Elisabeth Bürstenbinder

Die beliebtesten Liebesromane & Geschichten von Elisabeth Bürstenbinder


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Weltmann sein müssen, um nicht, trotz des aufregenden Gespräches, das er soeben mit Eugenien geführt hatte, sofort den Gesellschaftston wieder zu finden. Es folgten die üblichen Fragen und Erkundigungen nach den verschiedenen Familiengliedern; der Tod des Grafen Rabenau wurde als Veranlassung der Reise erwähnt und sehr förmlich von Arthur bedauert, der jedenfalls keine Ahnung von der Veränderung hatte, die dieser Tod in den Verhältnissen seiner neuen Verwandten hervorrief. Endlich ging der Baron auf ein anderes Thema über.

      „Uebrigens bringe ich eine Nachricht aus der Residenz mit, die auch für Sie, Herr Berkow, vom höchsten Interesse ist,“ sagte er artig. „Ich darf wohl annehmen, daß Ihnen die Wünsche Ihres Herrn Vaters in Bezug auf eine Standeserhöhung kein Geheimniß geblieben sind, und kann Ihnen die Versicherung geben, daß ihre Erfüllung nahe bevorsteht. In einem Punkte freilich fand ich unübersteigliche Hindernisse; man hegt gewisse – Vorurtheile gegen Herrn Berkow persönlich, die kaum zu überwinden sein dürften, dagegen ist man sehr gern bereit, einen unserer ersten Industriellen dadurch auszuzeichnen, daß man seinem Sohne den Adel ertheilt. Ich hoffe Ihnen in Kurzem dazu gratuliren zu können.“

      Arthur hatte zugehört, ohne eine Miene zu verändern. Jetzt hob er das Auge empor, und sofort richtete sich Eugeniens Blick mit einem ihr selbst unerklärlichen Interesse auf diese Augen, obgleich augenblicklich darin nicht das Geringste zu lesen war.

      „Darf ich fragen, Herr Baron, ob in dieser Angelegenheit allein die Wünsche meines Vaters oder auch Rücksichten auf Ihre Tochter vorwaltend waren?“

      Windeg bekämpfte eine leichte Verlegenheit. Er hatte sicher auf einen Dank gerechnet und nun kam statt dessen diese seltsame Frage. „Unsere beiderseitigen Wünsche kamen sich wohl entgegen, nachdem die Verbindung einmal geschlossen war,“ erwiderte er etwas gezwungen. „Uebrigens verhehlte ich schon damals Herrn Berkow nicht meine Bedenken wegen einer persönlichen Standeserhöhung und erhielt von ihm die Versicherung, daß er im Nothfall darauf verzichten würde, zu Gunsten seines einzigen Sohnes und Erben, dem er ja damit allein eine glänzende Zukunft schaffen wollte.“

      „Dann bedaure ich, daß mein Vater mich nicht von dem Fortschreiten einer Sache unterrichtet hat, die ich nur als unbestimmten Plan kannte,“ sagte Arthur kühl. „Und ich bedaure noch mehr, Herr Baron, daß Sie Ihren Einfluß für eine Ehre verwandt haben, die ich leider ablehnen muß.“

      Der Baron fuhr auf und sah seinen Schwiegersohn mit starren Augen an.

      „Verzeihen Sie, Herr Berkow! Ich hörte wohl nicht recht? Mir däucht, Sie sprechen von Ablehnung?“

      „Von der Ablehnung des Adels, wenn er mir angeboten würde – ja, Herr Baron.“

      Windeg war vollständig aus der Fassung gebracht, was ihm sicher nicht oft passirte. „Nun, dann muß ich Sie doch bitten, mir den Grund dieser, gelinde gesagt, seltsamen Weigerung zu nennen. Ich bin höchst begierig darauf.“

      Arthur sah zu seiner Frau hinüber. Sie war zusammengezuckt bei seinen Worten, und die dunkle Röthe ergoß sich wieder heiß über ihre Wangen. Beider Augen begegneten sich und ruhten einige Secunden lang ineinander, aber es schien nicht, als habe der junge Mann viel Nachgiebigkeit geschöpft aus diesem Blicke, denn seine Stimme hatte einen entschiedenen Anflug von Trotz, als er erwiderte:

      „Die Seltsamkeit liegt wohl weniger in meiner Ablehnung, als in der Art des Anerbietens. Wäre meinem Vater der Adel wegen der Verdienste ertheilt worden, die er doch unleugbar um die Industrie hat, so hätte ich als sein Erbe ihn gleichfalls angenommen. Es ist eine Auszeichnung wie jede andere, und als solche ehrenvoll. Man hat nicht für gut gefunden, sie ihm zu gewähren, und ich bin natürlich nicht Richter über die ‚Vorurtheile‘, die dem entgegenstehen mögen, aber ich meinestheils habe nicht den mindesten Anspruch auf eine solche Auszeichnung und deshalb halte ich es für besser, wir lassen die Residenz nicht behaupten, daß eine Verschwägerung mit der Windeg’schen Familie nothwendig ein Adelsdiplom im Gefolge haben müsse.“

      Er hatte die letzten Worte sehr gleichgültig hingeworfen, und doch preßte Eugenie zornig die Lippen zusammen; sie wußte, daß sie einzig ihr galten. Wollte er sich denn durchaus von Allem frei machen, was ihr noch das Recht gab, ihn verachten zu dürfen? und sie fühlte doch jetzt mehr als je den Wunsch, es zu thun.

      „Ich scheine in der That im Irrthum über die Gründe gewesen zu sein, die Sie diese Verschwägerung wünschen ließen,“ sagte der Baron langsam, „aber ich muß gestehen, bei Ihnen war ich am wenigsten auf solche Ansichten gefaßt, die auch wohl neueren Datums sind, denn vor Ihrer Vermählung schienen Sie eher dem Gegentheil zu huldigen.“

      „Vor meiner Vermählung!“ Ein unendlich bitteres Lächeln spielte um Arthur’s Lippen. „Da war ich allerdings noch nicht darüber orientirt, wie man in Ihren Kreisen, Herr Baron, mich selbst und mein Verhältniß zu diesen Kreisen zu beurtheilen pflegte. Seitdem ist mir das in ziemlich schonungsloser Weise klar gemacht worden, und es kann Sie daher nicht befremden, wenn ich darauf verzichte, dort nach wie vor für einen unberufenen Eindringling zu gelten.“

      Eugeniens Finger preßten sich hier so heftig um die Rose, die sie vorhin aus der Vase gezogen und noch in der Hand hielt, daß die zarte Blume dasselbe Schicksal hatte, wie neulich ihr Fächer in Arthur’s Händen; zerdrückt fiel sie auf den Teppich nieder. Arthur merkte das nicht. Er drehte ihr fast den Rücken und wendete sich ganz ihrem Vater zu, der ihn mit einem Ausdruck ansah, als zweifle er durchaus und vollständig daran, daß es wirklich sein Schwiegersohn sei, der da vor ihm stehe.

      „Ich habe begreiflicher Weise keine Ahnung, wer Ihnen diese jedenfalls sehr übertriebenen Eröffnungen gemacht hat,“ entgegnete er ernst, „aber ich muß Sie doch bitten, in diesem Punkte Rücksicht auf Eugenie zu nehmen. Bei der Rolle, die sie voraussichtlich im Winter in der Residenz spielen wird, kann sie – verzeihen Sie, Herr Berkow! nicht den bürgerlichen Namen tragen: das lag weder in der Absicht Ihres Vaters noch in der meinigen.“

      Ein langer düsterer Blick Arthur’s streifte seine Gattin, die sich noch immer mit keinem Worte an dem Gespräche betheiligte, so sehr sie sonst ihre Ansicht und ihren Willen geltend zu machen wußte.

      „Bis zum Winter könnten sich die Verhältnisse ganz anders gestalten, als es jetzt den Anschein hat. Ueberlassen Sie das Eugenien und mir! Für jetzt bedaure ich, bei meinem Nein bleiben zu müssen. Da mir allein diese Erhebung angeboten wird, so habe ich ja auch wohl allein das Recht, anzunehmen oder abzulehnen, und ich lehne ab, was ich – verzeihen Sie, Herr Baron – dem aristokratischen Namen meiner Frau nicht danken will.

      Windeg erhob sich verletzt. „Dann bleibt mir allerdings nichts übrig, als die schon gethanen Schritte in dieser Angelegenheit schleunigst wieder rückgängig zu machen, damit ich nicht noch mehr compromittirt werde, als es bereits der Fall ist. – Eugenie, Du schweigst ja vollständig zu dem Allen. Was sagst Du denn zu diesen eben gehörten Ansichten Deines Herrn Gemahls?“

      Die Antwort sollte der jungen Frau erspart werden, denn in diesem Augenblicke wurde die Thür nicht wie sonst von dem Diener geräuschlos geöffnet, sondern hastig aufgerissen, und herein stürzte, ohne Anmeldung, mit aschbleichem Gesicht und vollständiger Hintansetzung aller Formen, die er sonst so zierlich zu beobachten wußte, Herr Wilberg.

      „Ist Herr Berkow hier? Verzeihen Sie, gnädige Frau! Ich muß Herrn Berkow augenblicklich sprechen!“

      „Was ist geschehen?“ fragte Arthur, dem jungen Manne entgegentretend, dessen verstörtes Gesicht eine Unglücksbotschaft verrieth.

      „Ein Unfall!“ sagte Wilberg athemlos. „Unten im Fahrschacht – Ihr Herr Vater ist schwer verletzt, sehr schwer – der Director schickt mich!“

      Er kam nicht weiter in seinem Berichte, denn Arthur war bereits an ihm vorüber zur Thür hinausgeeilt. Der junge Beamte stand im Begriff ihm zu folgen, als er sich draußen im Corridor von dem Baron zurückgehalten sah.

      „Haben Sie dem Sohne die volle Wahrheit gesagt?“ fragte dieser ernst. „Mir brauchen Sie nichts zu verschweigen. Ist Herr Berkow todt?“

      „Ja!“ stieß Wilberg hervor „Er fuhr mit dem Steiger Hartmann zu Tage – die Seile