, den wir brauchen. Beabsichtigtest Du die Sache anders einzuleiten? Dann bedaure ich, Deine Absichten nicht gekannt zu haben.“

      Der Ton war eisig, und es schien auch daraus wie ein Eishauch zu Eugenien herüberzuwehen; sie trat unwillkürlich einen Schritt zurück.

      „Ich habe nichts zu erinnern. Es überraschte mich nur, daß der einmal festgesetzte Termin meiner Abreise beschleunigt werden soll. Du hattest doch Deine Gründe, ihn festzuhalten.“

      „Ich? Es war Dein Wunsch, Deine Forderung, der ich in diesem Punkte nachkam. Baron Windeg sagte mir wenigstens, daß es so wäre.“

      Eugenie fuhr auf. Es schien, als ob mit dem tiefen erleichternden Athemzuge, der jetzt ihre Brust hob, auf einmal alle Scheu und Unsicherheit verschwinde, als ob ihr mit der einen Antwort der ganze Muth zurückgekommen sei.

      „Ich ahnte es! Mein Vater ist zu weit gegangen, Arthur; er hat in meinem Namen gesprochen, wo er nur seinen eigenen Wunsch vertrat. Ich bin gekommen, das Mißverständniß zu lösen und Dir zu sagen, daß ich nicht abreisen werde – wenigstens nicht eher, bis ich aus Deinem Munde höre, daß Du es verlangst.“

      Eugenie hatte den Blick fest, aber wie in banger, athemloser Erwartung auf Arthur’s Antlitz gerichtet, als wolle und müsse sie jetzt in seinem Auge lesen, aber dieses Auge blieb verschleiert und die Worte brachten überhaupt gar keine Wirkung hervor. Wohl fuhr ein Zucken durch seine Mienen, als sie das „Mißverständniß“ löste, vielleicht war es ihr auch nur so vorgekommen, denn die Bewegung ging so schnell wie sie kam, aber das Gesicht blieb unverändert und die Stimme hatte den alten eisigen Klang, als er nach einer secundenlangen Pause antwortete:

      „Du willst nicht abreisen? Und warum nicht?“

      Die junge Frau trat mit voller Entschiedenheit vor ihren Gatten hin. „Du hast mir gestern selbst gesagt, daß es sich in dem bevorstehenden Kampfe um Deine Existenz handelt; daß er bis auf’s Aeußerste ausgefochten wird, weiß ich seit der letzten Begegnung mit Hartmann, und Deine Lage ist jedenfalls noch bedrohlicher, als Du mir zugiebst. Ich kann und werde Dich gerade in solchem Momente nicht verlassen, das wäre eine Feigheit und –“

      „Du bist sehr großmüthig,“ unterbrach sie Arthur; aber jetzt barg sich hinter der Kälte seines Tones bereits eine schlecht verhehlte Bitterkeit. „Aber um Großmuth ausüben zu können, dazu gehört auch, daß sich jemand findet, der sie annimmt, und ich nehme die Deinige nicht an.“

      Eugeniens Hand drückte sich wie im verhaltenen Zorne fest in die sammetüberzogene Lehne des Sessels. „Nicht?“

      „Nein! Der Plan ging von Deinem Vater aus – sei es! Er hat ohne Zweifel das Recht, für seine Tochter, die ihm in Kurzem wieder ganz gehören wird, Schutz und Sicherheit vor den Rohheiten und Excessen zu fordern, die aller Wahrscheinlichkeit nach hier vorkommen werden. Ich gebe ihm darin vollkommen Recht und füge mich unbedingt der morgenden Trennung.“

      Die junge Frau hob energisch das blonde Haupt. „Und ich fügte mich ihr nur so lange, als ich sie für Deinen Wunsch hielt; dem bloßen Willen meines Vaters weiche ich darin nicht. Ich habe die Pflichten Deiner Gattin nun einmal übernommen, vor der Welt wenigstens; vor ihr werde ich sie auch durchführen, und sie gebieten mir, Dich im Angesichte dessen, was bevorsteht, nicht feig zu verlassen, sondern an Deiner Seite zu bleiben, bis die Katastrophe vorüber und der ursprünglich beschlossene Termin unserer Trennung da ist. Dann werde ich gehen, eher nicht.“

      „Auch nicht, wenn ich es ausdrücklich von Dir verlange?“

      „Arthur!“

      Der junge Mann stand zur Hälfte abgewendet, seine Rechte zerknitterte nervös eins der Papiere seines Schreibtisches, das er mechanisch ergriffen hatte; die so gewaltsam zusammengeraffte Selbstbeherrschung wollte diesem Blicke und Tone gegenüber nicht mehr Stand halten.

      „Ich habe Dich schon einmal gebeten, keine Großmuthsscene mit mir zu spielen,“ sagte er bitter. „Ich bin nicht empfänglich dafür. Pflichten! Eine Frau, die ihrem Manne freiwillig Hand und Herz giebt, die hat die Pflicht, in der Gefahr bei ihm auszuhalten und sein Unglück, vielleicht seinen Untergang zu theilen, wie sie sein Glück getheilt hat – das war unser Fall ja wohl nicht. Wir haben keine Pflichten gegen einander, weil wir nie Rechte auf einander gehabt haben. Das Einzige, was ich Dir in dieser erzwungenen Ehe bieten konnte, war die Möglichkeit, sie zu lösen; sie ist gelöst seit dem Augenblicke, wo wir die Trennung beschlossen. Das ist meine Antwort auf Dein Anerbieten.“

      Die dunklen Augen Eugeniens hingen noch immer unverwandt an seinen Zügen. Dieses heiße verrätherische Aufleuchten, das jedesmal blitzähnlich eine unbekannte Tiefe zu enthüllen schien, heute kam es nicht, und heute gerade hatte sie es hervorzwingen wollen um jeden Preis. Was sie darin auch gesehen und geahnt haben mochte – und die stolze Frau mußte etwas geahnt haben, ehe sie sich zu diesem Kommen und Anerbieten entschloß – er gönnte ihr nicht den Triumph, es noch einmal zu sehen oder zur Klarheit darüber zu gelangen; er blieb vollkommen Herr über sich und ließ ihr den quälenden Zweifel. Der Instinct des Weibes hatte so laut und untrüglich gesprochen, als ihr gestern auf der Waldhöhe die Blicke Ulrich Hartmann’s entgegenflammten, und mit der Erkenntniß dessen, was dahinter lag, war auch das Grauen davor gekommen. Freilich dort war sie kalt geblieben, mitten in der Gefahr, mit der eine unsinnige Leidenschaft sie bedrohte; hier, wo nichts zu fürchten war, hier bebte ihr ganzes Wesen in fieberhafter Erregung, und ebendeshalb verschleierte sich Alles, wie sich die braunen Augen drüben vor ihr verschleierten; deshalb schwieg die innere Stimme, und doch hätte sie ihr Leben darum gegeben, gerade hier Gewißheit zu haben.

      „Du solltest mir das Bleiben nicht so schwer machen.“ Die Stimme Eugeniens hatte etwas von dem quälenden Zweifel ihres Innern; sie schwankte zwischen herbem Stolze und weicher Nachgiebigkeit. „Ich habe Manches überwinden und niederkämpfen müssen, ehe ich hierher kam; Du weißt es, Arthur, also schone es auch.“

      Die Worte klangen fast wie eine Bitte; aber Arthur war bereits auf einen Punkt gekommen, wo er das nicht mehr verstand. Die wilde Bitterkeit, die furchtbare Gereiztheit, welche sein ganzes Wesen durchzitterten, gaben auch hier die alleinige Richtung und Auffassung,