Elisabeth Bürstenbinder

Die beliebtesten Liebesromane & Geschichten von Elisabeth Bürstenbinder


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immer noch als eine Lüge galt, daß ich keine Ahnung von jenen Machinationen hatte, die mir eine Hand erzwangen, welche ich freiwillig zu empfangen wähnte.“

      „Ich glaube Dir, Arthur“ sagte sie leise, „jetzt glaube ich Dir.“

      Arthur lächelte, aber es war ein Lächeln grenzenloser Bitterkeit, mit dem er diesen ersten Beweis des Vertrauens seiner Gattin empfing, in dem Momente, wo er sie aufgab.

      „Der Nebel fängt an zu fallen,“ sagte er abbrechend, „und auch der Sturm scheint sich für einige Minuten zu legen. Wir müssen das benutzen, um hinabzukommen; unten im Thale sind wir geschützt und erreichen in wenigen Minuten den Pachthof, wo man uns hoffentlich einen Wagen leihen kann. Willst Du mir folgen?“

      Der Weg war steil und schlüpfrig; aber Arthur schien heute nun einmal seine ganze Natur verleugnen zu wollen; er schritt fest und sicher bergabwärts, während Eugenie in ihren dünnen Schuhen und langen Kleidern, durch den Mantel noch mehr in ihren Bewegungen gehindert, kaum vorwärts schreiten konnte. Er sah, daß er ihr zu Hülfe kommen mußte, aber mit einem bloßen Arm-bieten war es auf diesem Wege nicht gethan; er mußte sie nothgedrungen umfassen, wenn die Hülfe überhaupt etwas nützen sollte, und das – ging doch nicht. Der Gatte scheute sich hier, seiner Gattin einen Dienst zu leisten, den er jeder Fremden geleistet hätte, und was jede Fremde unter diesen Umständen unbedenklich angenommen hätte, das zauderte die Frau hier von ihrem Manne anzunehmen; sie bebte leise zusammen, als er nach kurzem Zögern schließlich doch den Arm um sie legte. Keines von Beiden sprach ein Wort während des ganzen nur etwa zehn Minuten dauernden Weges, aber Eugeniens Antlitz wurde immer bleicher bei jedem Schritt, den sie niederwärts thaten. Sie schien es nun einmal nicht ertragen zu können, daß dieser Arm sie umfaßte, daß sie sich auf diese Schulter stützen mußte, so nahe, daß sein Athem sie berührte; und doch erleichterte er ihr das Peinliche der Situation so viel als möglich. Nicht ein einziger Blick fiel auf sie; seine ganze Aufmerksamkeit schien auf den Weg gerichtet, der allerdings Sorgfalt und Umsicht genug erforderte, sollten sie nicht Beide hinabgleiten. Aber die Lippen des jungen Mannes zeigten trotz aller Ruhe doch wieder das verrätherische Zucken, und als er, unten angelangt, mit einem tiefem Aufathmen seine Frau aus den Armen ließ, da sah man deutlich, daß er bei dieser seltsamen Promenade nichts weniger als ruhig gewesen war.

      Zwischen den Bäumen hervor schimmerten bereits die Gebäude des Pachthofes, und hastig, als müßten sie um jeden Preis das fernere Alleinsein abkürzen, schlugen Beide den Weg dorthin ein. Ueber sie hin brausten die Frühlingsstürme, und oben auf der Höhe legte sich der Nebel wieder dicht um die Tanne am Saume des Waldes, die ihre Zweige schirmend über zwei Menschen ausgebreitet hatte in der Stunde, von der die Bergsagen erzählen: „Was sich da findet, das gehört zusammen für immer, und was sich da trennt, das trennt sich für alle Ewigkeit!“

       Inhaltsverzeichnis

      Herr Berkow war bereits am Nachmittage desselben Tages eingetroffen, an dem Arthur und dessen Gattin sich im Walde befanden, und hatte sie schon bei ihrer Rückkehr empfangen; aber er schien diesmal nicht die ausgezeichnete Laune aus der Residenz mitgebracht zu haben, welche ihn bei seinem früheren Besuche beherrschte, als er in dem ersten Triumphe schwelgte, den die neue vornehme Verwandtschaft ihm in seinem eigenen Hause bereitete. Zwar war er auch jetzt wie gewöhnlich voll Artigkeit gegen seine Schwiegertochter, von unbegrenzter Nachsicht seinem Sohne gegenüber; aber sein ganzes Wesen zeigte doch etwas Hastiges, Unruhiges und Zerstreutes, das sich schon im Laufe des ersten Abends verrieth und sich noch deutlicher kund gab am nächsten Morgen, als Arthur zu ihm in’s Zimmer trat und eine Unterredung mit dem Vater verlangte.

      „Später, Arthur, später!“ sagte er abwehrend. „Quäle mich nur jetzt nicht mit Bagatellen, wo ich den Kopf voll der ernstesten Dinge habe! Die Geld- und Geschäftsangelegenheiten in der Residenz haben mir endlose Verdrießlichkeiten bereitet; alles stockt, alles bringt Verluste statt Gewinne und – doch davon verstehst Du ja nichts, interessirst Dich auch schwerlich dafür! Ich werde die Sachen schon selbst wieder in’s Geleise bringen, aber ich bitte Dich, verschone mich nur jetzt mit Deinen Privatangelegenheiten!“

      „Es ist keine Privatangelegenheit; die Sache ist auch für Dich von Wichtigkeit, Papa! Es thut mir leid, daß ich gerade jetzt, wo Du so mit Geschäften überhäuft bist, eine Stunde für mich beanspruchen muß, aber es geht nicht anders.“

      „Nun denn, nach Tische!“ erklärte Berkow ungeduldig. „So lange wirst Du doch wohl warten können. Jetzt habe ich keine Zeit. Die Beamten warten bereits drüben im Conferenzzimmer, und ich habe den Oberingenieur benachrichtigen lassen, daß ich gleich nach der Conferenz mit ihm einfahren werde.“

      „Einfahren?“ fragte der junge Mann aufmerksam werdend. „Du willst die Schachte besichtigen?“

      „Nein! Die Aenderung an dem Hebewerk will ich besichtigen, die während meiner Abwesenheit vorgenommen worden ist. Was sollte ich in den Schachten thun?“

      „Ich glaubte, Du wolltest Dich einmal persönlich überzeugen, ob es wirklich dort unten so schlimm aussieht, wie man behauptet.“

      Berkow, der bereits im Begriff war zu gehen, kehrte plötzlich um und sah seinen Sohn mit einem höchst erstaunten Blicke an. „Was weißt Du denn davon, wie es in den Schachten aussieht? Wer hat Dir denn dergleichen in den Kopf gesetzt? Mir scheint, der Director hat sich, da seine vorigen Geldforderungen für Verbesserungen bei mir kein Gehör finden, an meinen Herrn Sohn gewandt. Da ist er freilich an den Rechten gekommen!“

      Er lachte laut auf, ohne den Zug von Unwillen zu bemerken, der in Arthur’s Gesicht stand, als er mit einiger Schärfe entgegnete:

      „Es müßte aber doch untersucht werden, in wie weit diese Verbesserungen nothwendig sind, und da Du einmal mit den Ingenieuren einfährst, so könntest Du auch wohl bei der Gelegenheit die Schachte einer eingehenden Besichtigung unterwerfen.“

      „Ich werde mich hüten!“ sagte Berkow kurz. „Glaubst Du, daß ich Lust habe, mein Leben zu riskiren? Die Dinger sind gefährlich in ihrem jetzigen Zustand, das ist kein Zweifel.“

      „Und doch schickst Du täglich Hunderte von Arbeitern hinunter?“

      Der Ton der Frage war sehr eigenthümlich, so eigenthümlich, daß der Vater die Stirn runzelte.

      „Willst Du mir etwa Moralpredigten halten, Arthur? Ich dächte, die nähmen sich in Deinem Munde etwas seltsam aus! Du scheinst Dich in der Langeweile Deines Landaufenthaltes auf die Philanthropie geworfen zu haben. Laß das lieber bleiben; es ist eine höchst kostspielige Leidenschaft, zumal in unseren Verhältnissen. Uebrigens sorge ich schon selbst dafür, daß mir nicht durch irgend ein Unglück ein Verlust erwächst, der mir gerade jetzt sehr ungelegen käme. Was nothwendig ist, wird erhalten und ausgebessert; zu umfassenden Einrichtungen habe ich für’s Erste kein Geld, und ebensowenig kann ich den Betrieb auch nur für die kürzeste Zeit aussetzen lassen; dazu hättest Du weniger brauchen müssen, als es in der letzten Zeit vor Deiner Heirath der Fall war. Ich begreife aber überhaupt nicht, weshalb Du Dich auf einmal um Dinge kümmerst, die Du sonst völlig ignorirt hast. Kümmere Dich lieber um Deine Saloneinrichtungen und Deine Wintersoiréen in der Residenz und laß mir die Sorge und die Verantwortung für Etwas, wovon Du nicht das Geringste verstehst!“

      „Nein, Papa, nicht das Geringste!“ bekräftigte der junge Mann mit aufquellender Bitterkeit. „Dafür hast Du redlich gesorgt.“

      „Ich glaube gar, Du willst mir Vorwürfe machen!“ fuhr Berkow auf. „Hast Du nicht alle Freuden des Lebens ausgekostet? Habe ich je ein Opfer gescheut, sie Dir im vollsten Maße zu gewähren? Hinterlasse ich Dir nicht Reichthümer, ich, der ich ohne einen Pfennig in der Tasche meine Laufbahn begann? Habe ich Dich nicht durch die Heirath mit der Baroneß Windeg in den Kreisen des Adels heimisch gemacht, dem Du früher oder später selbst angehören wirst? Ich möchte den Vater sehen, der so viel für seinen Sohn gethan hat wie ich!“

      Arthur hatte während der ganzen Rede schweigend durchs Fenster geblickt; jetzt wandte er sich zum Gehen.

      „Du