Elisabeth Bürstenbinder

Die beliebtesten Liebesromane & Geschichten von Elisabeth Bürstenbinder


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ihnen nicht.

      „Lucie, verdammst Du mein Schweigen? Es war das letzte Opfer, das ich Jenen brachte! Der Orden befahl und ich gehorchte, aber jetzt werde ich reden, und brächte das Wort mir auch zehnfaches Verderben. Ich habe den Muth, die ganze Wuth des Klosters herauszufordern, aber ich ertrage es nicht, daß Du, Du Dich so von mir wendest!“

      Mitten durch die starre Härte seines Wesens brach wieder der Ton der alten Weichheit, brach ein Strahl heißer, leidenschaftlicher Zärtlichkeit, und der Ton, der Blick, sie scheuchten Alles weg, was so drohend zwischen ihnen stand; stumm, bebend noch, aber mit dem Ausdruck unendlicher Hingebung legte Lucie das Haupt an seine Schulter und sah zu ihm auf – er las es jetzt auch in diesen Augen, daß er nicht mehr gehaßt wurde.

      Er hatte nichts von dem berauschenden Glück der Liebe, dieser Augenblick, wo sich zwei Herzen endlich fanden. Wohl wollte es aufglühen in den Zügen des jungen Priesters, aber eine Eiseshand schien dort Alles niederzuhalten und das liebliche Antlitz, das zu ihm emporblickte, war bleich wie der Tod. Und dennoch, für den Moment versank alles Andere um sie her, selbst die düstere Felsenkluft mit den unheimlich zischenden Wellen und ihrem gespenstigen Drohen. Fern und ferner verklang jenes Zischen und Tosen und endlich löste es sich auf in das leise melodische Rieseln einer Quelle. Die starren Felsen wichen zurück und statt ihrer umrauschte sie wieder der sonnige Wald, umdufteten sie die weißen Blüthen. Der Waldeszauber von damals hatte doch Recht behalten, die unsichtbaren Fäden, welche er gesponnen, hielten fest für alle Ewigkeit, selbst diese furchtbare Stunde hatte nicht vermocht, sie zu zerreißen.

      Langsam ließ Benedict das junge Mädchen aus den Armen, nur ihre Hand behielt er noch fest in der seinigen. Der Moment des Traumes war vorüber und der drohende Ernst der Gegenwart forderte gebieterisch sein Recht.

      „Ich kann Sie nicht sofort begleiten, ich muß zurück zum Pfarrer Clemens, aber heute Abend noch bin ich in E. und morgen ist Ihr Bruder frei. Fürchten Sie nicht, daß mich etwas zurückhalten könnte, ich weiß jetzt, wo allein meine Pflicht liegt.“

      Lucie erwiderte nichts, es giebt Minuten wo selbst die Kraft zum Leiden fehlt, und die ihrige hatte sich in dieser letzten Viertelstunde erschöpft, sie folgte ihm willenlos, als er, ihre Hand noch immer festhaltend, sie zu dem Gehöfte hinunterführte, wo der Bauer ihnen bereits entgegentrat.

      „Ambros, ich kann mich darauf verlassen, daß Du die Dame sicher bis zu ihrem Wagen zurückbringst?“

      „Keine Sorge, Hochwürden, ich stehe ein für das junge Fräulein.“

      Benedict ließ ihre Hand fahren. „So leben Sie wohl!“

      Die Gegenwart des fremden Mannes verbot jedes fernere Abschiedswort, gleich darauf befand sich Lucie an seiner Seite und trat mit ihm den Rückweg an.

      Nach einer Weile wandte der Bauer sich um. „Der Herr Caplan scheint große Sorge zu haben, wie wir hinabkommen,“ sagte er gutmüthig, „er steht noch immer und schaut uns nach!“

      Lucie blieb gleichfalls stehen und folgte der Richtung seines Armes. Da stand die hohe Gestalt noch immer auf der Höhe, neben dem zerschmetterten Heiligenbilde, ihr unverwandt nachschauend, und von den Schultern flatterte der verhängnißvolle dunkle Mantel, dessen Falten jetzt dem Winde preisgegeben waren. Morgen war Bernhard frei, er hatte es ihr versprochen – aber um welchen Preis!

       Inhaltsverzeichnis

      Am nächsten Morgen erschien ein junger Geistlicher, der schon am Abend vorher spät in E. angelangt war, vor dem dortigen Gefängnisse und verlangte den in Untersuchungshaft befindlichen Gutsherrn von Dobra zu sprechen. Das Benedictinergewand und die Abzeichen des hochverehrten Stiftes, welche er trug, öffneten ihm sofort alle Thüren. Man befürchtete nur, daß sich Günther schwerlich bereit finden lassen werde, einen katholischen Priester zu empfangen; wider Erwarten aber willigte er sofort ein, als ihm Pater Benedict genannt ward, und diesem, der, wie man glaubte, im Auftrage des Prälaten kam, gelang es auch, ein ungestörtes Alleinsein mit dem Gefangenen durchzusetzen.

      Die Unterredung war lang und inhaltvoll gewesen, man sah es an dem Gesicht Günther’s, das seinen sonst so ruhigen gleichgültigen Charakter völlig verleugnete, es sprach ein unverhülltes Grauen, zugleich aber auch eine tiefe Bewegung daraus, als er dem jungen Priester die Hand reichte und einfach sagte: „Ich danke Ihnen!“

      Benedict’s Züge waren unbewegt geblieben, stumm und düster nahm er den Dank in Empfang und wandte sich dann zum Gehen, Bernhard hielt ihn zurück.

      „Sie wollen nach dem Stifte?“

      „Zum Prälaten! Er vertraut bei alledem noch meinem Schweigen, ich mag es nicht heimlich, nicht hinterrücks brechen, er soll wissen, was er von mir zu erwarten hat. Sie haben mein Bekenntniß, haben es schriftlich für alle Fälle, machen Sie davon Gebrauch zu Ihrer Rettung, wenn man etwa Lust zeigen sollte, mich – verschwinden zu lassen.“

      „Und warum stellten Sie es dann nicht zuerst in den Schutz der Gerichte?“ fragte Günther rasch.

      Ein Ausdruck des Hohnes überflog Benedict’s Züge. „Weil ich weiß, wie weit die Macht unseres Stiftes reicht! Der Prälat würde den ersten Wink erhalten! Ich ziehe es denn doch vor, ihm freiwillig gegenüberzutreten, als ihm als ‚geisteskrank‘, wie es heißen würde, ausgeliefert zu werden. Hier giebt es nur ein Mittel, die vollste Oeffentlichkeit und das Zeugniß von Hunderten. Und müßte ich auch die Kirche entweihen mit meiner Anklage, die Schuld fällt aus Jene, die mir keinen andern Ausweg übrig ließen.“

      Er wandte sich von Neuem der Thür zu, Günther hielt ihn zum zweiten Male zurück.

      „Der Prälat ist ein ehemaliger Graf Rhaneck?“

      „Der Bruder des Majoratsherrn.“

      „Und wann sahen Sie diesen zum letzten Male?“

      Das Auge des jungen Priesters sank zu Boden. „An der Leiche seines einzigen Sohnes!“ entgegnete er tonlos.

      „Seines einzigen? Er hatte zwei Söhne!“

      Benedict schüttelte den Kopf. „Graf Ottfried besaß keinen Bruder, so viel ich weiß.“

      „Sie können es auch nicht wissen, Bruno!“ sagte Günther plötzlich fest und scharf. „Man hat es gerade Ihnen von jeher auf das Sorgfältigste verhehlt.“

      „Woher kennen Sie meinen früheren Namen?“ fragte Benedict befremdet aufblickend. „Wir sind einander nie begegnet, bevor ich in den Orden trat.“

      Günther umging die Antwort. „Sie sind dem Grafen Rhaneck befreundet?“ fragte er seinerseits.

      „Ich verdanke ihm Alles, meine Erziehung, meine Ausbildung; er nahm sich des armen Knaben an –“

      „Des armen Knaben!“ unterbrach ihn Jener bitter. „Sie waren nicht arm, Bruno, wenigstens von Vaters Seiten nicht, und Sie brauchten dem Grafen nicht zu danken für das, was er Ihnen gab. Anklagen hätten Sie ihn sollen, wegen des armseligen Almosens, mit dem er den Diebstahl wieder gut machen wollte, den er an dem Namen und Recht seines ältesten Sohnes beging!“

      Benedict fuhr mit dem Ausdruck des vollsten Entsetzens zurück. „An mir?“

      „An Ihnen, Bruno Rhaneck! Ihnen allein gebührte die Stellung, die Graf Ottfried in der Welt einnahm.“

      Der junge Priester stand da, wie vom Blitze getroffen, jeder Blutstropfen war aus seinem Antlitz gewichen, plötzlich schlug er beide Hände vor das Gesicht und sank wie vernichtet in einen Stuhl.

      Günther war zu ihm getreten und wartete schweigend einige Minuten lang den Ausbruch der Erschütterung ab, endlich legte er die Hand leise auf seine Schulter.

      „Und Sie fragen mich nicht nach Ihrer Mutter?“ sagte er vorwurfsvoll.

      Benedict ließ die Hände sinken, das Antlitz war noch so farblos als vorhin.

      „Ich weiß, daß es von