Elisabeth Bürstenbinder

Die beliebtesten Liebesromane & Geschichten von Elisabeth Bürstenbinder


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Herrin ihres Willens. Wenn sie die Entfernung für nöthig hält – ich lasse ihr vollkommene Freiheit!“

      Windeg neigte sehr befriedigt das Haupt. „So begleitet sie uns also morgen! Was die Dauer ihrer Abwesenheit betrifft – wir kommen da auf einen Punkt, den zu berühren uns Beiden wohl gleich peinlich ist; aber ich ziehe es dennoch vor, ihn mündlich zur Sprache zu bringen, um so mehr, als ich weiß, daß in der Hauptsache sich unsere Wünsche begegnen.“

      Arthur schien von dem Sessel auffahren zu wollen; aber er bezwang sich und behielt seinen Platz.

      „Ah so! Eugenie hat Ihnen bereits Mittheilungen gemacht!“

      „Ja! Befremdet Sie das? Dem Vater konnte und mußte sie sich wohl zunächst anvertrauen.“

      Die Lippen des jungen Mannes zuckten. „Ich setzte voraus, daß die Sache ein Geheimniß zwischen uns Beiden bliebe, bis die Zeit zum Handeln da wäre. Ich habe mich geirrt, wie ich sehe!“

      „Weshalb einen einmal gefaßten Beschluß aufschieben?“ fragte der Baron ruhig. „Die Zeit zur Ausführung ist gerade jetzt günstig. Die augenblicklichen Verhältnisse auf Ihren Gütern geben den besten und unverfänglichsten Vorwand zur Entfernung meiner Tochter. Daß diese Entfernung eine dauernde ist, braucht die Welt ja für’s Erste noch nicht zu erfahren. Jetzt im Sommer, wo Alles die Residenz verläßt, können die vorbereitenden Schritte am unbemerktesten geschehen. Wo sich das Aufsehen nun einmal nicht vermeiden läßt, ist es immer vorzuziehen, der Gesellschaft eine Thatsache gegenüberzustellen; daran pflegt die Klatschsucht sich noch am ehesten zu brechen.“

      Es entstand eine kurze Pause; Arthur heftete den Blick wieder, diesmal mit einem räthselhaften Ausdrucke, auf die Thür zu den Zimmern seiner Frau; dann wandte er ihn langsam auf deren Vater.

      „Ging der Wunsch nach einer Beschleunigung dieser Angelegenheit von Eugenien selbst aus?“

      Der Baron hielt es für passend, diesmal die Wahrheit zu verschweigen; das führte jedenfalls schneller zum Ziele, und jedenfalls war ihm Eugenie dankbar dafür.

      „Ich spreche im Namen meiner Tochter!“ erklärte er gemessen.

      Arthur erhob sich plötzlich und so heftig, daß der Sessel zurückflog. „Ich willige in Alles, Herr Baron! in Alles! Ich glaubte Ihrer Frau Tochter meine Gründe für einen Aufschub mitgetheilt zu haben; sie wurden zumeist von der Rücksicht auf sie dictirt; ich kam dabei nicht in Betracht. Wenn sie dessenungeachtet doch eine Beschleunigung wünscht – es sei!“

      Der Ton dieser Worte war so eigenthümlich, daß Curt, der, obwohl er keine Silbe des Gesprächs verlor, doch immer noch die Terrasse zu beobachten schien, sich auf einmal umwandte und seinen Schwager verwundert ansah. Auch Windeg schien etwas betroffen zu sein; es war doch hier wahrlich kein Grund zur Gereiztheit vorhanden, wo man einen beiden Theilen lästigen Zwang etwas früher aufheben wollte.

      „Sie sind also mit der Trennung unbedingt einverstanden?“ fragte er ein wenig unsicher.

      „Durchaus!“

      Der Baron athmete auf. Also hatte Eugenie doch Recht, als sie die sofortige Einwilligung ihres Gatten voraussetzte. Was nun noch zu erledigen war, bot nach seiner Meinung kaum noch eine Schwierigkeit.

      „Ich bin Ihnen sehr dankbar für Ihr Entgegenkommen,“ sagte er artig; „es wird beiden Theilen den peinlichen Schritt erleichtern. Jetzt bleibt nur noch Eins, das freilich hierauf keinen Bezug hat, aber doch geordnet werden muß. Ihr Herr Vater,“ die Stirn des nunmehrigen Majoratsherrn überflog eine dunkle Röthe bei der Erinnerung, „Ihr Herr Vater hatte die Güte für mich einzutreten, Verpflichtungen gegenüber, denen ich damals nicht gerecht werden konnte. Jetzt bin ich in der Lage, dies zu thun, und ich möchte mich beeilen –“

      Er hielt inne, denn Arthur schlug das Auge voll und finster auf, und der Blick verbot die Fortsetzung.

      „Sollten wir diesen Punkt nicht besser ruhen lassen? Ich meinerseits bitte darum.“

      „Er konnte ruhen, so lange unsere gegenseitigen Beziehungen bestanden,“ erklärte Windeg ernst, „nicht wenn sie sich lösen. Sie werden mich nicht zwingen wollen, Ihr Schuldner zu bleiben!“

      „Von einer Schuld im gewöhnlichen Sinne war wohl hier nicht die Rede. Meine Vater vertrat schließlich nur seine eigenen Forderungen, und die betreffenden Documente wurden, so viel ich weiß, vernichtet, als –“ hier brach die furchtbare Gereiztheit des jungen Mannes für einen Augenblick doch durch die erzwungene Ruhe, „als Sie den Preis dafür zahlten!“

      Der Baron erhob sich verletzt. „Damals wurde die Verbindung geschlossen,“ erwiderte er kalt, „allerdings auf Wunsch des Herrn Berkow; jetzt soll sie gelöst werden, zumeist auf unseren Wunsch. Die Verhältnisse liegen nunmehr umgekehrt –“

      „Ist es durchaus nothwendig, daß wir auch bei der Scheidung den Geschäftsstandpunkt eines Kaufvertrages festhalten?“ unterbrach ihn Arthur mit schneidender Bitterkeit. „Ich hoffe, man wird mich und meine Frau nicht zum zweiten Male zum Gegenstand eines Handels machen wollen. Es war genug an dem ersten!“

      Der Baron mißverstand die Worte völlig, wie er die Regung mißverstand, welche sie dictirte; er nahm seine vornehmste Miene an. „Erinnern Sie sich gefälligst, Herr Berkow, daß der Ausdruck ‚Handel‘, den Sie zu brauchen belieben, nur auf eine der beiden Parteien Bezug hat – uns trifft er nicht.“

      Arthur trat einen Schritt zurück, aber seine Haltung war so stolz und unnahbar, wie sie der Majoratsherr ihm gegenüber kaum jemals zu zeigen wußte.

      „Ich weiß jetzt, wie diese Heirath zu Stande kam, und ich weiß auch, wie diese Verpflichtungen entstanden, die Sie zur Einwilligung zwangen. Sie werden es danach wohl begreifen, wenn ich verlange, daß jene Schuld mit keiner Silbe mehr berührt wird. Ich fordere von Ihnen, Herr Baron, daß Sie einen Sohn nicht zwingen, über das Andenken seines Vaters zu erröthen!“

      Windeg war schon einmal seinem Schwiegersohn gegenüber aus der Fassung gekommen, als dieser sich beikommen ließ, das Adelsdiplom auszuschlagen, aber das war doch immer noch in der ruhigen, halb nachlässigen Weise, noch immer in der Art des früheren Arthur Berkow geschehen – dieses Auftreten und diese Haltung versteinerten den Baron förmlich; er sah unwillkürlich zu seinem Sohne hinüber, der aus der Fensternische hervorgetreten war, und dessen jugendliches Gesicht ein grenzenloses Erstaunen ausdrückte, das er sich gar keine Mühe gab, zu verbergen.

      „Ich wußte nicht, daß Sie die Sache so auffassen,“ sagte Windeg endlich. „Es war keineswegs meine Absicht, Sie zu beleidigen, aber –“

      „Ich setze das voraus. Also übergeben wir diesen Punkt der Vergessenheit! Was die Scheidungsangelegenheit betrifft, so werde ich meinen Rechtsanwalt dahin instruiren, jedem Schritte des Ihrigen entgegenzukommen. Wenn irgend eine Anforderung an mich persönlich gestellt werden sollte, so bitte ich, über mich zu verfügen. Ich werde Alles thun, damit die Sache schnell und schonend beendigt wird.“

      Er machte den beiden Herren eine Verbeugung und verließ das Zimmer. In der nächsten Minute war Baron Curt bereits an der Seite seines Vaters.

      „Was heißt das Alles, Papa? Was, um Himmelswillen, ist in den drei Monaten aus diesem Arthur geworden! Ich fand ihn zwar schon gestern Abend weit ernster, bestimmter als sonst, aber dieses Auftreten hätte ich ihm doch nun und nimmer zugetraut!“

      Der Baron hatte sich noch nicht von seinem Erstaunen erholt. Erst der Ausruf seines Sohnes brachte das zuwege. „Er scheint also wirklich die Rolle nicht gekannt zu haben, die sein Vater bei uns spielte! Das ändert allerdings die Sache,“ meinte er betreten. „Wenn er nur nicht die Zumuthung stellte, daß ich sein Schuldner bleiben soll!“

      „Er handelt vollkommen richtig,“ rief Curt auflodernd, „wenn er jetzt den Wucher kennt, mit dem Berkow uns in’s Unglück hetzte! Nicht ein Viertheil jener Summe, die uns nachher so riesengroß gegenüberstand, hat er wirklich dargeliehen und für die aufgekauften Forderungen bezahlt, und nicht einen Pfennig davon darf der Sohn wieder annehmen, wenn er sich nicht auch entehren will. Man sah es ja, wie die Scham über die ganze schmachvolle