George Sand

Gesammelte Werke


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vor dem Aus­druck ei­ner Lie­be zu­rück­schreckt, die du nicht tei­len willst; ich weiß wohl, dass dein Stolz die Er­gie­ßun­gen ei­ner Lei­den­schaft zu­rück­wei­sen möch­te, wel­che du we­der her­vor­ru­fen noch be­güns­ti­gen woll­test.

      Sei da­her ru­hig, und ge­lo­be ohne Furcht, mir eine Schwes­ter, eine Trös­te­rin zu sein; ich schwö­re dir, dein Bru­der und dein Knecht zu sein. Mehr for­de­re nicht: du wirst mich nicht un­be­schei­den, nicht zu­dring­lich fin­den. Es wird mir ge­nug sein, wenn du weißt, dass du über mich ge­bie­ten, und mich un­be­dingt be­herr­schen kannst … wie man einen Bru­der nicht be­herrscht, aber wie man über ein We­sen ge­bie­tet, das sich ganz und auf ewig da­hin ge­ge­ben hat.

      2.

      Die­se Spra­che be­ru­hig­te Con­sue­lo für den Au­gen­blick, mach­te sie aber nicht frei von Be­sorg­nis­sen für die Zu­kunft. Al­ber­t’s fa­na­ti­sche Ent­sa­gung ent­sprang aus ei­ner tie­fen, un­über­wind­li­chen Lei­den­schaft, wor­an der Ernst sei­nes Cha­rak­ters und der fei­er­li­che Aus­druck sei­nes Ge­sich­tes gar nicht zwei­feln lie­ßen. Be­stürzt, ob­wohl sanft be­wegt, frag­te sich Con­sue­lo, ob sie fort­fah­ren dürf­te, ihre Sorg­falt die­sem Man­ne zu wid­men, der ihr ohne Rück­halt und Um­schweif sei­ne Nei­gung er­klär­te. Sie hat­te der­glei­chen Ver­hält­nis­se nie­mals von der leich­ten Sei­te ge­nom­men, und sie sah, dass bei Al­bert kei­ne Frau ei­nem sol­chen ohne be­denk­li­che Fol­gen die Stirn bie­ten wür­de. Sie zwei­fel­te we­der an sei­ner Red­lich­keit noch an dem Erns­te sei­nes ge­ge­be­nen Wor­tes, aber der See­len­frie­den, den sie sich ge­schmei­chelt hat­te ihm wie­der zu ge­ben, konn­te sich nicht ver­ei­ni­gen mit ei­ner so glü­hen­den Lie­be und mit der Un­mög­lich­keit, worin sie sich be­fand, die­se zu er­wi­dern.

      Sie reich­te ihm seuf­zend die Hand und blieb, ge­dan­ken­voll, die Au­gen an den Bo­den hef­tend, in schwer­mü­ti­ges Sin­nen ver­lo­ren.

      – Al­bert, sag­te sie end­lich, da sie ihre Bli­cke wie­der auf ihn rich­te­te und die sei­ni­gen voll schmerz­li­cher Er­war­tung und Angst sah, Sie ken­nen mich nicht, wenn Sie mir eine Rol­le auf­bür­den wol­len, die mir so we­nig zu­sagt. Nur ein Weib, das fä­hig wäre sie zu miss­brau­chen, könn­te sie an­neh­men. Ich bin we­der ko­kett noch stolz, ich glau­be nicht, dass ich ei­tel bin, und ich bin nicht herrsch­süch­tig. Ihre Lie­be wür­de mir schmei­cheln, wenn ich sie tei­len könn­te, und wäre das, so wür­de ich es Ih­nen auf der Stel­le sa­gen. Sie durch eine wie­der­hol­te Ver­si­che­rung des Ge­gen­teils zu be­trü­ben, ist in der Ge­müts­be­we­gung, in wel­cher ich Sie fin­de, eine Hand­lung kal­ter Grau­sam­keit, die Sie mir er­spa­ren soll­ten, die mir aber mein Ge­wis­sen zur Pf­licht macht, wie sehr mein Herz sie ver­ab­scheut und Schmer­zen fühlt, sie zu er­fül­len. Be­kla­gen Sie mich, dass ich Sie be­trü­ben muss, viel­leicht be­lei­di­gen, in ei­nem Au­gen­bli­cke, wo ich mein Le­ben dar­an set­zen möch­te, Ih­nen das Glück und die Ge­sund­heit wie­der zu ge­ben.

      – Ich weiß es, ho­hes Mäd­chens ent­geg­ne­te Al­bert schwer­mü­tig lä­chelnd; du bist so gut und so groß, dass du dein Le­ben op­fern wür­dest für den ge­rings­ten der Men­schen, aber dein Ge­wis­sen, ich weiß es wohl, wird sich Kei­nem zu Lie­be beu­gen. Fürch­te dich nicht mich zu be­lei­di­gen, in­dem du mir die­se Stren­ge zeigst, die ich be­wun­de­re, die­sen kal­ten Gleich­mut, der dir mit­ten un­ter Mit­ge­fühl und Rüh­rung dei­ne Tu­gend be­wahrt.

      Mich be­trü­ben? o, das kannst du Du nicht, Con­sue­lo! Ich habe mir kei­ne Selbst­täu­schung ge­macht, ich bin an die herbs­ten Schmer­zen ge­wöhnt; ich weiß, dass mein Le­ben den bit­ters­ten Op­fern ge­weiht ist. Be­hand­le mich nicht wie ein schwa­ches Ge­schöpf, wie ein Kind ohne Herz und ohne Stolz, in­dem du mir wie­der­holst, was ich üb­ri­gens ja weiß, dass du mich nie­mals lie­ben wirst. Ich ken­ne dein gan­zes Le­ben, Con­sue­lo, ob­schon ich we­der dei­nen Na­men, noch dei­ne Her­kunft ken­ne, noch ir­gend einen ein­zel­nen Um­stand aus dei­nem Le­ben. Ich weiß die Ge­schich­te dei­ner See­le, das Üb­ri­ge ist für mich von kei­nem Wer­te. Du hast ge­liebt, du liebst noch, du wirst lie­ben – ja! ein We­sen, von wel­chem ich nichts weiß, von wel­chem ich nichts wis­sen will und wel­chem ich dich nicht strei­tig ma­chen will.

      Aber wis­se, Con­sue­lo! dass du nie­mals we­der ihm, noch mir, noch auch dir selbst ge­hö­ren wirst. Gott hat dir ein be­son­de­res Da­sein auf­ge­spart, des­sen nä­he­re Um­stän­de ich we­der su­che noch vor­aus­se­he, des­sen Zweck und Ziel ich aber ken­ne. Skla­vin und Op­fer dei­nes See­le­na­dels wirst du in die­sem Le­ben nie einen an­de­ren Lohn emp­fan­gen als das Be­wusst­sein dei­ner Stär­ke und das Ge­fühl dei­ner Güte. Un­glück­lich nach dem Ur­tei­le der Welt, wirst du, al­lem zum Trot­ze, das frie­den­reichs­te, glück­lichs­te Ge­schöpf un­ter den Men­schen sein, weil du stets das recht­schaf­fens­te und bes­te sein wirst.

      Denn nur die Bö­sen und die Schlech­ten, o mei­ne ge­lieb­te Schwes­ter! nur die­se sind be­dau­erns­wert und Chris­ti Wort wird sich er­fül­len, so lan­ge die Mensch­heit un­ge­recht und blind sein wird: Se­lig sind, die ver­folgt wer­den, se­lig, die Leid tra­gen!

      Die Kraft und Wür­de, wel­che von Al­ber­t’s frei­er, ma­je­stä­ti­scher Stirn strahl­ten, wirk­ten in die­sem Mo­men­te auf Con­sue­lo mit so mäch­ti­gem Zau­ber, dass sie die Rol­le der stol­zen, meis­tern­den und stren­gen Freun­din, die sie sich auf­ge­legt hat­te, ver­gaß, um sich un­ter der Ge­walt die­ses von Glau­ben und Be­geis­te­rung em­por­ge­tra­ge­nen Men­schen zu beu­gen. Kaum er­hielt sie sich auf­recht, noch ab­ge­mat­tet wie sie war und von der Ge­müts­be­we­gung vollends be­zwun­gen. Sie sank auf ihre Knie nie­der, die schon vor Schwä­che un­ter ihr zu­sam­men­knick­ten, und die Hän­de fal­tend fing sie an mit al­ler In­brunst laut zu be­ten.

      – Wenn du es bist, mein Gott, rief sie, der die­se Pro­phe­zei­ung in den Mund ei­nes Hei­li­gen legt, so ge­sch­ehe dein Wil­le und dein Wil­le sei ge­lobt! Ich habe dich in mei­ner Kind­heit um das Glück in ei­ner la­chen­den und kin­di­schen Ge­stalt ge­be­ten, und du spar­test es mir auf in ei­ner rau­en, stren­gen Hül­le, die ich nicht be­griff. Öff­ne mei­ne Au­gen und gib mei­nem Her­zen Ge­hor­sam. Das Loos, das mir so un­ge­recht schi­en und das sich mir all­mäh­lich of­fen­bart, ich wer­de es tra­gen ler­nen, o mein Gott! und von dir nichts for­dern, als was der Mensch ein recht hat, von dei­ner Lie­be und Ge­rech­tig­keit zu er­war­ten, den Glau­ben, die Hoff­nung und die Lie­be.

      Also be­tend fühl­te Con­sue­lo ihre Trä­nen flie­ßen. Sie such­te nicht sie zu­rück­zu­hal­ten. Nach die­ser Auf­re­gung und die­sem fie­ber­haf­ten Zu­stan­de be­durf­te sie ei­ner sol­chen Kri­se, wel­che ihr Er­leich­te­rung gab, sie aber noch schwä­cher mach­te. Al­bert be­te­te und wein­te mit ihr, die­se Trä­nen seg­nend, wel­che er so lan­ge in der Ein­sam­keit ver­gos­sen hat­te und die sich end­lich mit de­nen ei­nes ed­len und rei­nen We­sens misch­ten.

      – Jetzt aber, sag­te Con­sue­lo, in­dem sie sich er­hob, ha­ben wir ge­nug an uns ge­dacht. Es ist Zeit, uns mit den an­de­ren zu be­schäf­ti­gen und un­se­rer Pf­lich­ten zu ge­den­ken. Ich habe ver­spro­chen, Sie Ihren An­ge­hö­ri­gen zu­rück­zu­brin­gen, wel­che in Trost­lo­sig­keit seuf­zen und für Sie schon wie für einen To­ten be­ten. Wol­len Sie ih­nen nicht die Ruhe und die Freu­de wie­der­ge­ben, lie­ber Al­bert? Wol­len Sie nicht mit mir kom­men?

      – Schon! rief der Graf