Elisabeth Bürstenbinder

Die beliebtesten Liebesromane & Geschichten von Elisabeth Bürstenbinder


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ein, aber die beiden Letzteren blieben, als ob sich das von selbst verstände, einige Schritte zurück und ließen den jungen Steiger allein vertreten.

      „Glück auf!“ grüßte dieser, und „Glück auf!“ auch seine beiden Cameraden, aber der Ton des alten frohen Bergmannsgrußes schien hier seinem Inhalte zu widersprechen. In dem Wesen Ulrich’s hatte freilich von jeher etwas Herrisches, Trotziges gelegen, aber es hatte sich nie so herausfordernd, so geradezu verletzend kundgegeben, wie heute, wo er zum ersten Male dem Chef und dem Beamtenkreise in dieser Weise gegenüber trat, nicht mehr als ein Untergebener, der Weisungen und Befehle zu empfangen hatte, sondern als ein Abgesandter, der ihnen seine Forderungen nicht vorlegte, nein, der sie ihnen dictirte. Freilich war es kein gemeiner Hochmuth, der aus dieser Haltung sprach, aber doch die trotzige Ueberhebung, die in dem Bewußtsein eigener Kraft und fremder Schwäche wurzelt. Er ließ die finsteren blauen Augen langsam durch den ganzen Kreis schweifen, bis sie zuletzt auf dem jungen Chef haften blieben, und seine Lippen warfen sich wieder verächtlich auf, während er schweigend die Anrede erwartete.

      Arthur hatte sich während der ganzen vorhergehenden Verhandlungen nicht gesetzt; er war auch jetzt stehen geblieben und stand ernst dem Manne gegenüber, der, wie man von allen Seiten behauptete, die Hauptschuld an dem Schlage trug, welcher ihm jetzt drohte. Von der viel schwereren Schuld, mit der man die letzten Augenblicke seines Vaters in Verbindung brachte, hatte der Sohn zum Glück keine Ahnung, denn er trat mit vollkommenster Ruhe in die Verhandlungen ein.

      „Untersteiger Hartmann, Sie haben mir gestern durch den Herrn Director die Forderungen der sämmtlichen Bergleute meiner Werke vorlegen lassen, und im Falle der Nichtbewilligung mit allgemeiner Niederlegung der Arbeit gedroht.“

      „So ist’s, Herr Berkow!“ lautete die kurze, sehr entschieden klingende Antwort.

      Arthur stützte die Hand auf den Tisch, aber sein Ton war kühl, geschäftsmäßig; er verrieth nicht die mindeste Erregung.

      „Vor allen Dingen möchte ich wissen, was Sie eigentlich mit diesem Vorgehen beabsichtigen. Das sind keine Forderungen, das ist eine Kriegserklärung! Sie werden sich selber sagen, daß ich dergleichen nicht bewilligen kann und nicht bewilligen werde.“

      „Ob Sie es bewilligen können, weiß ich nicht, Herr Berkow,“ sagte Ulrich kalt, „ich glaube aber, Sie werden es bewilligen, denn wir sind entschlossen, die Werke so lange feiern zu lassen, bis Sie unseren Forderungen nachgekommen, und einen Ersatz finden Sie nicht in der ganzen Provinz.“

      Das Argument war so schlagend, daß sich nicht viel dagegen einwenden ließ, aber der Ton, in dem es hervorgehoben wurde, zugleich so hohnvoll, daß Arthur die Stirn runzelte.

      „Es ist keineswegs meine Absicht, Ihnen Alles zu verweigern!“ erklärte er fest. „Es sind unter diesen Forderungen einzelne, deren Gerechtigkeit ich anerkenne und denen ich also auch nachkommen werde. Die Untersuchung und Aenderung der Schachte, die Sie verlangen, wird geschehen; der Arbeitslohn wird, wenigstens theilweise, erhöht werden. Ich werde schwere Opfer deswegen bringen müssen, mehr vielleicht, als ich gerade jetzt in geschäftlicher Hinsicht verantworten kann, aber es wird geschehen. Dagegen müssen die anderen Punkte fallen, die einzig und allein darauf abzielen, mir und meinen Beamten die Herrschaft aus den Händen zu winden und die Disciplin zu lockern, die für ein Unternehmen wie das unserige eine Lebensfrage ist.“

      Der verächtliche Zug um Ulrich’s Lippen verschwand und machte einem Ausdrucke der Befremdung und des Argwohns Platz, mit dem er erst die Beamten und dann den jungen Chef anblickte, als habe er diesen in Verdacht, er sage etwas ihm Eingelerntes her.

      „Es thut mir leid, Herr Berkow, aber die Punkte fallen nicht!“ entgegnete er trotzig.

      „Ich glaube wohl, daß sie gerade Ihnen eine Hauptsache sind,“ sagte Arthur, den Blick fest auf Ulrich gerichtet, „dennoch wiederhole ich Ihnen, daß sie fallen müssen. Ich werde in meinen Bewilligungen bis an die Grenze des Möglichen gehen; da aber bleibe ich stehen und thue keinen Schritt darüber hinaus. Was ich gewähre, soll und muß Jeden befriedigen, der ehrliche, lohnende Arbeit sucht. Wen es nicht befriedigt, der sucht eben etwas Anderes, und mit dem ist keine Einigung zu hoffen. Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, daß das Nothwendige zur Sicherung der Arbeiter in den Schachten und zur Erhöhung ihres Verdienstes geschehen soll, und fordere nun auch meinerseits von Ihnen das Vertrauen in meine Worte. Ehe wir aber diese Angelegenheit besprechen, müssen Sie auf den zweiten Theil Ihrer Forderungen verzichten. Die Erfüllung ist unmöglich, und ich gehe unter keiner Bedingung darauf ein.“

      Er hatte noch immer den ruhigen, geschäftsmäßigen Ton beibehalten, aber dennoch wich die ganze Rede viel zu sehr ab von der sonstigen Art und Weise des jungen Erben, als daß sie Ulrich nicht hätte auffallen sollen. Dieser trauete seinen eigenen Ohren nicht, aber je unerwarteter ihm der Widerstand kam an einer Stelle, wo er mit Sicherheit auf scheues, zaghaftes Ausweichen gerechnet hatte, das die Brücke zur unbedingten Ergebung schlagen sollte, desto mehr reizte ihn der Widerstand, und seine unbändige Natur brach nur zu bald die ungewohnten Schranken.

      „Sie sollten das lieber nicht so von sich weisen, Herr Berkow,“ sagte er drohend. „Wir sind unser Zweitausend und die Werke so gut wie in unserer Hand. Die Zeit ist vorbei, wo wir uns knechten und treten ließen, wie es Ihnen gerade gefiel. Wir fordern jetzt unser Recht, und wenn es uns im Guten nicht wird, dann nehmen wir es uns mit Gewalt!“

      Eine halb zornige, halb angstvolle Bewegung ging durch den Kreis der Beamten. Sie sahen eine Scene herankommen, die bei der bekannten Wildheit Hartmann’s mit Gewaltthätigkeiten endigen konnte. Arthur war dunkelroth geworden; er that einige Schritte vorwärts und stand jetzt dicht vor Ulrich.

      „Vor allen Dingen ändern Sie den Ton, Hartmann, in dem Sie mit Ihrem Chef sprechen! Wenn Sie hier als Abgesandter empfangen sein wollen und als solcher eine Art von Gleichstellung beanspruchen, so benehmen Sie sich auch, wie es bei solchen Verhandlungen Sitte ist, und schleudern Sie uns nicht gleich Drohungen von Gewalt und Empörung in’s Antlitz! Sie verlangen Disciplin von Ihren Leuten, und ich verlange sie von Ihnen. Werfen Sie sich draußen bei Ihren Cameraden zum Herrn auf, wenn es Ihnen sonst beliebt! So lange ich vor Ihnen stehe, bin ich der Herr dieser Werke und denke es zu bleiben. Richten Sie sich danach!“

      Wäre der Blitz in das Conferenzzimmer niedergefahren, er hätte keine größere Wirkung hervorbringen können, als diese mit vollster Energie und gebieterischem Stolze herausgeschleuderten Worte. Die Beamten wichen zuerst zurück und machten dann Miene, wie zum Schutze, einen Kreis um ihren jungen Chef zu schließen, der sie mit einer ruhigen Handbewegung zurückwies. Die beiden Bergleute blickten wie betäubt auf ihn hin, aber Keinen traf dies jähe Aufflammen so furchtbar, wie Ulrich. Er war leichenblaß geworden. Weit vorgebeugt stand er da, mit bebenden Lippen und weit offenen starren Augen, als könne und wolle er nicht begreifen, was er doch sah und hörte. Dann auf einmal schien ihm sein verhängnißvoller Irrthum über Den klar zu werden, von dem er noch vor wenigen Tagen mit verächtlichem Achselzucken behauptet, er zähle überhaupt nicht, und nun blitzte es furchtbar auf in seinen Zügen. Wie ein gereizter Löwe war er im Begriff sich vorwärts zu stürzen. Aber wie diesen zwang ihn ein furchtbarer Blick, der klar, fest und ruhig dem seinigen begegnete. Arthur war unbeweglich stehen geblieben, nur das Auge hatte er groß und voll aufgeschlagen und mit diesem Auge wies er die hervorbrechende Wildheit gebieterisch in ihre Schranken zurück. Nur einige Secunden lang dauerte dieses Anschauen der Beiden; dann war es entschieden zwischen ihnen. Langsam löste sich die geballte Rechte Ulrich’s; langsam wich die wilde Drohung aus seinen Zügen, und der Blick sank zu Boden. Er hatte in dem jungen Chef das ihm Ebenbürtige, vielleicht das ihm Ueberlegene erkannt, und – beugte sich ihm.

      Arthur trat zurück. Seine Stimme klang wieder kalt und ruhig, als er fortfuhr: „Und nun theilen Sie Ihren Cameraden mit, was ich Ihnen bewilligen kann und was nicht! Fügen Sie hinzu, daß ich kein Wort von dem Gesagten zurücknehmen werde! Damit sind wir für jetzt zu Ende.“

      „Wir sind’s!“ Ulrich’s Ton klang dumpf, fast erstickt von innerer Leidenschaft. „So erkläre ich Ihnen denn im Namen der gesammten Knappschaft Ihrer Werke, daß diese Werke von morgen an feiern werden!“

      „Es ist gut. Ich war darauf