Elisabeth Bürstenbinder

Die beliebtesten Liebesromane & Geschichten von Elisabeth Bürstenbinder


Скачать книгу

er es verdient!“

      Sie warf ihr Pferd herum und wollte an ihm vorüber, aber Ulrich’s riesige Gestalt stand mitten im Wege, ohne auch nur einen Schritt zu weichen. Er war todtenbleich geworden bei diesem Gebieterton, den er zum ersten Mal von ihren Lippen hörte, und der Haß, der in seinem Auge flammte, schien jetzt auch ihr zu gelten.

      „Geben Sie den Weg frei!“ befahl Eugenie, noch gebieterischer als vorhin. „Ich will fort!“

      Aber sie befand sich einem Manne gegenüber, bei dem mit Befehlen nichts auszurichten war, und den ein Befehl aus ihrem Munde vollends zur Wuth reizte. Anstatt zu gehorchen, war er mit einem einzigen Schritte dicht an ihrer Seite und faßte zum zweiten Male, diesmal mit eisernem Griff, die Zügel des Pferdes, ohne sich jetzt an sein Bäumen und an die Gefahr der Reiterin zu kehren.

      „Sie sollten nicht so zu mir sprechen, gnädige Frau!“ sagte er dumpf. „Ich kann viel ertragen, von Ihnen kann ich’s, wenn auch sonst von Keinem; aber den Ton vertrage ich nicht! Treiben Sie das Pferd nicht an,“ fuhr er außer sich fort, als Eugenie Miene machte, es mit der Reitgerte zum Losreißen und Davonsprengen zu zwingen. „Sie werden mich nicht niederreiten, aber ich, bei Gott, ich reiße das Thier nieder, wie ich es damals mit den beiden anderen gethan habe!“

      Es lag eine furchtbare Drohung in seinen Worten, und noch furchtbarer drohte sein Blick. Eugenie sah die von Allen gefürchtete Wildheit sich zum ersten Male gegen sie kehren und begriff plötzlich die ganze Gefahr ihrer Lage; aber in demselben Moment ergriff sie auch mit schneller Geistesgegenwart das einzige Rettungsmittel.

      „Hartmann,“ sagte sie vorwurfsvoll, aber ihre Stimme war auf einmal mild, beinahe weich geworden. „Soeben noch boten Sie mir Ihren Schutz an, und jetzt bedrohen Sie mich selbst? Nun freilich sehe ich, was von Ihren Cameraden zu fürchten ist, wenn Sie mir so gegenüber treten! Ich wäre nicht in den Wald geritten, hätte ich eine Ahnung davon gehabt.“

      Der Vorwurf und mehr noch die Stimme schien Ulrich zur Besinnung zu bringen; seine wilde Gereiztheit schwand, als er den Ton nicht mehr hörte, der sie herausgefordert. Noch hatte er die Rechte fest am Zügel, aber die geballte Linke löste sich jetzt allmählich, und der drohende Ausdruck verschwand aus seinen Zügen.

      „Ich habe Sie bisher nie gefürchtet,“ fuhr Eugenie leise fort, „trotz all dem Schlimmen, was man mir von Ihnen sagte. Wollen Sie mich jetzt die Furcht lehren? Wir sind dicht am Abhange; wenn Sie fortfahren, das Thier so zu reizen, oder Ihre Drohung ausführen, so giebt es ein Unglück. Will der Mann, der sich einst unter die Hufe meiner Pferde warf, um eine Unbekannte zu retten, mich jetzt selbst in Gefahr bringen? Lassen Sie mich fort, Hartmann!“

      Ulrich zuckte leise zusammen und warf einen Blick auf den Abhang, dem sie allerdings nahe genug waren; langsam ließ er den Zügel los und langsam, wie einer unabweisbaren Gewalt nachgebend, trat er zur Seite, um sie vorüber zu lassen. Eugenie sah unwillkürlich zurück; er stand stumm da, das trotzige Auge am Boden, ohne eine Silbe der Erwiderung oder des Abschiedes, und ließ sie ungehindert davon reiten.

       Inhaltsverzeichnis

      Die junge Frau athmete auf, als Afra’s Schnelligkeit sie der gefährlichen Nähe entriß. So muthvoll sie war, hier hatte sie doch gezittert. Sie hätte kein Weib sein müssen, um nach dieser Scene nicht zu wissen, was sie längst schon geahnt, daß das ihr gegenüber so räthselhafte und widerspruchsvolle Wesen dieses Mannes etwas Anderes, etwas weit Gefährlicheres barg als Haß. Noch beugte er sich ihrer Macht; aber er war nahe daran gewesen, die Kette zu sprengen. Sie hatte jetzt eine Probe davon, daß er der „unbändigen Naturkraft“, mit der sie ihn einst verglichen, an Blindheit und Furchtbarkeit nichts nachgab, wenn er erst einmal entfesselt wie sie seine Schranken brach.

      Sie hatte das Thal erreicht und war, der erhaltenen Warnung eingedenk, eben im Begriff, die Fahrstraße zu verlassen, als sie von dort her Hufschlag vernahm und sich umwendend einen Reiter gewahrte, der in vollem Galopp heransprengte und in wenigen Minuten an ihrer Seite war.

      „Endlich!“ sagte Arthur athemlos, indem er sein Pferd parirte. „Welche Unvorsichtigkeit, gerade heute allein auszureiten! Du hattest freilich keine Ahnung von dem Wagniß.“

      Eugenie blickte überrascht auf ihren Gatten, der tiefathmend und glühend erhitzt vom schnellen Ritte an ihrer Seite hielt. Er war nicht in Reitkleidung, trug auch weder Sporen noch Handschuhe; wie er da war, im Hausanzuge, mußte er sich auf’s Pferd geworfen haben, um ihr nachzusprengen.

      „Erst vor einer halben Stunde erfuhr ich von Deinem Einfalle,“ fuhr er seine Erregung bemeisternd fort. „Franz und Anton suchen Dich bereits in verschiedenen Richtungen; ich fand allein die rechte Spur. Man sagte mir im Pachthofe, Du seist vor einiger Zeit vorbeigeritten.“

      Die junge Frau fragte nicht nach dem Grunde dieser Sorge; sie kannte ihn hinreichend; aber die Sorge selbst überraschte sie doch. Er hätte ja die Diener allein nach ihr ausschicken können. Freilich, die Möglichkeit, seine Gemahlin von den Bergleuten insultirt zu wissen, war sehr unangenehm für den Chef der Werke, und er handelte jedenfalls nur in dieser Eigenschaft, als er ihr persönlich nacheilte.

      „Ich war dort oben,“ erklärte sie nach dem Ziele ihres Spazierrittes hinaufdeutend.

      „Auf der Höhe? Wo wir damals vor dem Sturme Zuflucht suchten? Dort warst Du?“

      Eugenie wurde dunkelroth; sie sah wieder jenes seltsame Aufleuchten in seinen Augen, das wochenlang verschwunden gewesen war. Und weshalb klang die Frage so stürmisch, so athemlos gepreßt? Hatte er denn nicht längst schon jene Stunde vergessen, die sie so oft noch in der Erinnerung peinigte?

      „Ich gerieth zufällig dorthin,“ sagte sie hastig, als gelte es eine Schuld abzuwälzen, und diese Berichtigung hatte denn auch sofort den gewünschten Erfolg. Das Leuchten in seinem Blicke verschwand plötzlich und die Stimme wurde kühl und fest.

      „Zufällig! Ach so! Ich hätte wissen können, daß eine solche Bergpartie nicht in Deinem Plane lag; Afra erträgt sie ja stets nur sehr unmuthig. Aber Du hättest ‚zufällig‘ auch auf den Weg nach M. gerathen können, und das war es, was ich fürchtete.“

      „Und was war dort zu fürchten?“ fragte Eugenie forschend, während sie gemeinschaftlich den breiten Weg verließen und einen schmaleren einschlugen, der mitten durch den Wald führte.

      Arthur suchte ihrem Blicke auszuweichen. „Einige Unannehmlichkeiten, die gerade heute dort hätten passiren können. Unsere Bergleute sind nach den oberen Eisenhütten gezogen, um auch dort Widerstand und Lärm anzustiften. Hartmann hat ihnen mit seinen fulminanten Reden die Köpfe bis auf’s Aeußerste erhitzt; ich habe Nachricht, daß gestern bereits Unordnungen dort oben vorgefallen sind, und ein Menschenhaufe, der im aufgeregten Zustande von dem Schauplatze solcher Unruhen kommt, ist schlechterdings zu Allem fähig. Sie müssen gerade jetzt auf der Rückkehr sein.“

      „Ich hätte die Fahrstraße ohnehin vermieden,“ sagte die junge Frau ruhig. „Ich war bereits gewarnt.“

      „Gewarnt? Durch wen?“

      „Durch Hartmann selbst, den ich vor einer Viertelstunde oben im Walde antraf.“

      Diesmal war es Arthur’s Pferd, das sich heftig aufbäumte, erschreckt durch die zuckende Bewegung, mit der sein Reiter die Zügel an sich gerissen hatte.

      „Hartmann? Und er wagte es, sich Dir zu nahen, Dich anzureden, nach Allem, was in diesen letzten Tagen vorgefallen ist?“

      „Es geschah nur, um mich zu warnen, um mir seine Begleitung und seinen Schutz anzubieten. Ich lehnte Beides ab; ich glaubte das Dir und Deiner Stellung schuldig zu sein.“

      „Du glaubtest es mir schuldig zu sein!“ wiederholte Arthur schneidend. „Ich bin Dir unendlich verbunden für diese Rücksicht; aber es war gut, daß Du sie nahmst, denn hättest Du Dich von ihm escortiren lassen – so sehr ich es vermeide, den ersten Anlaß zum Conflict zu geben, in diesem Falle hätte ich ihm doch fühlbar gemacht, daß der Anstifter, der Rädelsführer