George Sand

Gesammelte Werke


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war ge­wis­ser­ma­ßen ge­for­dert. Von ei­ner wirk­li­chen Ver­brei­tung der­ar­ti­ger Vor­stel­lun­gen zwi­schen dem 11. und 15. Jahr­hun­dert wüss­te ich aber kei­ne deut­li­chen Spu­ren nach­zu­wei­sen. Ge­or­ge Sand macht die Ta­bo­ri­ten zu Trä­gern des Glau­bens, dass die ver­stor­be­nen Brü­der wie­der in neu­en Lei­bern auf Er­den er­schei­nen, aber ich glau­be nicht, dass ge­ra­de un­ter die­ser Hus­si­ten­par­tei ein sol­cher Glau­be zu su­chen sein dürf­te. Es gibt in der Kir­che zu Czaß­lau am Gra­be Zis­kas ein Di­sti­chon un­ter Hu­ßens Bil­de, wel­ches lau­tet:

       Jam ve­nit e su­pe­ris Huss, quod si for­te re­di­bit,

       Zis­ka suus vin­dex, im­pia Roma cave.

       D. h. Im Zis­ka ist Huß wie­der auf­er­stan­den; hüte dich Rom,

       wenn nun auch Zis­ka wie­der auf­er­ste­hen wird.

      Und zur Er­gän­zung dient ein Vers un­ter Zis­kas Bil­de, worin es heißt:

       Sur­get ad­huc rur­sus etc.

       D. i. Zis­ka wird auf­er­ste­hen, um die Geist­li­chen zu züch­ti­gen u. s. w.

      Al­lein sol­che von Ge­lehr­ten an­ge­fer­tig­te Epi­ta­phia be­wei­sen nichts für einen Volks­glau­ben. Man hat zu al­len Zei­ten sich auf un­be­stimm­te Wei­se vor­ge­stellt, dass der Geist, der in großen Men­schen sich of­fen­bart hat, in an­de­ren großen Men­schen spä­ter wie­der­schei­ne, um das Werk Je­ner fort­zu­füh­ren; so dach­te man sich auch Luther als den nach hun­dert Jah­ren wie­der er­stan­de­nen Huß. Aber das ist noch kein Glau­be an eine See­len­wan­de­rung. Von den An­sich­ten der Ta­bo­ri­ten ist nur be­kannt, dass sie alle Leh­ren und Vor­schrif­ten ver­war­fen, wel­che nicht in der Hei­li­gen Schrift ihre Recht­fer­ti­gung fän­den, und zwar buch­stäb­lich dar­aus zu er­wei­sen wä­ren. Da­mit ver­ban­den sich zum Teil Vor­stel­lun­gen von der Nähe des jüngs­ten Ge­rich­tes und mit die­sen sind die­je­ni­gen, wel­che sich auf eine See­len­wan­de­rung be­zie­hen, eben­so schwer zu ver­ei­ni­gen als mit der un­be­ding­ten Aner­ken­nung der Schrift­leh­re.

      Der Ge­dan­ke an eine See­len­wan­de­rung ist ei­gent­lich nur dann mög­lich, wenn man kein Jen­seits, kei­nen jüngs­ten Tag an­nimmt. In die­sem Fal­le liegt er aber nah ge­nug, wie je­der sich selbst sa­gen kann. Zu meh­re­rem Be­wei­se möge noch der Schluss ei­ner Schrift aus neues­ter Zeit hier ste­hen, näm­lich die letz­ten Sät­ze aus Les­sings Auf­satz »Die Er­zie­hung des Men­schen­ge­schlechts.«

      »Wa­rum soll­te ich nicht«, fragt Les­sing, »so oft wie­der­kom­men, als ich neue Kennt­nis­se, neue Fer­tig­kei­ten zu er­lan­gen ge­schickt bin? Brin­ge ich auf Ein­mal so viel weg, dass es der Mühe wie­der­zu­kom­men etwa nicht lohnt? Oder weil ich es ver­ges­se, dass ich schon da ge­we­sen? Wohl mir, dass ich es ver­ges­se … Oder weil so zu viel Zeit für mich ver­lo­ren ge­hen wür­de? Ver­lo­ren? Und was habe ich denn zu ver­säu­men? Ist nicht die gan­ze Ewig­keit mein?«

      Ja! und eben des­halb brau­chen wir nicht wie­der­zu­kom­men, son­dern kön­nen ge­trost den Ge­nuss der gan­zen Ewig­keit auch de­nen gön­nen, wel­che nach uns kom­men wer­den.

      1 Ver­stüm­mel­te Stel­le aus dem Jes. Si­rach (XLI, 1 x), wo es heißt: Der Tod sei dem bit­ter, der im Über­flus­se sitzt. Statt des­sen heißt es in obi­ger In­schrift: bit­ter den Un­ge­rech­ten. <<<

      2 Über den Glau­ben der Hus­si­ten an sol­che See­len­wan­de­rung s. die An­merk. am Schlus­se die­ses Bänd­chens. <<<

      3 Es ist in Deutsch­land sehr ge­wöhn­lich, auch Frau­en mit »Bra­vo« an­zu­ru­fen; es muss aber bra­va hei­ßen, und in der Mehr­zahl bei Män­nern bra­vi bei Frau­en bra­ve. <<<

      4 Ei­ni­ges über die ge­nann­ten Sek­ten s. in der An­merk. am Schlus­se des Bänd­chens. <<<

      5 » … der er­lauch­ten Dame Bra­da­man­te, Die fast dem Bru­der gleicht; so stark und kühn Ist die­se tapfre Schwes­ter von Rinal­den.« <<<

      6 »Aus der Tie­fe schrie ich zu dir.« <<<

      7 Die Kra­li­cer Bi­bel ist üb­ri­gens eine aus den Ur­spra­chen ins reins­te Böh­misch über­setz­te Bi­bel (in 6 Quart­bän­den 1579-93), wel­che der Herr von Zro­tin auf sei­ner Burg Kra­lic in Mäh­ren durch ge­lehr­te Böh­men in ei­nem Zeit­raum von etwa 15 Jah­ren hat aus­füh­ren las­sen. <<<

      8 Der Name »Ada­mi­ten« scheint zwar dem al­ten Auf­sat­ze, der von die­ser Sek­te Kun­de gibt, nur von ei­ner spä­te­ren Hand bei­ge­fügt; al­lein auch Äne­as Syl­vi­us er­zählt, dass der Stif­ter der so­ge­nann­ten Pi­car­den­sek­te sich Adam ge­nannt habe u.s.w. <<<

      9 Die hier ge­mein­te Ab­hand­lung, eine Fund­gru­be für die Ket­zer­ge­schich­te die­ser Zei­ten, ist la­tei­nisch ge­schrie­ben und hat den Ti­tel: De Beg­har­dis et Be­guina­bus etc. ed. Mar­ti­ni. Leipz. 1790. <<<

      10 Gie­se­ler in sei­ner Kir­chen­ge­schich­te ver­mengt Beg­har­den und Pi­car­den. Da­ge­gen er­klärt sich Schmidt in ei­nem Auf­sat­ze in der Zeit­schrift von Ill­gen (1840. Heft 3. S. 37.). Aus der Pi­car­die lässt die Pi­car­den Äne­as Syl­vi­us (in sei­ner Böhm. Gesch.) kom­men. <<<

      11 His­tor. per­se­cut. Bo­hem. c. 16. <<<

      12 Schon Be­au­so­b­re in ei­ner Ab­hand­lung über die Ada­mi­ten ist der Mei­nung, dass die­se, die Pi­car­di­ten und Tur­lu­pins wol nur Wal­den­ser wä­ren, de­nen die In­qui­si­to­ren Schand­ta­ten und Gräu­el­leh­ren an­ge­dich­tet. <<<

      13 Mit­ge­teilt von Petz (Scrip­to­res Re­rum Austria­ca­rum). <<<

      14 Aus­zü­ge, bei Mos­heim in sei­nen In­sti­tut. der K. Gesch. S. 552 ff. <<<

      15 Gie­se­ler fol­ger­te (in der Kir­chen­ge­schich­te) aus die­sen Sät­zen, wel­che die ein­fa­che Con­se­quenz des Grund­satzes von der Ein­heit des rech­ten mensch­li­chen mit dem gött­li­chen Wil­len, aber po­le­misch ge­gen das ein­sei­ti­ge Moral­ge­setz aus­ge­drückt ent­hal­ten, dass die Be­ken­ner des frei­en Geis­tes sich von dem Moral­ge­set­ze los­ge­sagt hät­ten. Wie kurz­sich­tig! <<<

      Vierter Teil.

      1.