ihrem zweiten Vaterlande, wo sie so süße Tage verlebt hatte, schien ihr wie ein Traum, und es war ihr ein Trost, – ein leider nur zu kurzer Trost – in ihrer Verbannung und dem Unglück, welches dieses herbeigeführt, einen Augenblick zweifeln zu können. Es däuchte ihr, als ob sie noch in ihrem armen Zimmer in der Corte-Minelli wäre, auf der Matratze ihrer Mutter, und nun nach einer heftigen und bittern Szene mit Anzoleto, deren Erinnerung dunkel vor ihrer Seele schwamm, dem Leben zurückgegeben würde und der Hoffnung, indem sie ihn neben sich fühlte, sein unterbrochenes Atmen hörte und die süßen Worte, die er ihr zuflüsterte.
Bei diesem Gedanken durchzitterte ihr Herz ein wonnevolles, sehnliches Verlangen, und sie raffte sich gewaltsam auf, um ihren reuigen Freund zu sehen und ihm die Hand zu reichen. Aber sie drückte nur eine kalte, fremde Hand, und anstatt der fröhlichen Sonne, die sie gewohnt war, rosig durch ihre weißen Vorhänge schimmern zu sehen, sah sie nur die Beleuchtung einer Gruft von düsterem Gewölbe niederdämmern und durch einen feuchten Dunstkreis sich verbreiten; sie fühlte unter ihren Armen das raue Tierfell und mit schauerlichem Schweigen beugte sich Albert’s bleiches Antlitz wie das eines abgeschiedenen Geistes zu ihr nieder.
Consuelo glaubte sich lebend in das Grab hinabgestiegen, sie schloss die Augen wieder und sank schmerzlich seufzend auf das Bett von trocknem Laub zurück Sie brauchte noch mehrere Minuten, um zu fassen wo sie wäre und in welches schlimmen Wirtes Händen. Die Furcht, von ihrer Begeisterung und Hingebung bis dahin niedergehalten, bemächtigte sich ihrer so sehr, dass sie die Augen nicht wieder aufzuschlagen wagte, um nicht irgend ein grässliches Schauspiel, Totengepränge, ein offenes Grab vor sich zu sehen.
Sie fühlte etwas auf ihrer Stirn, und griff danach. Es war ein Blätterkranz, womit Albert sie gekrönt hatte. Sie nahm ihn ab, um ihn zu betrachten, und sah Cypressenzweige.
– Ich glaubte dich tot, o meine Seele! o mein Trost! sagte Albert neben ihr niederkniend, und ich wollte, bevor ich dir ins Grab folgte, dich hochzeitlich schmücken. Blumen wachsen nicht hier umher, Consuelo! Die schwarzen Cypressen boten das einzige Laub, wovon ich Dir einen Brautkranz pflücken konnte. Da ist er, stoß’ ihn nicht hinweg. Wenn wir hier sterben müssen, lass mich dir schwören, dass ich, dem Leben zurückgegeben, nie eine andere Gattin gehabt haben würde als dich, und dass ich mit dir sterbe, dir geeint durch ein unauflösliches Verlöbnis.
– Verlobt, vereint! rief Consuelo erschreckt und schaute bestürzt umher: wer hat dies Urteil gesprochen? wer hat diese Ehe eingesegnet?
– Das Geschick, o du mein Engels erwiderte Albert unaussprechlich sanft und traurig. Denke nicht, ihm zu entrinnen, es ist ein wunderseltsames Geschick für dich, und noch mehr für mich. Du begreifst mich nicht, Consuelo, und doch musst du die Wahrheit erfahren. Du hast es mir verboten, in der Vergangenheit zu suchen, du hast es mir verwehrt, an die verflossenen Tage zu gedenken, die man die Nacht der Jahrhunderte heißt. Mein Innerstes hat dir gehorcht, und ich weiß nun nichts mehr von meinem frühern Dasein. Aber das gegenwärtige habe ich befragt, ich kenne es, ich habe es ganz mit einem Blicke überschaut, es ist mir urplötzlich aufgegangen, während du ruhtest von den Armen des Todes umfangen. Dein Geschick ist, Consuelo, mir anzugehören, und dennoch wirst du niemals mein sein. Du liebst mich nicht, du wirst mich nie so lieben, wie ich dich liebe. Deine Liebe zu mir ist nur Nächstenliebe, ist nur heldenmütige Hingebung. Du bist eine Heilige, die Gott mir sendete, und nie wirst du für mich ein Weib sein. Ich muss sterben, verzehrt von einer Liebe, welche du nicht teilen kannst, und doch, Consuelo, wirst du meine Gattin sein, wie du meine Braut schon bist, sei es, dass wir hier sterben und dass dein Mitleid willigt, mir den Titel deines Gatten beizulegen, welchen nie ein Kuss besiegeln soll, sei es, dass wir die Sonne wiedersehen, und dein Gewissen dir gebietet, Gottes Absichten an mir zu erfüllen.
– Graf Albert, sagte Consuelo, indem sie einen Versuch machte, das mit schwarzem Bärenfell bedeckte Bett, das einem Leichengerüste glich, zu verlassen, ich weiß nicht, ob der Schwung einer zu lebhaften Erkenntlichkeit, oder die Nachwirkung Ihres Irrsinns Sie so reden macht. Ich habe nicht mehr die Kraft, Ihre Einbildungen zu bekämpfen, und wenn diese sich gegen mich wenden müssen, gegen mich, die ich mit Lebensgefahr gekommen bin, Ihnen beizustehen und Sie zu trösten, so fühle ich, dass ich nicht mehr imstande bin, mein Leben und meine Freiheit gegen Sie zu verteidigen. Wenn mein Anblick Sie aufbringt, wenn mich Gott verlässt, wohl! so geschehe Gottes Wille. Sie, der Sie so viel zu wissen glauben, das wissen Sie nicht, wie mein Leben mir vergällt ist, und wie wenig ich bedauern würde, es dahin zu geben.
– Ich weiß, dass du sehr unglücklich bist, o meine arme Heilige! Ich weiß, dass du eine Dornenkrone auf der Stirne trägst, die ich nicht herabreißen kann. Die Ursache und den Hergang deiner Leiden kenne ich nicht und begehre ich nicht zu wissen. Aber ich würde dich sehr wenig lieben, ich würde sehr wenig dein Mitgefühl verdienen, wenn ich nicht von dem Tage an, da ich dir zuerst begegnete, geahnt und erkannt hätte, dass deine Seele betrübt und dein Leben voll Tränen ist. Was hast du von mir zu fürchten, Consuelo meiner Seele? Du, so klug und so stark, du, der Gott Worte eingegeben, welche mich in einem Augenblicke bezwungen und zum Leben zurückgebracht haben, du solltest nun seltsam das Licht deines Glaubens, deiner Vernunft dir untreu finden, weil du mich fürchtest, deinen Freund, deinen Diener, deinen Sklaven? Komm zu dir, mein Engel, sieh mich an! Sieh mich hier zu deinen Füßen, und für alle Zeit, die Stirn im Staube. Was willst du? was gebietest du? Verlangst du fort von hier, jetzt gleich, und ohne dass ich dir folge, ohne dass ich jemals wieder vor dir erscheine? Welches Opfer heischest du? Welchen Eidschwur soll ich dir leisten? Ich bin fähig, dir alles zu geloben, dir in allem zu gehorchen. Ja, Consuelo, ich bin fähig, selbst ein ruhiger Mann zu werden, unterwürfig und so vernünftig scheinend, wie die anderen. Würde ich dir so minder herb dünken und weniger Furcht einflößen? Bisher habe ich nie gekonnt, was ich wollte, aber alles, was du wollen wirst, wird mir künftig möglich sein. Ich werde vielleicht den Tod davon tragen, wenn ich mich nach deinem Wunsch umwandle, aber ich muss dir nun auch meinerseits sagen, dass mir mein Leben stets vergällt war, und dass es mich nicht dauern könnte, es um deinetwillen zu verlieren.
– Lieber, edler Albert, sagte Consuelo beruhigt durch seine Worte und gerührt, erklären Sie sich deutlicher und lassen Sie mich endlich in die Tiefe dieser undurchdringlichen Seele schauen. Sie sind in meinen Augen ein Mensch, der höher als die anderen steht, und von dem ersten Augenblick an fühlte ich für Sie eine Hochachtung und eine innige Teilnahme, die ich keine Ursache habe Ihnen zu verbergen. Ich hörte von allen Seiten, dass Sie unsinnig wären, ich konnte es nicht glauben. Alles was man mir von Ihnen erzählte, vermehrte nur meine