Zdenko’s nur ein Kinderspiel war, und er war in diesem Augenblicke von einer übermenschlichen Macht beseelt.
Als er seine kostbare Last auf dem Rande des Brunnens absetzte, beim Scheine des heraufdämmernden morgens, atmete Consuelo endlich auf, und sich von seiner keuchenden Brust losmachend, trocknete sie mit ihrem Schleier ihre in Schweiß gebadete Stirn.
– Freund! sagte sie zärtlich, ohne Sie wäre ich tot; Sie haben mir alles vergolten, was ich für Sie getan habe, aber ich fühle jetzt Ihre Abspannung mehr als Sie selbst, und mir ist, als ob ich an Ihrer Stelle ihr erliegen sollte.
– O meine kleine Zingarella! rief Albert voll Entzücken und küsste den Schleier, welchen sie an ihr Gesicht gedrückt hatte, du bist so leicht in meinen Armen wie damals, als ich dich vom Schreckenstein herunter ins Schloss trug.
– Das Sie ohne meine Einwilligung nicht wieder verlassen werden, Albert! vergessen Sie Ihren Schwur nicht!
– Und du nicht den deinigen! antwortete er, neben ihr hinkniend.
Er half ihr sich in ihren Schleier wickeln und begleitete sie durch sein Zimmer, aus welchem sie sich leise nach dem ihrigen stahl.
Man fing im Schlosse zu erwachen an. Das Stiftsfräulein ließ schon im untern Stocke einen trockenen und gellenden Husten vernehmen, das Zeichen, dass sie aufstand. Consuelo, der die Furcht Flügel gab, gelangte glücklich, von niemandem gesehen oder gehört, in ihr Zimmer. Mit fliegender Hand befreite sie sich von ihren durchnässten und zerfetzten Kleidern und verbarg diese in einem Koffer, dessen Schlüssel sie abzog. Sie gewann noch so viel Kraft und Besinnung, als nötig war, um jede Spur ihrer geheimnisvollen Reise wegzuschaffen.
Aber kaum hatte sie ihr ermüdetes Haupt auf das Kopfkissen sinken lassen, als ein, schwerer, heißer Schlaf, voll wilder Träume und schrecklicher Begebenheiten, sie in die Gewalt eines hereinbrechenden unerbittlichen Fiebers lieferte.
4.
Indessen stieg das Stiftsfräulein nach einem halbstündigen Gebete die Treppe hinauf und ließ es, ihrer Gewohnheit nach, ihre erste Sorge sein, nach ihrem geliebten Neffen zu sehen. Sie ging an die Türe seines Zimmers und legte ihr Ohr an das Schlüsselloch, obgleich sie weniger als jemals hoffte, das leise Geräusch, das ihr seine Wiederkunft kund geben sollte, zu vernehmen. Welche Überraschung, welche Freude, als sie den gleichmäßigen Atemzug des Schlummernden hörte. Sie machte ein großes Kreuz und erkühnte sich, leise den Schlüssel im Schlosse umzudrehen und auf den Fußspitzen hineinzuschleichen. Sie sah Albert ruhig schlafend auf seinem Bette liegen und Ajax zusammengekrümmt auf dem daneben stehenden Lehnstuhl. Sie weckte weder den einen noch den anderen, und lief zu dem Grafen Christian, der, in seiner Kapelle kniend, mit seiner gewohnten Ergebung betete, dass Gott ihm seinen Sohn, sei es im Himmel oder auf Erden, wiedergeben möchte.
– Mein Bruder! sagte sie leise, neben ihm niederkniend, stelle dein Gebet ein und suche in deinem Herzen die heißesten Segenswünsche. Gott hat dich erhört.
Sie hatte nicht nötig, sich näher zu erklären. Der Greis wendete sich zu ihr um, und da er ihre kleinen hellen Augen von der eigenen und von teilnehmender Freude strahlen sah, erhob er seine Hände gegen den Altar und rief mit schwacher Stimme:
– Gott, mein Herr! du hast mir meinen Sohn wiedergegeben.
Und beide, von dem gleichen Gedanken ergriffen, fingen an, mit lauter Stimme Vers um Vers den schönen Lobgesang Simeons herzusagen: »Herr, nun lässest du deinen Diener in Frieden fahren u. s. w.«
Man beschloss, Albert nicht zu wecken. Man rief den Freiherrn, den Kaplan und die ganze Dienerschaft, und alles wohnte der Dankmesse in der Schlosskapelle andächtig bei. Amalie erfuhr die Wiederkehr ihres Cousins mit unverstellter Freude; aber sie fand es sehr unbillig, dass man sie, um dieses glückliche Ereignis fromm zu begehen, um fünf Uhr morgens aus dem Bette holte, und ihr eine Messe hinunterzuwürgen gab, bei welcher sie vor Gähnen umkommen musste.
– Warum hat sich Ihre Freundin, die gute Porporina, nicht mit uns vereinigt, um der Vorsehung zu danken? fragte Graf Christian seine Nichte, als die Messe beendet war.
– Ich habe sie wecken wollen, antwortete Amalie. Ich habe sie angerufen, geschüttelt und auf alle Weise zu ermuntern gesucht, aber ich konnte sie durchaus nicht dazu bringen, mich zu hören oder auch nur die Augen zu öffnen. Wenn sie nicht glühend heiß und rot wie Feuer gewesen wäre, so hätte ich sie für tot gehalten. Sie muss die Nacht schlecht geschlafen haben und im Fieber liegen.
– So ist sie krank, die würdige Person, hob der alte Graf wieder an. Meine liebe Schwester Wenceslawa, du solltest wohl einmal nach ihr sehen und ihr die Hilfe leisten, die ihr Zustand erfordert. Gott behüte uns, dass ein so schöner Tag uns durch das Übelbefinden dieses edlen Mädchens getrübt würde!
– Ich werde gleich sehen, Bruder! versetzte das Stiftsfräulein, das nichts was Consuelo betraf mehr sagte oder tat, ohne zuvor den Blick des Kaplans zu befragen. Aber mache dir keine Unruhe, Christian! es wird nichts zu bedeuten haben. Die Signora Nina hat sehr reizbare Nerven. Sie wird bald wieder hergestellt sein.
– Ist es aber nicht doch sonderbar, sagte sie gleich darauf zu dem Kaplan, als sie ihn bei Seite nehmen konnte, dass dieses Mädchen Albert’s Wiederkunft so zuversichtlich und richtig vorhergesagt hat? Herr Kaplan, wir haben uns doch vielleicht in Betreff ihrer geirrt. Sie ist vielleicht eine Heilige, die Offenbarungen hat.
– Eine Heilige wäre doch wohl gekommen, die Messe zu hören, anstatt in einem solchen Augenblicke das Fieber zu kriegen, wendete der Kaplan mit bedeutungsvoller Miene ein.
Dieses triftige Argument entriss dem Stiftsfräulein einen Seufzer. Sie ging nichts desto weniger nach Consuelo zu sehen, die sie im glühendsten Fieber und von einer unbegreiflichen Schlafsucht befallen fand. Der Kaplan wurde gerufen und erklärte, dass es bedenklich wäre, wenn dieses Fieber anhielte. Er fragte die junge Baronin, ob ihre Nachbarin während der Nacht sehr unruhig gewesen wäre.
– Nichts weniger! antwortete Amalie, ich habe nicht gehört, dass sie sich gerührt hätte. Ich hatte mich darauf gefasst gemacht, nach allen den Weissagungen und schönen Geschichten, die sie uns in den letzten Tagen aufgetischt hatte, dass es in ihrem Zimmer einen Hexensabbat geben würde. Aber der Teufel muss sie weit hinweg getragen haben, oder sie hat mit sehr gut abgerichteten Kobolden zu tun, denn sie hat sich meines Wissens nicht geregt und mein Schlaf