Elisabeth Bürstenbinder

Die beliebtesten Liebesromane & Geschichten von Elisabeth Bürstenbinder


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Auges an seinen Bruder, „Du sagtest mir –“

      „Ich sagte Dir nichts!“ unterbrach ihn der Prälat finster. „Erinnere Dich, daß Du es warst, der den ersten Argwohn weckte, nicht ich!“

      „Aber Du nährtest ihn absichtlich mit Deinem Doppelsinn! Du wußtest, in welche Verzweiflung er mich stürzte, ein Wort von Dir hätte sie lösen können, und Du schwiegst!“

      Es war, als sei mit der furchtbaren Last, die von seiner Seele gesunken war, auch die Gebrochenheit verschwunden, er stand wieder aufrecht und fest, das Auge flammte wieder in der alten Leidenschaftlichkeit, und die Stimme klang voll und drohend.

      „Der Herr Prälat konnte Ihnen den Thäter nicht nennen!“ sagte Benedict fest. „Sie hätten alsdann Aufschluß über die völlig räthselhafte That verlangt. Er hätte Ihnen zugleich bekennen müssen, wem sie galt und – wer sie befohlen.“

      Das Antlitz des Prälaten wurde wieder fahl wie damals, als er die Beichte des jungen Mönches empfing, aber er richtete sich stolz empor.

      „Pater Benedict, Sie vergessen, daß Sie vor Ihrem Abte stehen!“

      „Vor dem Manne, der meinen Tod beschloß! Ich klage Sie nicht an deswegen, denn ich weiß, es war kein persönlicher Haß. Sie opferten den Ungehorsamen, den Abtrünnigen, der den Orden bedrohte, und es ward Ihnen vielleicht schwer, daß Sie damit gerade mein Todesurtheil aussprechen mußten. Ein Höherer hat Ihnen gezeigt, wer allein Herr ist über Leben und Tod! Der Schlag, der mich vernichten sollte, er traf Ihren Neffen, den Letzten Ihres Stammes und Namens, vor der Welt wenigstens, und vor ihr geht auch das Geschlecht der Rhaneck mit ihm zu Grabe. Sie werden auch das überwinden, denn Sie stehen auf einer Höhe, bei der einem Andern das Blut zu Eis erstarrt, aber es ist eine Höhe, weil ihr nichts Gemeines anhaftet. Wenn Sie noch menschlich fühlten, so hätten Sie dem Grafen wenigstens die Qual ersparen müssen, zu glauben, der Bruder sei von der Hand des eigenen Bruders gefallen!“

      Die Wirkung dieser letzten Worte war eine unendlich verschiedene bei den beiden Zuhörern. Der Prälat ließ einen unterdrückten Ausruf der Wuth hören, bei dem Grafen aber rissen sie die letzte Schranke nieder, mit leidenschaftlicher Zärtlichkeit streckte er beide Arme nach seinem Sohne aus.

      „Bruno, Du weißt –?“

      Benedict wich finster zurück vor der Umarmung und ein Eisesblick traf den Vater.

      „Wer meiner Mutter die Treue brach und sie und mich dann verrieth und verließ? Wer meinen Oheim niederschoß? Ja, das weiß ich, Herr Graf Rhaneck!“

      Wenn der Graf Alles ertragen hatte, die schneidende Verachtung in diesen Worten ertrug er nicht. Die Verurtheilung aus dem Munde des Einzigen, was er auf Erden wahrhaft geliebt, warf ihn nieder, wie vernichtet sank er in den Sessel.

      Der Prälat behauptete allein seine eiserne Ruhe, dieser Mann war nun einmal nicht zu erschüttern. Er erkannte klar die Gefahr, die diese Entdeckung gerade in solchem Augenblicke brachte, er sah die Macht seinen Händen entgleiten und machte noch einen letzten gewaltsamen Versuch, die Zügel wieder an sich zu reißen.

      „Bruno, Du vergißt, daß sich diese Sprache dem Vater und dem Oheim gegenüber nicht ziemt!“ sagte er mit der vollen gebietenden Macht seiner Persönlichkeit. „Dem Sohne meines Bruders und meinem Neffen will ich sie verzeihen. Jetzt aber erinnere Dich, daß Du dem Orden angehörst, und was er von Dir verlangt.“

      Benedict kreuzte die Arme, wie um sich zur Ruhe zu zwingen, und wandte seinem Vater den Rücken.

      „Sie haben Recht, Hochwürdigster, und deshalb allein kam ich hierher. Ich frage Sie jetzt im Angesichte des letzten Ereignisses: was haben Sie beschlossen?“

      „Mein Verbot bleibt in vollster Kraft bestehen! Was zwischen uns Dreien verhandelt ward, bleibt begraben für immer. Du schweigst auch ferner gegen Jeden!“

      „Auf die Gefahr von Günther’s Verurtheilung hin?“

      „Die Verantwortung fällt auf mich! Du hast nur zu gehorchen!“

      Mit einer zuckenden Bewegung richtete sich Benedict auf; als werfe er eine langgetragene Fessel ab, so stand er plötzlich vor dem Abte und es loderte furchtbar auf in seinem Auge.

      „Gehorchen und immer nur gehorchen! Das ist Euer ewiges Wort; aber es ist jetzt genug der Sclaverei, jetzt kann ich nicht mehr und jetzt will ich auch nicht mehr! Ihr habt mich in Fesseln geschlagen seit meiner Kindheit, habt mich in Eurem Banne gehalten mein Lebelang, habt eine Scheidewand zwischen mir und der Menschheit aufgerichtet, und wenn ich mich empörte dagegen, dann wurde mir immer und immer das Wort entgegengehalten, mit dem ich mich der Kirche zugeschworen. Ich habe es gehalten unter tausendfachen Kämpfen, es gehalten bis zu diesem Augenblick, denn ich wußte, es galt nur mein Verderben, jetzt aber, wo die Ehre, das Leben eines Anderen auf dem Spiele steht, jetzt gehorche ich nicht, zum Verbrechen lasse ich meinen Eid nicht mißbrauchen! Ihr habt mir die Augen darüber geöffnet, daß ich ihn nicht Gott geschworen, sondern Euch allein, und Ihr habt ihn entweiht, nicht ich! Der Altar, der mich binden soll für alle Ewigkeit, er galt Euch nichts, als es sich darum handelte, meine Mutter von ihrem Gatten zu reißen, Ihr habt mich gelehrt, wie man Eide bricht – ich zerreiße den meinen!“

      Es lag eine erschütternde Gewalt in dieser jäh hervorbrechenden Empörung, in diesem endlichen Freiwerden eines jahrelangen Ringens und Kämpfens. Der Prälat sah, daß hier Alles zu spät kam, er wahrte vielleicht nur seine Stellung, als er noch eine letzte Drohung versuchte.

      „Also eine förmliche Lossagung! Wir werden Mittel finden, Dich zu zwingen, Abtrünniger!“

      Bruno schüttelte die dunklen Locken und zum ersten Male hob sich seine Brust unter dem niegekannten Gefühl der Freiheit.

      „Mich zwingt Niemand mehr! Was das Kloster auch beschließen mag, es droht nur dem Mönche, der sich gehorsam dem Befehl seiner Oberen beugt. Wenn ich mit meinem Wortbruch fertig werde – Eure Macht ist zu Ende in dem Augenblick, wo ich sie nicht mehr anerkenne!“

      Er wandte sich und verließ das Gemach, auch nicht ein einziger Blick war mehr auf den Grafen gefallen. Der Prälat verharrte einige Minuten lang in finsterem Schweigen, plötzlich aber zuckte eine Ahnung in ihm auf.

      „Der Prior! Das Volk im Klosterhofe! Er ist zu Allem fähig – wenn er dort spricht, ist nichts mehr zu retten!“

      Er eilte nach, aber es war bereits zu spät. Bruno hatte in stürmischer Eile die Gemächer verlassen und durchschritt eben den Kreuzgang, der zum Klosterhofe führte.

      Im Begriff aber, hinauszutreten, kam ihm schon die Geistlichkeit entgegen, den Prior an der Spitze und gefolgt von den vornehmeren Leidtragenden, um den Prälaten in seinen Gemächern abzuholen. Bruno erkannte die Gefahr, die ihn hier mitten im Kreuzgange und abgeschnitten von der Welt bedrohte. Er mußte sprechen, mußte seine Anklage in die Welt schleudern, ehe ihn der Prälat erreichte, er wußte, daß ihm nur Minuten blieben, sollte seine Stimme nicht ungehört verhallen. Das Auge flammend in leidenschaftlicher Erregung, das jugendliche Haupt aufgerichtet, als gelte es den Kampf mit einer Welt, eilte er dem Zuge der Geistlichen entgegen, schritt auf den Prior zu, legte die Hand auf seine Schulter und sagte klar, fest und laut, so daß es weithin vernommen wurde:

      „Entweihen Sie das Gedächtniß des Grafen Rhaneck nicht, Pater Prior! Sie haben ihn gemordet. Ich war Zeuge davon.“

      Ein Schrei des Entsetzens ließ sich ringsum hören, die furchtbare, mitten unter die Priester geschleuderte Anklage wirkte mit der Gewalt eines jäh herniederfahrenden Blitzes. Entsetzt stoben die Mönche auseinander, schreckensbleich drängten die Leidtragenden heran, und es war wohl schon zu spät, als das Thor des Kreuzganges laut krachend zufiel, von einem besonnenen Mönche rasch in’s Schloß geworfen.

      Aber mehr als selbst die Anklage sprach der Anblick des Schuldigen. Er war zusammengebrochen vor dem Schlage, der ihn mitten in der vollsten Sicherheit getroffen; mit erdfahlem Gesichte, mit bebenden Lippen und zitternden Knieen stand er da, der Ueberfall kam zu plötzlich, als daß seine mönchische Gewandtheit und Verstellungskunst ihn noch hätte retten können; er besaß