Elisabeth Bürstenbinder

Die beliebtesten Liebesromane & Geschichten von Elisabeth Bürstenbinder


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brauchst Du nicht zu zittern. Ein Trauerfall, der allerdings unsere Familie betroffen hat, geht leider, muß ich wohl sagen, Keinem von uns zu Herzen. Doch ich werde Dir das später ausführlich mittheilen, jetzt sage mir –“

      „Nein, nein,“ unterbrach ihn die junge Frau unruhig, „ich muß erst wissen, wem dieser Flor gilt. Wen haben wir zu betrauern?“

      Windeg stellte den umflorten Hut bei Seite und legte den Arm fester um seine Tochter; es war etwas Schmerzliches, Krampfhaftes in der Zärtlichkeit, mit der er sie an sich drückte.

      „Ich bin auf der Reise, um unserm Vetter Rabenau die letzte Ehre zu erweisen. Seine Güter liegen in dieser Provinz.“

      Eugenie fuhr auf. „Graf Rabenau? Der Majoratsherr –“

      „Ist todt!“ vollendete der Baron schwer. „In der Fülle des Lebens und der Gesundheit, wenige Wochen vor seiner beabsichtigten Vermählung – das konnte allerdings Niemand vorhersehen.“

      Eugenie war todtenbleich geworden; man sah es, die Nachricht ging auch ihr nicht zu Herzen, und dennoch erregte dieselbe sie auf’s Furchtbarste; sie sagte kein Wort, aber der Vater schien ihre Erregung zu begreifen.

      „Du weißt, daß wir einander schon seit langer Zeit entfremdet waren,“ fuhr er düster fort. „Mit Rabenau’s rohem, wildem Wesen war nicht auszukommen, und nie vergesse ich die bittere Abweisung, die ich vor einem halben Jahre von ihm erfahren mußte. Er hätte uns retten können, wenn er gewollt; ihm wäre es ein Leichtes gewesen; er wies mich rauh und hart zurück. Nun ist er todt, gestorben ohne Erben; ich trete das Majorat an, jetzt, wo es zu spät ist, wo ich mein Kind geopfert habe!“

      Es lag ein erschütternder Schmerz in diesen Worten. Eugenie strebte sichtbar sich zu fassen, und das gelang ihr auch im Laufe der nächsten Minuten.

      „O Papa, Du darfst jetzt nicht an mich denken! Ich – ich athme ja auf bei dem Gedanken, daß Dir ein so reicher Ersatz wird für all die Demüthigungen, die Du erlitten; mich überraschte nur das Unerwartete, Plötzliche dieser Nachricht. Wir konnten uns ja nie Hoffnung auf das Majorat machen.“

      „Nie!“ sagte der Baron düster. „Rabenau war jung und kräftig; er stand im Begriff, sich zu vermählen. Wer konnte da ahnen, daß eine dreitägige Krankheit ihn niederwerfen würde! Aber wenn sein Tod nun einmal beschlossen war, warum, warum konnte diese Fügung nicht eher eintreten? Vor vier Wochen noch hätte uns die Hälfte, hätte uns ein Viertheil des Reichthums gerettet, der mir jetzt zuströmt. Ich hätte dem – Schurken der mich in’s Unglück stürzte, das Geld hinwerfen können, das er mit hundertfachen Wucherzinsen forderte, und meine einzige Tochter brauchte nicht der Preis zu werden. Ich habe Dein Opfer angenommen, Eugenie. Gott weiß es, nicht um meinetwillen; es geschah für meinen Namen, für die Zukunft meiner Söhne. Aber daß dieses ganze bittere Opfer jetzt umsonst gebracht sein soll, daß eine kurze zufällige Zögerung von einigen Wochen es Dir und mir erspart hätte, diesen Hohn des Schicksals ertrage ich nicht!“

      Er preßte heftig ihre Hand in der seinigen; aber die junge Frau hatte bereits ihren ganzen Stolz, ihre ganze Fassung wieder gewonnen; wie furchtbar sie auch dieses „zu spät“ berührt haben mochte, man sah es ihr nicht mehr an.

      „Du darfst nicht so sprechen, Papa!“ entgegnete sie fest. „Es wäre eine Ungerechtigkeit gegen Deine anderen Kinder. Dieser Tod, den wir freilich, wie Graf Rabenau nun einmal war, nur formell betrauern können, macht Dich frei von Vielem. Meine Vermählung wendete nur das Drohendste ab; es blieb noch immer genug, was schwer auf uns lastete, was Dich vielleicht später auf’s Neue in erniedrigende Abhängigkeit von jenem Manne gebracht hätte. Diese Gefahr ist nun abgewendet für immer; Du kannst ihm das Empfangene zurückzahlen. Wir schulden ihm nichts mehr!“

      „Aber er schuldet Dich uns.“ unterbrach sie Windeg bitter, „und er wird sich hüten, diese Schuld je einzulösen. Das ist’s, was mir die Rettung vergällt, die ich vor Kurzem noch aufathmend begrüßt hätte und die mich jetzt zur Verzweiflung treibt um Deinetwillen.“

      Eugenie wendete sich ab und beugte sich tief über die Blumen, die neben ihr in einer Vase dufteten.

      „Ich bin nicht so unglücklich, wie Du und meine Brüder es vielleicht glauben,“ sagte sie leise.

      „Nicht? Meinst Du, ich hätte mich durch Deine Briefe täuschen lassen? Ich wußte es im Voraus, daß Du uns schonen würdest; aber wenn mir noch ein Zweifel geblieben wäre, Deine Blässe spricht deutlich genug. Du bist unglücklich, Eugenie, mußt unglücklich sein an der Seite dieses Menschen, der –“

      „Papa, Du sprichst von meinem Gatten!“

      Die junge Frau erhob sich so heftig und leidenschaftlich bei diesen Worten, daß ihr Vater zurücktrat und sie betroffen ansah, ebenso erstaunt über diesen Ton wie über die dunkle Purpurgluth, die auf einmal ihr Antlitz bedeckte.

      „Verzeih’!“ sagte er sich fassend, „ich kann mich immer noch nicht an den Gedanken gewöhnen, daß meine Tochter einem Arthur Berkow angehört, und daß ich mich in seinem Hause befinde, aber sie zwingen mich ja, es zu betreten, wenn ich mein Kind sehen will. Du hast Recht, ich muß Dich in dem Manne schonen, dem Du nun einmal angetraut bist, wenn ich es auch deutlich genug sehe, wie sehr Du durch ihn gelitten hast und noch leidest.“

      Die tiefe Gluth war langsam wieder von Eugeniens Antlitz gewichen, aber noch blieb ein heller Schein davon zurück, als sie gepreßt erwiderte:

      „Du irrst, ich habe keine Klage über Arthur. Er hat sich von Anfang an in einer Entfernung gehalten, die ich ihm nur danken kann.“

      Das Auge des Barons flammte auf. „Ich wollte ihm und seinem Vater auch nicht rathen, die schuldige Rücksicht gegen Dich zu vergessen; sie verdienten am wenigsten die Ehre, die Du in ihr Haus brachtest, wo bis dahin nicht viel Ehre zu finden war. – Aber eine Genugthuung wenigstens kann ich Dir geben, Eugenie! Du wirst nicht lange mehr den Namen tragen, an dem so viel Gemeinheit, so viel Schändlichkeit gegen uns und Andere haftet, nicht minder schändlich deshalb, weil das Gesetz sie nicht strafen kann. Ich habe dafür gesorgt, daß wenigstens das ein Ende nimmt.“

      Die junge Frau sah ihn überrascht an. „Was meinst Du damit?“

      „Ich habe die nöthigen Schritte gethan, damit Deinem –“ der Baron schien sich schwer überwinden zu müssen, als er das Wort aussprach – „Deinem Gatten die Erhebung in den Adelstand zu Theil wird. Nur ihm, nicht seinem Vater, dem leiste ich keinen Dienst und den will ich nicht, wenn auch nur formell, in unsern Reihen wissen. Es ist nicht ungewöhnlich, daß mit einer solchen Standeserhöhung auch eine Namensänderung verbunden wird, und das soll auch hier geschehen. Ihr könnt selbst unter den Namen Eurer Güter wählen, welcher Euch am passendsten für das neue Adelsgeschlecht erscheint. Eure Wünsche werden Berücksichtigung finden.“

      „Für das neue Adelsgeschlecht?“ wiederholte Eugenie tonlos. „Du bist im Irrthum, Papa, und wenn Du diese Standeserhöhung nur meinetwegen wünschest – doch Du hast Recht, es ist in jedem Fall das Beste! Mir ist der Gedanke schrecklich gewesen, von Arthur’s Großmuth bedingungslos zurücknehmen zu müssen, was er theuer genug gekauft und bezahlt hat. So bieten wir ihm doch etwas dafür! Das Adelsdiplom wird ihm reichlich Ersatz sein für das, was er aufgiebt.“

      Es war ein Ausbruch überwallender Bitterkeit in diesen Worten, und doch zuckte mitten durch die Bitterkeit ein verhaltener Schmerz; für Windeg war eins so unverständlich wie das andere. Die Rede seiner Tochter blieb ihm völlig räthselhaft, und er war eben im Begriff, eine Erklärung darüber zu verlangen, als der Diener Herrn Berkow meldete, der den Herrn Baron zu begrüßen wünsche.

      Arthur trat ein und näherte sich dem Baron, dem er einige Artigkeiten über sein unerwartetes Eintreffen sagte. Der junge Mann war wieder sehr gleichgültig, sehr blasirt. Man sah es ihm deutlich genug an, daß er nur eine Pflicht der Höflichkeit erfüllte, die ihm gebot, seinen Schwiegervater zu bewillkommnen, der seinerseits die Nothwendigkeit dieser Bewillkommnung über sich ergehen ließ. Da diesmal keine fremden Zeugen zugegen waren, so unterblieb auch die Form des Händedrucks, man ließ es bei einer gegenseitigen kühlen Verneigung bewenden; dann nahm der ältere Herr wieder